Читать книгу Adolescentia Aeterna - Bettina Kiraly - Страница 10

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6. Kapitel

»Du musst es einfach nur versuchen.«

»Und was soll verhindernd, dass mein Adoniskörper gleich zu Matsch wird?« Jul presste die Worte hervor. Sein Gesicht wirkte verkrampft. Genauso wie die Muskeln seiner Arme.

»Das macht das Toppas. Das automatische Sicherungsgerät hängt am Ende der Route. Das dazugehörige Stahlseil haben wir uns mit zwei Karabinern in den Gurt geklinkt«, erklärte Eva ihm und deutete auf das Sicherungsgerät.

»Weshalb habe ich mich überhaupt darauf eingelassen?«

»Weil du mich liebst und meine Hobbys mit mir teilen möchtest. Und dazu gehört auch das Indoorklettern.« Sie lächelte Jul zu. »Bereit für den ersten Meter?«

Jul nickte.

Eva griff hinter sich in ihren Chalkbag, um Magnesium auf ihren Fingern zu verteilen. Sie ließ ihren Blick über die anderen Besucher der Indoorkletterhalle wandern. Trotz der frühen Nachmittagsstunde hatten viele hierhergefunden. Die Stimmen hallten in der riesigen Halle. »Dann los.« Ihre Finger suchten Halt in einem Griff. »Zieh dich erst hoch, wenn dein Fuß sicher steht.«

Neben ihr bewegte sich Jul vorwärts. Er stellte sich gar nicht mal so schlecht an.

»Kletterst du tatsächlich heute das erste Mal?«, erkundigte sie sich.

»Um ehrlich zu sein, habe ich mich vor hundert Jahren schon einmal daran versucht.«

»Wieso hast du mich angelogen?«, beschwerte sie sich. »Ich dachte, ich zeige dir eine neue Welt. Meine Welt.«

»Ich wollte dich nicht enttäuschen.« Er überholte sie.

»Du wolltest mich reinlegen.«

Er lachte. »Soll ich mich zurückhalten?«

»Wage es nicht.« Er forderte sie heraus? Das würde er bereuen. Hoffentlich. Oder sie blamierte sich bis auf die Knochen.

Eva besann sich auf das, was sie konnte. Die Gedanken hinter sich lassen. Nur auf das Ziel konzentrieren. Flach atmen.

Sie tastete nach dem nächsten Griff, suchte festen Halt für ihren Fuß und zog sich hoch. Sie streckte sich nach dem Griff über ihr, ihr Fuß stieg auf den nächsten Griff und stemmte sich hoch.

Juls Kopf wandte sich zu ihr, als sie mit ihm gleichzog. Er kniff die Augen zusammen und legte an Tempo zu.

Trotzdem gelang es Eva, ihn zu überholen. Sie tastete nach dem letzten Griff an der fünfzehn Meter hohen Wand. Zufrieden lachte sie auf. »Gewonnen.«

Keuchend tauchte Jul neben ihr auf. »Das hast du. Ich will eine Revanche.«

»Keine Pause, um deine alten Knochen auszuruhen?«, stichelte Eva.

»Nicht notwendig.«

»Solltest du dich vor deiner Abreise morgen nicht noch etwas schonen?«

»Ich sitze stundenlang im Flugzeug.« Jul zuckte mit den Schultern. »Was genau soll daran anstrengend sein?«

»Wie wird sich die Trennung auf dich auswirken?«

»Mir geht es hervorragend. Das wird sich auch nicht so schnell ändern, wenn du mich nicht mehr an die Grenze meiner Belastbarkeit bringst.«

Eva hob die Mundwinkel. Ihr Vater würde sich um ihn kümmern. Sie sollte sich keine Gedanken darüber machen, wenn Jul es nicht tat. In den letzten Tagen hatten sie sich immer wieder über die Reise unterhalten, die Jul mit ihrem Vater antreten würde. Eva hatte vorgeschlagen, einen anderen Bruder statt Jul mitzuschicken. Doch die Mission war zu wichtig. Anun wollte Jul unbedingt mit dabei haben, und der wollte ohnehin keinem anderen Bruder den Vortritt lassen. Eva hätte Jul viel lieber bei sich in Wien behalten. »In Ordnung. Du darfst dich noch einmal blamieren.«

