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Auf ins Wochenende

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»Hi Willi! Fit für den Abend?«

»Na klaro, Astrid. Ich freu mich ald de janzen Daach, dat ich die müffelije Klamotte ustrecke kann. Un nit zo verjesse is dat leckere Kölsch (Na klar, ich freue mich schon den ganzen Tag, dass ich die muffige Kleidung ausziehen kann. Und nicht zu vergessen ist das leckere Kölsch).«

»Hast du irgendetwas auf dem PC von dem Beyer gefunden, was uns helfen könnte?«

»Ich habe mir zunächst die Mails angeschaut. Da waren diverse Mails mit Personen aus dem Karneval. Auf den ersten Blick nichts Auffälliges. Dienstlich drehte sich fast alles um das Projekt SPRINT. Ich habe mich gewundert, wie viel Dienstliches sich auf dem privaten PC tummelte. In den vergangenen Tagen hatte er einen regen Mailaustausch mit einem Herrn Tao Qian von der Firma CENTURY-BP, einem Harry Bogener von dem Versicherer der CENTURY-BP sowie einem TÜV- Ingenieur mit dem Namen Ulrich Sachs. Dabei ging es um irgendwelche Prüfungen in China und einen Übergabetermin in Schanghai. Das sieht für mich auf den ersten Blick wie ganz normales Business aus, wenn man mal die Summen vernachlässigt. In Schanghai wurde eine Ladung im Wert von 200 Mio. Euro auf eine dreiwöchige Reise nach Rotterdam geschickt. Von dieser Uschi habe ich nichts gefunden«, erläutert Willi.

»Gab es denn Mails von einer Angelika Sauder, Judy oder Vanessa?«, möchte Astrid wissen.

»Von Judy und Vanessa gibt es nichts, das habe ich bereits überprüft. Ich schaue einmal kurz nach, ob ich etwas von dieser Angelika Sauder finde. Gib mir eine Minute«, bittet der Lockenkopf mit der Neard-Brille und huscht mit seinen Fingern über seine Tastatur.

Astrid lässt ihn in Ruhe suchen und bestaunt die Anzahl der Bildschirme, die Willi vor sich aufgebaut hat.

»Nix (Nichts), da ist keine Mail mit der oder einer ähnlichen Mailadresse, leev Mädche (liebes Mädchen)«.

»Auch nichts von LISSIDREAM?«, ergänzt Astrid.

Wieder klimpert Willi auf der Tastatur.

»Doch da ist eine unbeantwortete Mail von vorgestern. Voila!«

Gemeinsam schauen sie auf den Bildschirm.

»Hallo Jens, kannst du absehen, wann du wieder beide Servicekräfte benötigst? Schöne Grüße A.«, steht dort.

»Das passt zu der Aussage von der Frau Sauder. Der Beyer war da bereits möglicherweise tot«, erklärt Astrid. »Alles läuft auf diese Uschi heraus, aber die ist wie ein Geist.«

»Ich konnte die Quelle ihrer Erpressungsmail im Darknet noch nicht finden, aber ich versuche es weiter«, erkennt auch Willi das Problem.

»Diese Uschi ist doch offensichtlich nicht dumm. Wieso sollte sie ihr Erpressungsopfer umbringen? Damit würde sie ihre potenzielle Geldquelle schließen. Eine spontane Tat kann es auch nicht gewesen sein. Dazu passt der Abschiedsbrief nicht. Hat der Beyer sich vielleicht doch selber umgebracht, weil er mit dem Bekanntwerden seines Hobbys nicht leben konnte? Aber dann wird diese Vanessa getötet. Wie passt das zu einem Selbstmord? Schließlich kann der Beyer es nicht gewesen sein, da er bereits selber tot war. Ich glaube immer noch nicht an einen Selbstmord«, denkt Astrid laut.

»Hück krieje mer dat sowieso nimmie russ. Losse mer uns jet entspanne un am Mondaach lure mer wigger (Heute bekommen wir das sowieso nicht mehr heraus. Lassen wir uns etwas entspannen und am Montag schauen wir weiter)«, beendet Willi auf seine sympathische Art das Grübeln.

»Du hast recht, jetzt ist Wochenende. Bis nachher!«, nimmt Astrid seinen Vorschlag an.

*

»Schön, dass dein rollendes Spielzeug eine Klimaanlage hat. Die Hitze macht mich fertig. Ich freue mich zwar auf unser Treffen, aber Sauna?«, schwant Horst Ungemach.

