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4. Kompetenz der EU für den Erlass eines europäischen Vertragsgesetzbuchs
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Viel diskutiert wird immer wieder die teilweise auch schon im Beispiel 1 aufgeworfene Frage, ob Art. 114 AEUV als Kompetenzgrundlage für die Schaffung eines kompletten europäischen Vertragsgesetzbuchs, zum Beispiel in der Form einer Verordnung, ausreichen würde. Dies wird teils bejaht,[34] teils aus verschiedenen Gründen verneint. Dann wird meist auf Art. 352 AEUV verwiesen, der wie bereits erwähnt als Auffangnorm eine einstimmige Verabschiedung durch den Rat mit Zustimmung des Parlaments vorsehen würde, so dass auf diesem Weg kaum mit einem erfolgreichen Verfahren gerechnet werden kann.[35]
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Der sehr offene, von beiden Seiten mit starken Argumenten geführte Streit darüber, ob Art. 114 AEUV ein Vertragsgesetzbuch tragen kann oder nicht, macht eine allgemeine Problematik des Art. 114 AEUV deutlich: Die Norm ist trotz der eben dargestellten Rechtsprechung des EuGH immer noch sehr weit und unterliegt daher starken rechts- und wirtschaftspolitischen Einflüssen. Ein konkreter empirischer Nachweis dafür, dass ein Vertragsgesetzbuch den Binnenmarkt erkennbar verbessern würde, ist im Rahmen des Art. 114 AEUV nicht erforderlich (näher soeben Rn. 15). Bedenkt man, wie schwierig ein solcher Nachweis zu erbringen wäre (und das gilt nicht nur für das Vertragsgesetzbuch, sondern auch für manchen anderen Rechtsakt), so ist diese Offenheit der Norm aber kein Nachteil, sondern eine Notwendigkeit. Sie führt allerdings zu dem Ergebnis, dass Art. 114 AEUV die Kompetenz für jedweden Rechtsakt enthält, der in plausibler Weise auf eine Verbesserung des Marktes abzielt. Wenn also die Mehrheit der Mitgliedstaaten der EU – und damit des Rates – und das EU-Parlament von dieser marktverbessernden Wirkung des Vertragsgesetzbuchs überzeugt sind und das Vertragsgesetzbuch mit tragfähigen Argumenten gerade auf das Ziel der Verbesserung des Marktes ausrichten, so kann sich die EU dafür auch auf Art. 114 AEUV stützen.
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Das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz können dann, wenn einmal entschieden ist, dass gerade ein europäisches Vertragsgesetzbuch als Instrument zur Verbesserung des Marktes verwendet werden soll, dabei keine Schranke mehr bilden. Denn dieses Vertragsgesetzbuch kann weder von den Mitgliedstaaten einzeln erreicht werden, noch gibt es ein milderes Mittel dafür.[36] Ohne dass damit in der rechtspolitischen Auseinandersetzung über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines einheitlichen europäischen Vertragsgesetzbuchs Position bezogen wird, wird man einräumen müssen, dass Art. 114 AEUV letztendlich als passende Rechtsgrundlage angesehen werden kann.[37]