»Und wie komme ich hier runter?«

»Lass die Griffe los und setz dich in den Gurt.«

»Setzen?«

»Ja, einfach loslassen. Das Toppas wird dich gebremst nach unten lassen.«

Gemeinsam machen sie sich an den Abstieg. Sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, grinste Eva Jul an. »Und jetzt wieder rauf?«

Er nickte und begann neuerlich den Aufstieg.

Juls Bewegungen war die Erschöpfung anzumerken. Um ihn nicht wie geplant alt aussehen zu lassen, musste Eva sich jedoch nicht zurückhalten. Sie fühlte sich mit einem Mal so müde, als hätte sie bereits zehn Aufstiege hinter sich.

Als sie wieder am Boden angelangt waren, legte Eva ihre Hände auf ihren Oberschenkeln ab und beugte sich keuchend nach vorne.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte Jul sich. »Du bist so blass.«

»Mir ist nur ein wenig schwindelig.« Sie schloss die Augen, öffnete sie jedoch rasch wieder, als sie zu taumeln drohte.

»Du arbeitest zu viel.« Jul klang besorgt. »Du musst besser auf dich achten.«

»Mach dir keine Sorgen. Ich werde auch während deiner Abwesenheit brav essen und genug schlafen. Sogar in unserem Bett, wenn ich rechtzeitig aus dem Büro komme.« Sie streckte den Rücken durch und lächelte ihn an.

»Ich werde Manus beauftragen, ein Auge auf dich zu haben.«

Eva schüttelte den Kopf. »Das wird nicht notwendig sein.«

»Er wird während meiner Reise meine Aufgaben übernehmen. Dazu gehört auch, für dein Wohlergehen zu sorgen.«

»Bestimmt hat Manus wichtigere Dinge zu erledigen.«

Jul legte seine Hand an Evas Wange. »Ich sage ihm dennoch, dass er ab und an bei dir vorbeischauen soll. Nur um sicherzustellen, dass du nicht auf einer Matratze in deinem Büro übernachtest.«

»Na schön.« Sie gab ihm einen kurzen Kuss. »Aber jetzt muss ich unter die Dusche. Die Tischreservierung wartet. Und wenn wir uns nicht beeilen, beginnt der Kinofilm ohne uns.«

»Dann nichts wie los.« Jul begleitete Eva zu den Garderoben. »Wir sehen uns in ein paar Minuten.«

»Ich freue mich.« Sie öffnete die Tür zur Damengarderobe.

Juls Hand auf ihrem Oberarm hielt sie zurück. »Nicht so schnell.« Er zog sie näher an sich heran und küsste sie. Richtig. »Jetzt darfst du los.«

Sie lachte glücklich. Winkend machte sie sich auf den Weg.

Eine Viertelstunde später traten sie frisch geduscht und umgezogen aus der Indoorkletterhalle. In einem kleinen, romantischen Restaurant stärkten sie sich. Nach dem Kinobesuch nahmen sie ein Taxi nach Hause.

Eva kicherte, als Jul auf der Rückbank des Taxis seine Hand unter ihre Jacke wandern ließ. Seine geschickten Finger schoben ihren Pullover und ihr Shirt hoch. Als sie seine Hand auf ihren Brüsten spürte, drückte Eva Jul auf Abstand. »Nicht hier«, murmelte sie und blickte zum Taxifahrer.

»Du könntest ihm befehlen, uns zu ignorieren.«

»Dieser Vorschlag aus deinem Mund?«, wunderte sich Eva. »Ich dachte, ich solle meine Macht nicht grundlos einsetzen?«

»Mit mir in einem Taxi fummeln zu können, ist ein hervorragender Grund«, korrigierte Jul. Seine Augen, golden und begehrlich, funkelten.

