Читать книгу Im Auge des Milans - Bernward Salomon - Страница 8
Die Assistentin
ОглавлениеDas rautenförmige, gläserne Hochhaus, in welchem das Landesverkehrsministerium untergebracht ist, ist nicht zu übersehen. Langsam fährt Astrid in das Parkhaus an der Stromstraße. Der tiefe Sound des Sechszylinders klingt noch majestätischer als auf freier Strecke. »Wenn das die grünen Verkehrspolitiker hören, legen die mir meine geliebte RÖHRE sofort still«, denkt Astrid und stellt ihren Wagen in einer Parkbucht ab. Dann betätigt sie die Freisprecheinrichtung ihres Dienstwagens: »Guten Tag, mein Name ist Stein von der Kölner Kriminalpolizei, ich habe einen Termin beim Sekretariat des Staatssekretärs. Ich stehe hier in ihrem Parkhaus.«
»Guten Tag Frau Stein, folgen sie bitte den Hinweisschildern zum Aufzug. Ich hole sie dort persönlich ab«, ertönt es aus dem Lautsprecher.
»Danke, ich sehe die Hinweise. Bis gleich!«, beendet Astrid das Gespräch. Das Klack Klack ihrer Schuhe schallt durch die Reihen abgestellter Fahrzeuge.
Wenig später begrüßt eine etwa Fünfzigjährige die Polizistin: »Frau Stein?«
Astrid nickt freundlich.
»Mein Name ist Ulrike Müller, ich bin die Assistentin von Herrn Beyer. Folgen sie mir bitte«, zeigt die adrett gekleidete Frau in Richtung Aufzug und wartet, bis die Tür geschlossen ist. »Ich kann es noch immer nicht fassen, dass unser Herr Beyer nicht mehr lebt. Können sie denn etwas über die Umstände sagen?«
»Er wurde heute im Kölner Süden tot aufgefunden«, antwortet Astrid, als sich die Aufzugstür wieder öffnet.
»Bitte folgen sie mir, Frau Stein.«
Nach wenigen Metern betreten beide ein Besprechungszimmer. Als die Türe geschlossen ist und sich beide gesetzt haben, beginnt Astrid ihre Befragung: »Frau Müller, wir haben bei unseren Ermittlungen erfahren, dass Herr Beyer in ein Großprojekt mit dem Namen SPRINT involviert war. Können sie mir dazu etwas sagen?«
»Selbstverständlich, das ist unser derzeit größtes Projekt. Wie sie sicher wissen, müssen sehr viele ältere Brücken unseres Landes ersetzt werden. Wir haben eine Bestandsaufnahme durchgeführt und festgestellt, dass viele, insbesondere kleine Brücken, durch standardisierte Bauteile viel schneller und wirtschaftlicher erstellt werden können. Herr Beyer war deswegen gerade in Schanghai, um eine Großlieferung vor der Einschiffung nach Rotterdam in Augenschein zu nehmen. Herr Beyer ist der Verantwortliche für dieses Projekt und er hat diese Verantwortung sehr ernst genommen. So schlugen politisch die Wellen etwas hoch, als bekannt wurde, dass bei der europäischen Ausschreibung ein junges deutsches Konsortium den Zuschlag erhielt, die CENTURY-BP. Man vermutete illegale Preisabsprachen. Ein unabhängiger Gutachter bestätigte aber, dass insbesondere durch die Professionalität der von Herrn Beyer verantworteten Projektorganisation die Vergabe als vorbildlich einzustufen ist.«
»Frau Müller. Gibt es im Umfeld von Herrn Beyer irgendwelche Menschen, die ihn nicht besonders mochten?«
»Ich kenne Herrn Beyer nur beruflich. Er war ein angenehmer, freundlicher Chef und im Ministerium angesehen. Da ein Staatssekretär ein politischer Job ist, war er natürlich gelegentlich im Feuer der Kritik. Aber da war nichts Extremes«, erläutert die Assistentin.
»Können sie denn etwas über den Privatmann Beyer sagen«, hakt Astrid nach.
»Wie gesagt, ich kannte ihn nur beruflich. Er ist ledig und in vielen Vereinen engagiert. Obwohl er nicht mein Typ war, empfand ich ihn als angenehm, aber nie aufdringlich«.
»Können sie uns sagen, wo sich Herr Beyer in den vergangenen Tagen aufgehalten hat?«, möchte Astrid wissen.
»Herr Beyer meldet sich bei mir nicht ab«, entgegnet Ulrike Müller. »Er teilte mir jedoch in einer Mail mit, dass er unmittelbar nach seiner Ankunft in Deutschland einige Versicherungsdokumente unseres Auftragnehmers CENTURY-BP bei der Versicherung vorbeibringen wollte.«
»Wo sitzt die Versicherung und haben sie da einen Namen, Frau Müller?«
»Die Versicherung hat in Köln ihre Verwaltung. Er wollte zu einer Frau Sabine Ott in der Schadensabteilung. Wenn ich sie richtig einschätze, möchten sie vermutlich auch einen Ansprechpartner der Firma CENTURY-BP. Dies ist Herr Tao Qian, der Geschäftsführer. Wenn sie mir ihre Mailadresse nennen, sende ich ihnen seine Kontaktdaten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er schon wieder aus China zurück ist, wo er mit meinem Chef war«, antwortet Frau Müller.
»Sie durchschauen mich«, lächelt Astrid und übergibt ihre Visitenkarte. »Wenn sie darüber hinaus noch weitere Informationen für mich haben, können sie mich hierüber erreichen. Im Moment habe ich keine weiteren Fragen an sie.«
Die Polizistin steht auf und reicht Frau Müller zum Abschied ihre Hand: »Danke für ihre Zeit.«
»Soll ich sie zum Ausgang begleiten, Frau Stein?«
»Nein danke! Das ist sehr freundlich, aber ich finde den Weg alleine heraus. Auf Wiedersehen!«, verabschiedet sie sich und verlässt klack klack den Raum.