Читать книгу Wirtschaftsethik und Menschenrechte - Bernward Gesang - Страница 13

VIII. Was von der Ökonomischen Ethik bleibt

Оглавление

Nach dieser ausführlichen Kritik soll gesichtet werden, welche Errungenschaften die ökonomische Ethik erzielt hat, denn es lässt sich einiges von ihr lernen. Ganz Recht haben ihre Verteidiger mit der These, dass letztlich zählt, welche Folgen der Ethik sich in der Welt ergeben. Das heißt, Moral muss so gut wie irgend möglich umgesetzt werden. Einige Normen lassen sich nur umsetzen, wenn sie vom gesetzlichen Rahmen ermöglicht werden. Dazu auf die Rolle der Institutionen zu verweisen, ist ein guter, wenngleich hier oft verabsolutiert auftretender Ansatzpunkt: Letztlich können nur Individuen Institutionen verändern, wenn man den von der ökonomischen Ethik wohl – wie von fast der gesamten nichtmarxistischen Ökonomie – akzeptierten „methodologischen Individualismus“ (Hollis 1995, 148, Homann und Blome-Drees 1992, 95, Homann und Pies 1994, 11) voraussetzt. Diese Lehre besagt, dass Gesellschaften und ihr Handeln allein aus dem Handeln der einzelnen Individuen erklärbar sind, welche die Gesellschaft bilden. Nur wenn sich die Überzeugungen der Individuen in ihrer Rolle als Wähler ändern, wird eine neue Politik zustande kommen. Alles andere wäre Zauberei, zum Besten gegeben von einem imposanten Magier mit langem grauem Bart und funkelnden Augen, der beschwörende Worte wie „Unterbau“ und „Überbau“ raunt, bevor er mit Pathos zum „Simsalabim“ kommt. Man sollte einzelne Menschen mit moralischen Argumenten animieren, den Marsch durch die Institutionen anzutreten und dabei auch in diesen aktiv zu werden. Politisches Engagement und der Versuch, eigene Interessen zu organisieren, sind unabdingbar. Explizit greife ich den institutionenethischen Ansatz auf, in dem ich die Einführung einer neuen Institution (Anwalt für die Rechte zukünftiger |32|Generationen) als wesentlichen Schritt zur Lösung unserer globalen Probleme vorschlage (vgl. Kpt. 4.).

Der HO-Test kann helfen, Institutionen leistungsfähig zu halten. Selbst wenn sich durch den „Zwang zur Gegenausbeutung“ motiviert nicht alle, sondern nur viele Menschen wie konsequente HOs verhalten, stellt der Test bedenkenswerte Herausforderungen an die Architektur von Institutionen. Zudem ist die Unterstellung eines HO-Verhaltens besonders prognosestark, insbesondere für den Umgang mit Unternehmen: Man weiß, dass Menschen, die gewohnheitsmäßig mit diesem Modell operieren, seine Logik übernehmen (Frank et al. 1993, 167). Allerdings ist es möglich, das im Alltag weit verbreitete HO-Verhalten ein Stück weit zu überwinden, insbesondere wenn die Menschen von einem höheren Ziel begeistert sind. Darauf beruhen viele Hoffnungen und für diese lässt die ökonomische Ethik keinen Platz.

Es ist eine wichtige Aufgabe für Unternehmen, Politiker und Ethiker, nach echten Win-win-Situationen zu suchen. „Echt“ sind diese dann, wenn moralische Verbesserungen mit monetärem Gewinn umgesetzt werden und nicht nur Imagepflege betrieben wird. Den Blick von Theoretikern, Politikern und Unternehmern dafür zu schärfen, wie man solche Situationen aktiv schafft, indem man langfristige Vorteilsüberlegungen mobilisiert, ist ein echtes Verdienst der ökonomischen Ethik. An Unternehmen so heranzutreten, dass man ihnen Moral als Gewinnfaktor plausibel macht, ist psychologisch geschickt und hilft Ethik umzusetzen, solange man die Ethik eben nicht auf einen Produktionsfaktor zurechtstutzt.[27] Für die ethischen Belange, die nicht über Win-win-Kalkulationen durchsetzbar sind, sind dann eben andere Umsetzungsstrategien zu suchen. Ein besonders wirksames Mittel sind nicht Moralappelle, sondern anschauliche moralische Argumentationen. Das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren, verändert etwas, was durch psychologische Versuche bestätigt wird (Duval et. al. 2001). Zudem kann Moral durch öffentliche Kampagnen, Produkt- oder Unternehmensboykotte, kritische Konsumenten, kritische Aktionäre, ethisches Investment usw. umgesetzt werden. Da informierte Individuen eben auch unter Konkurrenz nicht nur HO-Präferenzen haben, ist es nicht unrealistisch, auf ein Zustandekommen dieser nicht egoistisch motivierten Durchsetzungswege zu setzen.

|33|Fazit: Man muss das für die ökonomische Ethik spezifische Wechselspiel von Vertragstheorie und HO-Annahmen kritisieren, das eine vertragstheoretische Legitimation der Marktwirtschaft erzeugen soll. Zudem muss man Unstimmigkeiten bei der Verwendung des HO-Konzepts aufdecken und klären, weshalb Kritiken der empirischen Ökonomik dieses Konzept sehr wohl treffen, gleichgültig, ob man einen engen oder weiten Gebrauch zugrunde legt. Man kann von der durch die ökonomische Ethik empfohlenen Orientierung an Anreizen und der institutionenethischen Ausrichtung Gebrauch machen. So können mehr Forderungen umgesetzt werden, sofern diese Orientierung nicht als einzig erfolgreiches Instrument verstanden wird, um Moral durchzusetzen. Letzteres kann gerade dazu führen, Moral zu verhindern.

Damit ist eine Theorie, die auf dem egozentrischen Wirtschaftszweck aufbaut, mitsamt der häufig hinter diesem und dem nationalen Zweck stehenden Vertragstheorie zurückgewiesen worden. Andere Rechtfertigungen dieser Zwecke sind denkbar, aber können hier nicht alle untersucht werden. Im nächsten Kapitel wird einer Kritik des utilitaristischen Wirtschaftszwecks nachgegangen, deren Scheitern gemeinsam mit den gerade vorgebrachten Argumenten plausibilisieren soll, weshalb ich vom utilitaristischen Zweck ausgehe.

Wirtschaftsethik und Menschenrechte

Подняться наверх