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Rotlicht

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Etwa 50 Kilometer weiter südlich betritt Horst ein auffällig und eindeutig beleuchtetes Haus.

Ein großer muskulärer Herr im schwarzen Anzug empfängt ihn freundlich: »Guten Tag, Herr Kommissar. Schön, sie einmal wieder bei uns begrüßen zu dürfen.«

»Kriminalhauptkommissar! So viel Genauigkeit muss sein. Und tu nicht so scheinheilig. Schleimspuren passen dir nicht. Sag deinem Chef, dass ich ihn sprechen muss … jetzt«, kommt Horst auf den Punkt.

»Ich tue, was ich machen kann, Herr Kriminalhauptkommissar. Warten sie bitte da vorne an der Bar«, zeigt der Türwächter durch einen leicht abgedunkelten Raum auf ein hell erleuchtetes Ensemble aus Gläsern und verschiedenen hochprozentigen Getränken. Kaum hat sich Horst auf den Barhocker gesetzt, spricht ihn ein Barkeeper an: »Was darf ich ihnen zu trinken anbieten?«

»Ein Mineralwasser mit Kohlensäure bitte«, grummelt Horst und schaut sich in dem großzügig gestalteten Raum um.

»Gerne, Herr Feld«, wird die Bestellung entgegengenommen. Nach einigen Razzien und sonstigen dienstlichen Besuchen gehört Horst im Laufe der Jahre zu den bekannteren, aber mit Vorsicht zu genießenden Gästen des Hauses.

Ohne eine Miene zu verziehen, schaut sich Horst das muntere Treiben an. Während eine noch halbwegs angezogene Lady eine Metallstange auf einem großen runden Tisch bearbeitet, rekelt sich eine andere gut gebaute Frau eher unbekleidet auf einem sich langsam drehenden überdimensionalen Teller. Um die beiden Eyecatcher herum sitzen Männer oder kleine Gruppen an Gästetischen und lassen sich von leicht bekleideten Damen sehenden Auges das Geld aus der Tasche ziehen.

»Guten Tag, Herr Kriminalhauptkommissar. Was verschafft uns die Ehre ihres Besuches?«, spricht Horst eine ihm bekannte Stimme in schwarzer Hose und blütenweißem Hemd an.

»Ich sehe, dass mich deine Bulldogge angekündigt hat. Aber lassen wir das Vorspiel und kommen wir direkt zur Sache. Ich suche eine Uschi mit langen blonden Haaren, die Privatbesuche in Lederkluft macht«, möchte Horst wissen.

»Aber Herr Kriminalhauptkommissar, sie wissen doch, dass wir keine Hausbesuche machen. Aber für sie könnten wir vielleicht eine Ausnahme machen«.

»Offensichtlich möchtet ihr mal wieder so eine richtig schöne Razzia haben. Also von vorne: Ich bin hier, weil Spuren von zwei Ladys, die auf dieses Haus registriert sind, beim gleichen Kunden gefunden wurden. Mich interessieren nicht die beiden Ladys. Ich möchte mit dieser Uschi reden«, reagiert Horst ungehalten.

»OK, ich habe es kapiert. Bei uns arbeitet keine Uschi und die Namen der beiden Ladys werde ich von euch wahrscheinlich nicht bekommen. Das hört sich nach einem Escort-Service an, der auch Mitarbeiterinnen von uns nutzt. Ich kann lediglich anbieten, mich mal umzuhören, ob irgendjemand diese Leder-Uschi kennt. Aber nagelt mich nicht an die Wand, wenn wir sie nicht finden«, lenkt der Besitzer des Etablissements ein.

»Geht doch!«, grantelt Horst und legt seine Visitenkarte sowie einen 5 Euro-Schein für das Mineralwasser auf den Tresen. »Da ihr von der flotten Truppe seid, wird es sicher kein Problem sein, dass ich heute noch eine zufriedenstellende Antwort bekomme. Wie ihr mich erreichen könnt, wisst ihr jetzt«, steht Horst auf, trinkt sein Glas aus und verlässt ohne weitere Worte das Bordell.

Erst jetzt merkt er, wie angenehm klimatisiert das Freudenhaus ist. Die sommerliche Nachmittagssonne treibt schnell die Schweißperlen auf die Stirn. »Gut, dass ich ohne Auto hier bin«, schießt Horst ein kühler Gedanke durch den Kopf. Etwas weniger als zwei Kilometer entfernt liegt der Blücherpark und dort gibt es einen Biergarten. »Meiner Figur tut ein Spaziergang sicher gut«, motiviert sich Horst für den Spaziergang.

Nach einer halben Stunde sitzt Horst im Schatten und setzt gerade sein erstes kühles Kölsch an, als SMOKE ON THE WATER ertönt. Horst lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Schluck für Schluck lässt er das leckere obergärige Bier genussvoll die Kehle herunterlaufen. Erst als der letzte Tropfen im Hals verschwunden ist und aus tiefster Seele ein »Tut das gut« die Erfrischung bestätigt, nimmt er das Gespräch an. »Hallo Astrid, wo bist du? Ich sitze hier im Biergarten am Blücherpark und habe gerade meinen Feierabend eingeleitet. Gibt es etwas Wichtiges?«

Astrid berichtet Horst über das Gespräch im Verkehrsministerium.