Sie schüttelte den Kopf und zupfte ihre Kleidung zurecht. »Gedulde dich ein paar Minuten.«

Als sie endlich vorfuhren, bezahlte Jul den Taxifahrer in Rekordgeschwindigkeit, ergriff Evas Hand und zog sie in den Hausflur. Sobald sich die Lifttür hinter ihnen schloss, drängte Jul Eva gegen die Wand und senkte seine Lippen auf ihre für einen sehnsüchtigen Kuss.

»Du willst tatsächlich keine Sekunde verlieren«, meinte Eva zwischen zwei Küssen.

Juls Mund wanderte über Evas Hals. Seine Zähne knabberten an ihrem Kinn. Seine Zunge leckte über die zarte Haut darunter.

»Verschieß nicht dein ganzes Pulver«, keuchte sie.

»Glaubst du etwa, das war schon alles?« Ein gespielt vorwurfsvoller Tonfall.

Die Lifttüren öffneten sich. Eva wurde von Jul an der Taille umfasst und hochgehoben. Kichernd schlang sie die Beine um ihn, während er sie zur Wohnungstür trug und die Tür aufschloss. Evas Welt wackelte, als Jul mit großen Schritten ins Schlafzimmer ging. Vor dem Bett setzte er sie ab.

»Zieh dich aus«, bat er.

Eva hob eine Augenbraue. »Ganz ohne Hilfe?«

Jul grinste. »Ich bin mir sicher, du bekommst das alleine hin.«

Sie hörte ihn in einer Schublade seines Nachttisches kramen, während sie rasch aus ihrer Kleidung schlüpfte. Lediglich mit Slip und BH bekleidet drehte sie sich um.

In Juls Hand befand sich ein Fesselungsset.

Ein Pfeil aus Hitze schoss durch Evas Magen. Ohne ein Wort von Jul wusste sie, dass die Fesseln für sie gedacht waren. Für ihre Hände und Füße. Sie hatte nicht erwartet, dass er diese Art von Spielchen im Sinn hatte.

»Du hast noch etwas an«, stellte Jul fest.

Eva öffnete mit einer Hand den Verschluss ihres BHs und ließ den Stoff zu Boden fallen. Dann hängte sie ihre Finger an den Seiten ihres Slips ein, beugte sich nach vorne und zog den Slip nach unten. »Zufrieden?«, erkundigte sie sich, als sie sich wieder aufrichtete.

»Erst wenn du meinen Namen schreist.« Jul kam mit geschmeidigen Bewegungen näher und trat hinter Eva. Sein Zeigefinger strich über ihr rechtes Handgelenk.

Sie schloss die Augen. Die Berührung reichte aus, um das Begehren wie eine Schockwelle durch ihren Körper zu jagen. Wie sollte ein Normalsterblicher die Liebe, die Leidenschaft zwischen Jul und ihr verstehen? Die Macht hatte eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt, die für die Ewigkeit galt. Diese Liebe würde niemals enden.

Jul band ihre Hände hinter ihrem Rücken zusammen. »Knie dich nieder!«, befahl Jul. Er stützte Eva, damit sie nicht ins Stolpern geriet. Wenig später waren die restlichen Fesseln um ihre Fußgelenke geschlungen.

»Du hast immer noch deine gesamte Kleidung an«, beschwerte Eva sich, als Jul um sie herumging und vor ihr Aufstellung nahm. Sie hob den Kopf. Ihr Blick tastete über sein Gesicht.

»Ich könnte dir ein wenig entgegenkommen.« Er öffnete den Gürtel seiner Hose, zog den Reißverschluss nach unten. »Wäre das in deinem Sinne?«

Eva nickte. Ihr Mund war so trocken, dass sie kein Wort hervorbrachte. Ihre Augen fixierten das Stück Jerseystoff, das unter seiner Hose zum Vorschein kam. Doch entgegen ihrer Erwartung legte er die Hose nicht ab.

