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Frau Sauder

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Keine halbe Stunde später sind Horst und Astrid an ihrem Ziel, dem KölnTurm, dem höchsten Bürogebäude in der Domstadt. Zügig bringt sie der Aufzug nach oben. Ein leiser Gong gibt das Signal für ihre Ankunft. Die Fahrstuhltüre öffnet sich fast geräuschlos und die beiden Polizisten betreten einen hell beleuchteten Flur. Eine sommerlich und geschmackvoll gekleidete Mittvierzigerin kommt auf beide zu. Mit etwas aufgeregter Stimme begrüßt sie beide: »Mein Name ist Angelika Sauder. Sie sind ja unglaublich schnell. Ich kann einfach nicht fassen, was passiert ist. Bitte folgen sie mir.« Frau Sauder führt sie in ein etwa 30 Quadratmeter großes, wohnliches Zimmer. An den Wänden hängen Fotografien von barocken Aktgemälden. »Nehmen sie doch bitte Platz«, bietet sie dem Duo an.

»Frau Sauder, mein Name ist Astrid Stein und das ist mein Kollege Horst Feld. Wir ermitteln im Fall des Todes einer ihrer Kunden.«

Die Frau stutzt: »Ich dachte, sie kommen wegen Vanessa?«

»Ja, das ist einer der beiden Namen. Die andere Mitarbeiterin heißt Judy«, antwortet Astrid.

»Wieso auch Judy? Ist mit ihr auch etwas passiert?«, reagiert Frau Sauder völlig aufgelöst.

»Bitte beruhigen sie sich, wir möchten lediglich mit ihnen und den beiden Damen reden«, versucht Horst die Situation zu entspannen.

»Aber einer ihrer Polizeikollegen rief doch eben bei mir an, dass Vanessa unterhalb der Zoobrücke tot aufgefunden wurde.«

Horst und Astrid schauen sich verwundert an.

»Entschuldigen sie bitte Frau Sauder, das ist auch für uns eine vollkommen neue Information. Wir sind hier wegen des Todes von Herrn Jens Beyer«, möchte Horst die Situation aufklären.

»Wie? Jens ist auch tot?«, wird die Frau leichenblass. »Das kann unmöglich sein«.

Astrid bemerkt, dass die Situation emotional vollkommen aus dem Ruder läuft. Auf einem Sideboard stehen einige Getränke und Gläser. Astrid reicht Frau Sauder ein Glas Wasser.

Nachdem die offensichtlich geschockte Frau etwas getrunken hat, geht es ihr wieder etwas besser. Horst und Astrid lassen ihr noch ein wenig Zeit.

Mitten in der Stille ertönt SMOKE ON THE WATER. Auf Horsts Smartphone erscheint das Foto eines Skeletts.

»Hallo Claudia, was hast du auf dem Herzen?«, nimmt er das Gespräch an und hört zu. …

»Danke für die Information. Wir sitzen gerade zufällig bei ihrer Chefin. Bitte melde dich, sobald ihr etwas über die Ursache sagen könnt. Bis heute Abend«, beendet Horst das Gespräch. »Unsere Kollegin hat den Tod ihrer Mitarbeiterin leider betätigt. Über die genauen Umstände können wir aber noch nichts sagen. Möchten sie eine kleine Pause machen oder können wir ihnen einige Fragen stellen?«

»Danke, es geht schon wieder, Herr Feld.«

»Offensichtlich kannten sie Herrn Beyer recht gut. Das könnte uns eventuell weiterhelfen«, beginnt Astrid die Befragung.

»Jens ist ein gutmütiger, lebensfroher, langjähriger Kunde. Er liebt und lebt Sex spielerisch. Da ging es immer etwas frivol, aber stets lustig zur Sache. Gewalt war immer ein Tabu. Aufgrund seiner Position lief das nur über meine Firma. Seit etwa zwei Jahren sind nur Judy und Vanessa seine Gespielinnen. Jede Woche abwechselnd waren sie bei ihm zu Hause«, schaut Frau Sauder traurig in ihr Glas. »Wenn alle Kunden wie Jens wären, hätten wir deutlich weniger Probleme mit unserer Kundschaft. Für Judy und Vanessa war das fast wie Freizeit.«

»Gehört zu ihren Mitarbeiterinnen eine Uschi mit langen, blonden Haaren?«, möchte Horst wissen.

»Nein, wieso?«

»Wann war denn Vanessa das letzte Mal bei Herrn Beyer?«, fragt Astrid, ohne die Gegenfrage zu beantworten.

»Schon einige Wochen nicht mehr. Er hatte wohl ziemlich viele Termine. Nur Judy war noch alle vierzehn Tage dort. Offensichtlich machte es ihm aktuell mehr Spaß mit ihr«, antwortet Frau Sauder mit einem leichten Achselzucken.

»Ist ihnen in letzter Zeit irgendetwas bei Herrn Beyer oder Vanessa aufgefallen?«, übernimmt Horst das Fragen.

»Jens habe ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Bei Vanessa? …«, hält Frau Sauder inne. »Eigentlich nichts. Es hatte mich nur gewundert, dass sie nach keinem Ersatzkunden für Jens fragte, da das ja auch ein Verdienstausfall für sie war. Andererseits arbeiten meine Damen im oberen Marktsegment und stehen daher finanziell auch etwas besser da.«

»Frau Sauder, wie können wir denn Judy erreichen?«

»Herr Feld, da haben sie Pech. Einmal im Jahr macht Judy einen dreiwöchigen Trackingurlaub irgendwo in der Welt und bewusst ohne Telefon. Am letzten Samstag ist sie nach Südamerika gestartet. Es tut mir leid, dass ich ihnen da nicht helfen kann.«

»Astrid, hast du noch Fragen?«, schaut Horst rüber.