Willi hat sich einen gebrauchten feuerroten Sportwagen gekauft, der jetzt in den Wendehammer vor Claudias viel zu großes Haus fährt. Nachdem er den Wagen abgestellt hat, nehmen die beiden Männer ihre Sporttaschen und gehen über den breit gepflasterten Weg zur Hauseingangstür. Einzelne Bäume, die das einsam gelegene Haus umgeben, werfen einen angenehmen Schatten. Noch bevor beide den Eingang erreichen, öffnet Claudia im Bikini die Tür: »Kommt rein! Astrid ist schon auf der Terrasse. Wir beide genehmigen uns bereits ein Gläschen Rosé, nachdem wir uns vorher zur Abkühlung geduscht haben. Wollt ihr das auch machen oder sollen wir erst eine Runde schwitzen?«

»Duschen klingt gut«, antwortet Horst und schlürft mit seinen Badelatschen und in kurzer Hose durch den Flur und das Wohnzimmer auf die Terrasse.

»Hallo ihr zwei«, begrüßt Astrid die Kollegen von einer Liege nur mit einem Bikini-Unterteil bekleidet. »Der Rosé ist supererfrischend.«

»Euer Anblick zwar auch, aber die Dusche ist sicher erfrischender«, geht Horst weiter zu dem Schmuckstück des Gartens, der großen Sauna. Sie ist nach hinten und zur Seite mit Holz geschlossen. Der zum Wohnzimmer zeigende Teil ist offen mit Glas gestaltet. Eine Steinwand unter dem Firstbalken trennt die eigentliche Sauna vom Duschbereich auf der linken Seite.

Zügig legt er in dem Duschbereich die Kleidung ab und flüchtet geradezu unter das kühle Nass.

»Wenn ich mich da noch an meine erste Saunabegegnung mit unserem Knubbel erinnere, muss ich immer wieder grinsen. Das Bild, wie er neben mir im großen Wasserbecken in der Blubberrinne lag und die Beine zusammengekniffen hatte, wird mir nie aus dem Kopf gehen. Ich glaube, der hatte Sorge, dass jede einzelne Luftblase bei ihm etwas unkontrolliert auslösen könnte«, lächelt Astrid, während sie Horst zuschaut.

»Na ja, wenn man dich mit deiner Figur neben sich blubbern hat, kann ich seine Nöte gut verstehen«, kommentiert Claudia. »Schließlich ist er ja auch nur ein Mann.«

»Warum hatte er eigentlich nie eine Partnerin?«, fragt Astrid.

»Er hatte eine und sogar eine tolle. Das ist schon lange her. Elke war auch Polizistin. Kurz vor ihrer Hochzeit ist sie bei einem gemeinsamen Einsatz ums Leben gekommen. Bis heute macht er sich deshalb Vorwürfe, obwohl er definitiv nichts dafürkonnte. Behaltet es für euch und bitte sprecht ihn nicht darauf an. Dann wäre sein Abend versaut«, erklärt Claudia.

»Ok! Das wusste ich nicht«, antwortet Astrid nachdenklich.

»Ich han nüüß jehürt (Ich habe nichts gehört)«, fügt Willi hinzu. »Ävver et weet langsam Zick, dat ich och ens dusche kann (Aber es wird langsam Zeit, dass ich auch einmal duschen kann).«

»Und was ist mit deinem Liebesleben«, fragt Claudia in Richtung Astrid.

»Zwei Scheidungen in vier Jahren. Mein Bedarf an festen Beziehungen ist gedeckt. Ich habe euch. Das reicht mir vollkommen. Prost!«, hebt Astrid ihr Glas.

»Dat is nit fair! Wo is ming Kölsch?«, feixt Willi.

»Ab in die Dusche Mr. Smith! Horst ist gerade fertig! Bier gibt es anschließend«, scheucht Claudia ihren jungen Kollegen.

Sichtlich entspannt kommt Horst in Badehose auf die Terrasse zurück: »So Mädels, wo ist das Bier?«

»Natürlich im Kühlschrank. Bedienen musst du dich schon selber, schließlich seid ihr ja hier fast schon zu Hause«, antwortet Claudia.

*

Eine halbe Stunde später sind Willi, Claudia und Astrid in der Sauna. Horst hat den Saunagang abgebrochen, weil ihm nicht mehr nach schwitzen war. Mit einem Kölsch in der einen Hand wendet er im Schatten eines Baumes mit der anderen die brutzelnden Würstchen auf dem Grill.

Auf dem Terrassentisch klingelt Astrids Smartphone. Da er das Kölsch nicht aus der Hand geben möchte, nimmt Horst das Gespräch im Freisprechmodus an.

»Guten Tag, mein Name ist Horst Feld. Frau Stein ist gerade nicht hier. Mit wem spreche ich?«

»Hier ist Judy. Ich bin hier in Peru von Angelika Sauder angerufen worden. Sie sagte mir, dass Vanessa tot ist«, hört Horst eine aufgeregte junge Stimme und winkt Astrid herbei.