Stattdessen zerrte er seine Boxershorts ein wenig nach unten, bis seine Männlichkeit Eva entgegenragte. »Genügt dir das?«, erkundigte er sich ohne jeglichen Humor in der Stimme.

»Für den Augenblick.«

»Mehr musst du dir verdienen.« Sein nächster Schritt brachte ihn direkt vor Eva.

Sie beugte sich nach vorne und ließ ihre Zunge über seine Erregung schnellen. Juls Stöhnen klang wunderschön in ihren Ohren. Als sie ihn in den Mund nahm, krallten sich seine Finger in ihre Haare. Während sie saugte, leckte, knabberte, bewegten sich seine Hüften im Rhythmus ihrer Zärtlichkeiten.

Es brachte Evas Innerstes zum Schmelzen, dass sie in der Lage war, Jul so große Lust zu schenken. Die Fesseln in ihrem Rücken fühlten sich unangenehm an, doch das leichte Ziehen an ihren Armen erhöhte lediglich ihre Sehnsucht nach Berührung. Sie musste Acht geben, nicht umzukippen, und der schwarze Teppich rieb an ihren Knien. Doch sie hätte diese unbequeme Position noch stundenlang aufrechterhalten. Für Jul.

Evas Becken zog sich zusammen. Ihr Körper erhitzte sich. Eva sehnte sich danach, mehr tun zu können, als ihn mit ihrem Mund zu verwöhnen. Sie wollte ihm die Stoffhose und die Unterhose bis zu den Knöcheln runterziehen. Sie wollte ihre Nägel in seinen Hintern krallen. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn in sich spüren.

Jul trat von ihr weg. »Das genügt. Sonst ist das hier viel zu schnell zu Ende.«

»Was muss ich tun, damit ich dich nackt haben kann?«, fragte Eva.

»Das hat noch Zeit. Zuerst bekommst du deine Belohnung.« Er sank auf die Knie, rutschte näher zu ihr. Seine Hände legten sich an ihre Seiten, seine Daumen hoben ihre Brüste an. Sein Kopf senkte sich, und seine Lippen schlossen sich um ihre Brustwarzen.

Eva stöhnte. Sie wäre nach hinten gekippt, hätten Juls Hände an ihren Seiten sie nicht gestützt. Sie zerrte an ihren Fesseln.

Jul spreizte ihre Beine. Dann legte er sich auf den Rücken und schob sich zwischen ihre Schenkel.

»Wäre es im Bett nicht bequemer?«, murmelte Eva.

»Ich werde dich in ein paar Minuten fragen, ob du immer noch um deine Bequemlichkeit besorgt bist.« Und dann setzte er seine Lippen ein, um sie abzulenken.

Sie wimmerte, als seine Zunge zwischen ihre Falten tauchte. Als Jul zu saugen begann, wandelte sich ihr Wimmern in einen Schrei. Ihr Herz schmerzte beim Gedanken, dass dies das letzte Mal für längere Zeit sein würde, dass sie sich liebten. Sie fürchtete sich vor der Trennung. Die Erinnerung an jede seiner Berührungen musste gespeichert werden.

Die Traurigkeit schien in spürbaren Wellen von ihr auszugehen, denn sie konnte plötzlich die Macht fühlen, die Jul dazu benutzte, um sie zu trösten. Die Farbe ihrer Seele erhellte sich. Ein netter Nebeneffekt dieser Behandlung war die Tatsache, dass sich alle Empfindungen von Eva verstärkten. Sie nahm die Reibung von Juls Zunge auf ihrer Haut überdeutlich wahr.

Evas Schenkel zitterten. Der Druck in ihrer Mitte stand kurz vor der Explosion. Die Macht füllte ihren Körper. Juls Zungenspitze massierte ein letztes Mal ihr empfindliches Fleisch. Mit einem lauten Schrei kam sie zum Höhepunkt.

»Gut gemacht, mein Schatz«, lobte Jul. Er kletterte unter ihr hervor und zog sie sanft in seine Arme.