»Im Moment nicht. Frau Sauder, ich lasse ihnen meine Karte hier. Falls ihnen noch etwas einfällt, können sie mich anrufen. Danke für ihre Zeit«, schließt Astrid das Gespräch ab.

… Wenig später stehen Astrid und Horst in der Sonne vor dem Bürohauseingang.

»Ich glaube nicht an Zufälle, Astrid. Für mich sieht das im Moment so aus, als ob unsere Uschi zugeschlagen hat. Weis der Henker, warum. Aber lassen wir erst einmal Claudias Leute arbeiten. … Da vorne sehe ich eine Pizzeria. Darf ich dich zu einem kleinen Mittagssnack als Danke für die Taxifahrt von gestern Abend einladen? Ich könnte eine Kleinigkeit vertragen.«

»Gute Idee, aber ich bezahle selber«, greift Astrid die Idee auf. »Dabei können wir spekulieren, was Claudia heute Abend mit uns bereden will.«

*

Es ist ein Uhr. Horst und Astrid sitzen im Auto auf dem Rückweg ins Präsidium. Der Fahrtwind bringt ein wenig Kühle auf die verschwitzte Haut. Im Radio läuft die aktuelle Nachrichtensendung. »Unter der Kölner Zoobrücke wurde heute Morgen von einem Spaziergänger eine leblose Frau aufgefunden. Zur Todesursache kann die Polizei derzeit noch keine Angaben machen. Und nun zum Wetter: Auch der heutige Freitag bleibt sehr warm und trocken. Selbst in den Abendstunden wird noch mit Temperaturen um 24 Grad gerechnet. …«

»Na Alterchen, da passt unser Saunaabend doch perfekt«, flachst Astrid.

Horst blickt auf sein bereits jetzt durchgeschwitztes T-Shirt. »Die hat doch ein Rad ab«, denkt er sich und schaut nach vorne, ohne irgendeine Miene zu verziehen. »Hauptsache das Bier ist kalt«.

»Hallo, liebe Radio-Köln-Fans. Wenn ihr keine Lust auf unsere stehende Hitze habt und einen frischen Wind mögt, dann solltet ihr euch schnell ins Flugzeug setzen und nach Thailand fliegen. Ein Taifun, der sich über dem Südchinesischen Meer zusammenbraut, wird euch dann am Wochenende erfrischen«, ertönt es aus dem Radio.

»Die Küstenbewohner finden das bestimmt nicht witzig«, kommentiert Astrid den Radiobeitrag und biegt in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums ein. »Lass uns mal bei Claudia und ihren Leuten vorbeischauen. Vielleicht können die schon mehr zu der toten Vanessa sagen.«

»Nur nicht reden bei dieser Hitze. Das ist ja wie im Römertopf. Garen im eigenen Saft«, denkt Horst und folgt Astrid kommentarlos aus der Tiefgarage.

*

Auf dem Flur vor dem Büro der SPUSI-Chefin zieht sich Horst noch eine kühle Cola, während Astrid schon im Gespräch mit Claudia ist. In einem Zug leert der kleine, knubbelige Polizist die Dose. »Puuh, das tut gut«, brummelt er in seiner unnachahmlichen Art und geht gemütlich zu den beiden Frauen, die schmunzelnd das schwitzende Elend auf sich zukommen sehen.

»Hallo, du Zierde der Wissenschaft. Kannst du uns schon etwas über diese Vanessa sagen?«, kommt Horst direkt auf den Punkt.

»Hallo, du Inbegriff kriminalistischer Transpiration«, geht Claudia direkt in die Offensive, als sie Horst in seinem durchgeschwitzten T-Shirt sieht. »Ich sagte bereits zu Astrid, dass sie erstochen wurde. Der Fundort war höchstwahrscheinlich auch der Tatort. Getötet wurde sie gestern Abend zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht. Sie wurde nicht vergewaltigt und ihre Wertsachen lagen noch bei ihr. Die Tatwaffe haben wir nicht gefunden. Ich könnte mir vorstellen, dass sie in den nahe gelegenen Rhein geworfen wurde. Die finalen Ergebnisse bekommt ihr am Montag. … Das war die von dir so geliebte Kurzform.«

»Ich kann mich selber nicht mehr riechen. Dieses Wetter macht mich fertig. Danke für die Info. Ihr findet mich in meinem Büro«, dreht sich Horst um und geht sehr gemächlich.

»Der ist fertig«, sagt Astrid leise, als er außer Hörweite ist.

»Tut mir echt leid, dass ich ihn damit verarscht habe«, ergänzt Claudia.

»Quatsch, der teilt auch gerne aus und muss das abkönnen«, entlastet Astrid ihre Kollegin. »Wenn der nachher seinen Astralkörper mit einigen Kölsch wieder abgekühlt hat, ist der wieder obenauf. Ich gehe jetzt noch einmal bei Willi vorbei und dann starte ich ins Wochenende. Treffen wir uns um sechs, wie immer?«

»Na klar. Ich mache auch nicht mehr lange. Ich freue mich schon die ganze Woche auf den Abend«, lächelt Claudia.

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