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„Ich bin frei und leicht“
ОглавлениеEine junge Frau mit einer Essstörung und einer chronischen Erkrankung tauchte im Zuge der Therapie in ihre Vergangenheit ein.
Dabei erfuhr sie, dass sie eigentlich eines von zwei Kindern im Mutterbauch war.
Sie hatte nach der Geburt viel geschrien, in der Pubertät eine Essstörung entwickelt. Sie war mit Jungens nicht gut klargekommen, machte einen burschikosen bis zwittrigen Eindruck, spielte Fußball, war hochintelligent und kam mit ihrer Familie schlecht und mit dem Leben auch nicht besonders gut klar.
Es gab viel Starkes und viel Selbstzerstörerisches in ihrem Leben. Vor allem litt sie immer wieder unter Gefühlen von Verlassenheit, Mangel und Leere.
Als sie auf eine lange Reise ging, riet ich ihr, diesen Zwilling ernst zu nehmen und mit ihm innerlich zu kommunizieren. Bald schon hatte sie den Eindruck, dass der andere Zwilling ein Junge sei. Sie gab ihm einen Namen und sprach mit ihm über ihren Mangel, die Sehnsucht nach etwas und ihr inneres Loch, das sie immer wieder mit Essen zu füllen versuchte.
Als sie wieder bei mir in der Praxis war, beschlossen wir ein Treffen zwischen ihr und dem toten Zwilling.
Wo im Raum nahm ich ihn wahr?
Der tote Zwilling schwirrte unruhig hin und her, auch zwischen ihr und mir. Schließlich sah ich ihn wie einen Vogel. Das Bild wurde immer deutlicher, er ließ sich seitlich zwischen uns nieder und machte den Eindruck einer Taube. Er saß ganz ruhig, alles Flattern hatte aufgehört.
Ich sprach alles aus, was ich „sah“ oder fühlte.
Die junge Frau weinte, war erregt und durcheinander. Wir nahmen uns viel Zeit.
Es gab eine erste Phase, in der es darum ging, nur da zu sein, zusammen mit ihm. Er saß ganz ruhig. Sie wurde auch etwas ruhiger und konnte die Gefühle wahrnehmen, die durch sie hindurchgingen.
In einer zweiten Phase fragte sie ihn: „Wie ist es dir im Mutterleib gegangen und mit deinem Sterben?“ Er berichtete sehr nüchtern, dass es für ihn klar war, dass er nicht auf irdische Weise lebensfähig wäre und dass sein Aufenthalt im Mutterleib nur eine Stippvisite war. Der Abschied war nicht schwierig, da alles so klar war. Gefühle dazu hatte er nicht.
Ich bat sie, diese Dinge zu hören und auch anzunehmen, soweit möglich. Sie sah, dass sie beide vollkommen unterschiedlich waren. Er sah ihre Bewegtheit, aber er teilte sie nicht.
Langsam beruhigte sie sich.
Dann erschien mir der Zwilling doppelt: einmal saß er weiter auf dem Boden neben uns und gleichzeitig schwirrte, flog oder stand er in der Luft rechts über ihrem Kopf.
„Wie geht es dir?“, fragte ich ihn, da er mir eine lebendige Qualität vermittelte.
„Ich bin frei und leicht.“
Sie weinte wieder, krampfte sich manchmal zusammen.
Es waren Welten zwischen ihnen, und das wurde ihr nun schmerzhaft bewusst. Eigentlich wollte sie die Taube streicheln. Und sich mit ihm emotional verbinden und so ihre Einsamkeit auflösen. Er sagte: „Wir haben Kontakt auf einer feinstofflichen Ebene. Ich beziehe mich nicht auf dich. Beziehungen gehören auf die Erde. Ich bin in der Freiheit.“
Wieder war diese Freiheit und Losgelöstheit des anderen schwer für sie zu hören und die eigene Erdenschwere kaum noch auszuhalten. Eigentlich wollte sie die Taube und der Schmetterling sein.
Nach einer Weile fragte sie ihn: „Begleitest du mich?“
„Wenn du es möchtest, tue ich das“, war die Antwort.
Sie sollte nun klar sagen, ob sie es möchte.
Sie: „Ja, ich wünsche es mir. Hast du mich immer schon begleitet?“
Er: „Nein, nur in manchen schwierigen Situationen.“
Sie: „Hast du einen Wunsch für mich?“
Er: „Dass du lebendig lebst.“
Wir schwiegen lange.
Während sie ihren Gedanken und Gefühlen nachhing, was für sie denn lebendiges Leben sein könnte, kribbelte mein Kronenchakra stark.
Ich fragte, ob es mit mir oder mit der Klientin zu tun habe. Es hatte mit mir zu tun.
Ich spürte und horchte. Er sagte, dass er mich bei dem Manuskript zu diesem Buch unterstützen wolle bzw. mir Antworten geben könne aus der „Anderswelt“, wenn ich über etwas unklar sei oder in Verwirrung geriete.
Ich freute mich sehr.
Wir bedankten uns bei ihm und verabschiedeten uns jede auf ihre Weise.
Er hüpfte in Vogelgestalt davon in den Raum, blieb aber noch eine Weile sitzen mit dem Schwanz zu uns, so dass wir Zeit zum Abschied hatten.
Er hatte uns etwas von der Freiheit einer Seele gezeigt, losgelöst von Emotionen und von Leiden.
Und meine Klientin konnte sich von da an immer wieder an das Bild der Taube neben uns erinnern und sich mit seinem Frieden verbinden.