Wie gerne hätte sie ihre Hände in Juls Nackenhaare geknallt und ihre Arme um seine Schultern geschlungen! »Mach mich los«, bat Eva, als sich ihr Herzschlag beruhigt hatte.

»Später. Versprochen.«

»Aber ich brauche dich.«

»Du wirst mich bekommen. Sofort.« Jul löste sich von ihr und entkleidete sich endlich. Er legte sich neuerlich auf den Rücken. »Klettere über mich.«

Eva rutschte auf den Knien vorwärts, bis sich ihre Mitte über seiner befand. »So?«

»Ja, so ist es brav, mein Schatz.« Mit einer Hand zog er Eva tiefer, mit der anderen positionierte er sich. Er hob sein Becken an. »Genau so.«

Seine Erregung glitt in Eva, weitete sie auf eine köstliche Art und Weise. Eva warf den Kopf zurück. Jul krallte seine Finger in ihre Taille, zog sich aus ihr zurück, stieß neuerlich zu. Eva spannte die Muskeln in ihren Oberschenkeln an, um sich ein Stück von ihm zu erheben. Sie ließ sich wieder auf ihn nieder. Sie ritt ihn.

»Ich fürchte, ich kann nicht mehr lange …«, keuchte er.

»Schon in Ordnung.« Sie beugte sich nach vorne, konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten und landete wenig sanft auf Jul.

Die Luft wurde von Evas Oberkörper geräuschvoll aus Juls Lungen gepresst. Er stöhnte.

»Tut mir leid, Geliebter. Aber ich will dir nahe sein. Ich muss deine Haut auf meinen Brüsten spüren. Und jetzt … und jetzt gib mir alles, was mir gehört. Deine Leidenschaft. Deine Ekstase. Deinen Höhepunkt.«

Jul seufzte und bewegte sich mit immer schnelleren Stößen in ihr. Er grub seine Finger in ihre Schultern und leckte über die Haut, die sich über Evas Schlüsselbein spannte. Er saugte an ihrem Halsansatz.

Das Begehren raste durch ihren Körper. Sie wusste, dass er in diesem Moment vermutlich sein Zeichen auf ihrer Haut hinterließ. Ein Zeichen seiner Liebe. Sie war ihm nicht böse. Dann konnte sie seinen Kuss noch einige Tage auf ihrer Haut betrachten. Dann konnte sie sich vormachen, er wäre noch bei ihr.

Jul keuchte an ihrem Ohr, hielt den Atem an. Ein letztes Mal stieß er zu. Eva konnte die Anspannung seines Körpers spüren, als er unter ihr erstarrte. Dann verströmte er sich laut stöhnend und erzitternd in Eva.

Eva ließ sich von Jul in den Armen wiegen. Sie genoss es, seine Nähe, seine feuchte Haut, seinen rasenden Puls zu fühlen. »Ich liebe dich. Mein Gebieter.«

»Und ich liebe dich. Herrin meines Herzens.«

Irgendwann löste Jul ihre Fesseln, damit Eva ihn richtig umarmen konnte. Und dann nahm er sie noch einmal auf dem Teppich. Und eine Viertelstunde später auf dem Bett.

»Wirst du zurechtkommen?«, erkundigte sich Jul, als sie ermattet und ineinander verschlungen nebeneinanderlagen.

Eva nickte. »Ich bin nicht alleine. Die Mädels unterstützen mich, wann immer ich sie brauche.«

»Ich spielte auf die Macht an. Wenn ich daran denke, wie es mir früher nach zwei Wochen ohne Sex ergangen ist … Und wir wissen nicht, wie lange dein Vater und ich tatsächlich unterwegs sein werden.«

»Mach dir diesbezüglich keine Sorgen. Ich habe nicht vor, mich an einen der Jungs heranzumachen.«

Juls Gesicht blieb ernst. »Versprich mir, auftauchende Probleme nicht alleine mit dir auszumachen. Versuch einmal in deinem Leben um Hilfe zu fragen.«

»Du weißt, was du da von mir verlangst?« Schon die Vorstellung, etwas nicht alleine zu schaffen, schnürte ihr die Luft ab. Vermutlich würde sie an den Worten ersticken, mit denen sie ihn um seine Rückkehr bitten müsste.