»Ich bin der Kollege von Frau Stein. Was wissen sie über Vanessa? Hat sie irgendetwas gesagt?«

»Die Verbindung ist schlecht. Vanessa hat mir im Vertrauen gesagt, dass sie von einer Frau 1000 Euro bekommen hat. Dafür sollte sie einige Wochen nicht zu Herrn Beyer gehen. Wenn sie sich daran halten würde, sollte sie weitere 1000 Euro bekommen. Allerdings hat man ihr auch gedroht, wenn sie über den Deal sprechen würde. Das war viel Geld. Daher hat Vanessa das Angebot angenommen«, erklärt die junge Frau.

In der Zwischenzeit steht auch Astrid neben dem Terrassentisch. »Judy, ich bin Frau Stein und habe gerade noch etwas mitbekommen. Hat Vanessa die Frau beschrieben?«

»Sie muss etwas älter als wir gewesen sein, war schlank und hatte wohl lange blonde Haare. Mehr hat Vanessa nicht gesagt«, schluchzt die junge Frau.

»Judy …« Die Verbindung bricht ab. Astrid schaut in Richtung Grill. »Horst! Die Würstchen!«

Hastig springt Horst zum Grill und kann das Abendessen so gerade noch retten. Mit Siegermiene dreht er sich zu Astrid und schaut sie provozierend an: »Nackt im Dienst? Ist das eigentlich erlaubt?«

Astrid greift das noch gefüllte Kölschglas, das Horst in der Hektik auf dem Tisch hat stehenlassen, rennt zu ihm und gießt es über seinen Kopf.

Willi und Claudia müssen so laut lachen, als sie den getränkten Horst und Astrid sehen, dass man es durch die Scheibe der Sauna hört.

Horst reibt sich mit der Hand über den Kopf und streicht sie an Astrids Oberarm aus, während das Bier über seinen rundlichen Bauch an ihm heruntertropft. »Das gute Bier!«, schmunzelt er.

Für einen kurzen Augenblick treffen sich ihre Augen.

In diesem Moment verspüren beide einen eiskalten Wasserstrahl, da Willi spontan den Gartenschlauch auf sie hält.

»Nicht auch noch die leckeren Würstchen!«, brüllt Claudia.

*

Nach einer nahezu kindischen Wasserschlacht mit anschließendem Abendessen sitzen alle auf der Terrasse und genießen den herrlich warmen Sommerabend. Claudia und Astrid bearbeiten bereits die zweite Flasche Rosé und die beiden Männer haben dem Gerstensaft auch schon reichlich zugesprochen, als Claudia das Wort ergreift: »Wie ihr wisst, wohne ich hier in diesem riesigen Haus alleine, wenn man von ein paar Mäusen und Vögeln absieht. Ich möchte das ändern. Auf der anderen Seite möchte ich keinen Fremden hier haben. Die könnten sich schließlich darüber beschweren, wenn ich nackt in der Sauna säße. Daher möchte ich euch fragen, ob ihr zu mir ziehen wollt. Platz ist genug für alle da und über die Miete können wir uns bestimmt einigen. Allerdings gibt es einige Gemeinschaftsräume, für die ein paar Regeln gelten müssten.«

»Meinst du das ernst?«, fragt Willi nach.

»Ja, darüber habe ich in den vergangenen Wochen oft nachgedacht. Wir sind alle Singles und möchten das auch bleiben. Andererseits ist das so alleine in einem Haus oder einer Etagenwohnung nicht sehr unterhaltsam. Die Chemie zwischen uns passt trotz unserer Unterschiedlichkeit sehr gut. Das haben wir auch heute gesehen. Horst, wie siehst du das?«

»Beruflich und privat zusammen? Puuh! Ob das gut geht?«, antwortet Horst ernst. »Auf der anderen Seite fühle ich mich viel besser, seit wir diese unverkrampften Saunatage haben. Ihr gebt mir etwas, was ich vermisst habe.«

»Bevor es zu ernst wird. Ich wäre dabei. Wir müssten allerdings prüfen, ob dein Stromanschluss für meine Computer stark genug ist«, springt Willi dazwischen.

»Du meinst das ernst, Claudia. Dafür kenne ich dich zwischenzeitig zu gut. Der Gedanke hat was, aber Horsts Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Das liefe auf eine Erwachsenen-WG heraus. Wir sind alle das Leben mit anderen Menschen nicht oder nicht mehr gewohnt. Außerdem besteht die Gefahr, dass Beruf und Privatleben nicht mehr so scharf getrennt wären«, denkt Astrid laut.

Claudia nimmt ihr Glas in die Hand: »Denkt einfach mal darüber nach. Wir haben keine Eile und jeder kann es für sich entscheiden. Prost, meine lieben Freunde. Es ist schon nach Mitternacht. Ich hau mich jetzt in die Falle. Ihr wisst ja, wo eure Zimmer sind. Wir sehen uns morgen beim Frühstück.«

Im Auge des Milans

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