»Du strapazierst garantiert im Moment dein Überstundenkonto. Komm doch auch hier in den Biergarten. Zu der Versicherungstante können wir morgen früh noch fahren. Wie lange würdest du denn noch benötigen?«

Horst hört seiner Kollegin zu.

»Du bist auf der A57 und hast die A1 schon passiert? Dann bist du ganz in meiner Nähe. Bis gleich!«, beendet Horst das Gespräch und holt sich noch ein Kölsch.

Nach einer knappen viertel Stunde nähert sich Astrid barfuß mit ihren hochhackigen Schuhen in der Hand. »Hallo Horst, schön hier. Da hattest du eine gute Idee«, begrüßt Astrid ihren Kollegen mit einem Wangenkuss und setzt sich ihm gegenüber.

»Darf ich dir etwas zu trinken holen? Ohne Schuhe wäre es etwas mühsam für dich«, spielt Horst auf ihr Schuhwerk an.

»Das wäre lieb von dir. Ich trinke ein Mineralwasser«.

Wenig später kommt Horst mit dem Wasser sowie einem weiteren Kölsch zurück und setzt sich zu Astrid.

»Hier im Schatten und durch den Teich geht wenigstens ein leichter Wind. Bei mir in meiner Wohnung staut sich die Hitze unerträglich«, beginnt Astrid ein wenig Small Talk.

»Bei mir ist das nicht viel anders. Da hat es Claudia mit ihrem Garten viel besser«, stimmt Horst zu.

»Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen. Das wird bestimmt wieder lustig. Claudia hatte mir gegenüber übrigens in der vergangenen Woche angedeutet, dass sie mit uns dabei über etwas Wichtiges reden will. Weißt du, was sie meint?«, hinterfragt Astrid, während Horst sein drittes Kölsch schon fast wieder geleert hat.

»Keine Ahnung. Mir gegenüber hat sie keine Andeutung gemacht. Was glaubst du, was sie mit uns bereden will?«, fragt der knubbelige Polizist, nachdem er das Glas wieder abgesetzt hat.

»Mir ist nichts eingefallen. Ich hoffe nur, dass es nichts Schlimmes ist«, erwidert Astrid.

In diesem Moment ertönt SMOKE ON THE WATER. Horst zückt sein Smartphone aus der Tasche. »Kann man denn nicht mal in Ruhe ein Kölsch trinken«, brummt er vor sich hin. … »Hallo, was hast du herausbekommen?« Danach hört Horst zu. Nur ein gelegentliches »Mmmh«, »Ja« oder »Oha« sind seine Redebeiträge, während er zwischendurch den Rest aus seinem Bierglas trinkt. »Für ein Verdienstkreuz werde ich dich sicher nicht vorschlagen, aber den heutigen Besuch meiner Kollegen werde ich nicht lostreten. In dem Sinne. Tschüss!«, beendet er das Telefonat und wendet sich mit einem leichten Grinsen wieder Astrid zu, welche ihn fragend anschaut.

»Das war der Chef von dem Spaßhotel für Notgeile. Da sind wir wieder in einem hübschen Wespennest. Die beiden Ladys, die ohne Unterwäsche im Auto vom Beyer saßen, sind keine gewöhnlichen Nutten. Das sind zwei Zertifizierte, die für das Auswärtige Amt arbeiten«, erklärt Horst.

»Du willst mich verarschen. Dir ist das Bier in den Kopf gestiegen«, lacht Astrid ihren Kollegen an.

»Definitiv nicht. Darüber redet in der Öffentlichkeit niemand, weil es so herrlich peinlich ist. Es kommt aber bei der Vielzahl von unterschiedlichsten Staatsbesuchen vor, dass Delegationen oder Teile davon eine gewisse Erwartungshaltung an die Gastlichkeit unserer Republik haben. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden oder die Typen irgendwo hingehen, kann das zu ziemlich heiklen diplomatischen Verwicklungen führen. Als Kompromiss gibt es da bestimmte Escort-Services mit Damen, die auch sicherheitsüberprüft sind. Diese Judy und Vanessa gehören dazu. Offiziell arbeiten sie ein paar Straßen weiter. Sie sind dort jedoch nicht aktiv. Dafür erhalten sie von Papa Staat einen finanziellen Ausgleich. Ihre Aufträge erhalten sie vom Escortservice LISSIDREAM, den wir morgen mal besuchen«, klärt Horst auf und greift nach seinem leeren Glas. »Möchtest du auch noch etwas trinken?«

»Danke, nein! Soll ich dich nach Hause fahren oder nimmst du die Bahn?«

»Ein solch komfortables Angebot einer netten Kollegin kann ich nicht ausschlagen. Darf ich mir denn noch ein letztes Kölsch gönnen?«, flachst Horst.

Im Auge des Milans

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