»Ich bin für dich da, wenn du Unterstützung benötigst. Ich ginge mehrmals durch die Hölle, wenn das dafür sorgen würde, dass du ein glückliches Leben führen kannst.«

»Starke Worte.« Die dennoch Evas Herz berührten.

»Ich kenne diesen heißen Ort ziemlich gut. In meinem Leben habe ich schon oft darin gelebt. Ich habe Bekanntschaft mit dem Teufel und seinen Helfern geschlossen. Sie können mir keine Angst mehr einjagen.«

Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme schnürte ihr die Kehle zu. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit du dort nicht mehr hinmusst.«

»Solange du auf mich wartest, habe ich keine Angst.«

»Ich will nicht, dass du gehst.« Verdammt! Sie hatte dieses Geheimnis für sich behalten wollen. Es war unfair, ihn damit zu belasten.

»Mir geht es genauso.« Jul kletterte an Evas Seite und strich ihr über das Gesicht. »Anun und ich werden nicht lange weg sein.«

»Klar.« Sie zwang ihren rechten Mundwinkel, sich zu heben. »Ihr seid bestimmt zurück, bevor ich dich richtig vermissen kann.«

»Du würdest mir niemals erlauben, dich warten zu lassen. Ich könnte es nicht aus Angst, dich zu verlieren. Du hast versprochen, um mich zu kämpfen, solange ich dir einen letzten Funken Hoffnung schenke. Wenn ich dich im Stich lassen würde und du dich deshalb von mir abwenden würdest, könnte ich mir das niemals verzeihen.«

Evas Herz schwoll an. »Ich nehme nichts so ernst wie dieses Versprechen. Was würde ich auch ohne dich machen?«

»Nicht viel.« Ein übermütiges Funkeln trat in seine Augen. »Ich werde dir noch einmal richtig einheizen, damit du nicht vergisst, wie gut ich mich anfühle.«

Er setzte sein Versprechen in die Tat um. Es galt schließlich, den Vorrat der Macht anzufüllen. Und das tat Jul voller Begeisterung.

»Du musst meine Hand nicht so fest drücken. Meine Finger sind schon ganz taub.«

»Tut mir leid.« Eva hatte Jul seit dem Betreten des Flughafens nicht mehr losgelassen. Sie war einfach nicht dazu fähig.

Einatmen. Ausatmen. Schlucken.

Einatmen. Ausatmen. Blinzeln.

Die einfachsten körperlichen Vorgänge, an die man den eigenen Körper normalerweise nicht erinnern musste, schienen ihrem entfallen zu sein.

Der Abschied von ihrem Vater fiel ihr leicht, doch sie hegte ernste Zweifel, dass sie auf Jul verzichten konnte. Er war die Luft geworden, die sie atmete. Wie sollte sie so lange den Atem anhalten?

Jul zog an ihrer Hand. »Es nutzt nichts, wenn du dich entschuldigst, aber den Druck nicht reduzierst.«

»Sorry. Ich will verhindern, dass ich dich verliere.« Sie konnte nicht verhindern, dass dieser Gedanke immer wieder in ihrem Kopf auftauchte.

Sie waren von Menschen umringt. Direkt hinter ihnen stand Evas Vater und hatte genauso wie Jul einen Koffer in der Hand. Das leise Gemurmel der anderen Reisenden konnte das Rauschen in Evas Ohren nicht übertönen. Eva kämpfte gegen den Eisenring, der ihren Brustkorb einengte.

»Keine Sorge. Ich löse mich nicht in Luft auf.« Jul klaubte seine Finger aus ihrer Hand und rückte einen Platz in der Schlange vor.

Eva stiegen Tränen in die Augen. Sie hatte vorgehabt, Jul mit einem Lächeln zu verabschieden. Sie hatte ignorieren wollen, dass der Zeitpunkt seiner Rückkehr im Ungewissen lag. Sie hatte geplant, bis zur letzten Sekunde neben Jul zu warten. Sie hatte erwartet, stark sein zu können. Welch ein Irrtum. »Ich glaube, ich muss gehen.«

Jul wandte sich ihr zu. »Was ist los?«

»Ich kann das nicht. Ich kann dich nicht gehen sehen.« Sie atmete schwer.

Anun legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Dieses Mal komme ich wieder.«

»Du bist mir egal. Aber Jul … Ich vermisse ihn schon jetzt.«

Ihr Vater schnaubte und verzog das Gesicht. Wie wenig es sie berührte, dass sie ihn mit ihrer Aussage beleidigt hatte!

Jul umarmte sie. »Dann willst du nicht mehr bleiben?«

Natürlich! Am liebsten wäre sie mit Jul in das Flugzeug gestiegen und wäre nie wieder von seiner Seite gewichen. Die Macht sandte schon jetzt keine Wärme mehr aus.

Eva schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich schaffe es nicht, dich freizugeben, wenn ich dich noch länger neben mir habe.« Sie krallte ihre Finger in seinen Pullover. »Wir müssen das Pflaster mit einem Ruck abziehen.«

»In Ordnung. Ich werde an dich denken, Gebieterin meines Herzens. Jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde, die du nicht bei mir bist.«

»Meine Tage werden dunkel sein ohne dich.« Sie schluchzte auf. Die Blicke der Umstehenden ignorierte sie. Warum hatte sie diesem Schwachsinn zugestimmt? Nur die Tatsache, dass sie sich vor den Brüdern völlig lächerlich machen würde, wenn sie einen von ihnen bitten würde, kurzfristig für Jul einzuspringen, hinderte sie daran, ihm das Bleiben zu befehlen.

»Gib auf dich acht. Wir werden über Skype telefonieren. Jeden Abend.«

Sie nickte. Ihre Tränen raubten ihr die Sicht. »Ich liebe dich.« Ein schneller Kuss. Sie zwang ihre Finger, seinen Pullover loszulassen, und nickte in die Richtung ihres Vaters. »Bitte pass auf Jul auf. Ich wünsche dir eine gute Reise.«

Ihr Vater umarmte sie, aber Eva blieb stocksteif stehen. Eine Geste mehr, und sie würde zusammenbrechen.

Nach einem letzten Nicken wandte sie sich ab. Die Tränen liefen nun ungehindert über ihr Gesicht. Nur keinen Blick auf Jul zu viel. Sie lief vorwärts, bis sie zur nächsten Ecke kam. Dahinter wäre sie in Sicherheit.

Dann drehte sie sich doch noch einmal um.

Jul reichte gerade der Dame hinter dem Schalter seine Bordkarte. Ihm schien der Abschied leichter zu fallen als Eva. Sie konnte ihm nicht böse sein. Seine Gedanken waren vermutlich bereits auf das vor ihm liegende Problem gerichtet.

Jul nahm seine Unterlagen entgegen. Er wartete, bis Anun eingecheckt hatte und entfernte sich mit Evas Vater ins Innere des Flughafens.

Eva hielt sich nicht für abergläubisch, aber beim Anblick von Jul, der den Eingangsbereich verließ, presste sich ihr Herz auf die Größe einer Erbse zusammen. Plötzlich legte sich Dunkelheit über ihre Seele, als befürchte sie einen drohenden Verlust.

Den Schrei, der in ihrem Kopf hallte, musste sie eingeschlossen halten. Die Security hätte sie für verrückt oder für eine Bedrohung gehalten. Man würde sie einsperren, sie in eine Irrenanstalt stecken. Als wäre ihr Gefängnis nicht in ihr selbst.

Sie drehte sich um und lief. Direkt in eine Welt, in der sie hoffentlich nur vorübergehend ohne Jul leben musste.

Adolescentia Aeterna

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