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5. Kapitel

Eva räusperte sich. »Haben Sie noch weitere Aufgaben für mich?«

Die Schönberg blickte von den Papieren auf ihrem Schreibtisch hoch. »Nein, danke, Frau Monden. Die Unterlagen zu dem neuen Projekt sehen gut aus.« Sie schob die Blätter zusammen und steckte sie in den dazugehörigen Schnellhefter. »Ich gratuliere Ihnen zum Verkauf der renovierten Immobilie. Der Kaufpreis übersteigt meine Erwartungen.«

»Das freut mich«, meinte Eva. Erst gestern hatten sie das Angebot der Käufer angenommen und plante heute schon den Ankauf ähnlicher grundsanierungsbedürftiger Häuser. »Aber Sie haben vorhin angedeutet, dass Ihnen etwas auf dem Herzen liegt.«

»Ach, ja. Das … das Problem.«

Eva zog die Augenbrauen zusammen. »Gibt es Schwierigkeiten mit einem meiner Objekte? Bislang wurde mir noch nicht …«

»Nein, nein. Ich bin mit Ihrer Arbeit mehr als zufrieden. Unsere Zusammenarbeit ist dennoch der Grund für mein leichtes … Unwohlsein.«

Eine eiskalte Welle schlug über Eva zusammen. Ihr Traum schien ihr aus den Händen zu gleiten. Sie hatte es doch so genossen, ihn zu leben. »Habe ich einen Fehler gemacht?« Das Blut wich aus ihrem Gesicht.

»Nein. Nein!« Katherina Schönberg griff nach Evas Hand. »Sie sind ja ganz blass. Tut mir leid, falls ich einen falschen Eindruck bei Ihnen erweckt habe.«

»Keine Kündigung?«, flüsterte Eva.

»Nein! Ich käme niemals auf so eine absurde Idee! Sie haben der Firma zum Aufschwung geholfen. Ohne Sie wären die Erfolge der letzten Zeit nicht möglich gewesen.«

»Aber …« Eva räusperte sich. »Sie sprachen von Unwohlsein.«

»Dieses Gefühl hängt mit unserer privaten … Verbindung zusammen.«

Der Anspannung ging die Luft aus wie einem löchrigen Luftballon. Stattdessen brodelte Verärgerung hoch. »Was hat Lukas angestellt?«

»Nichts«, versicherte Katherina rasch. »Er ist sehr … entgegenkommend. Wirklich. Er hat mich in einige Regeln der Bruderschaft eingeweiht.«

»Ich habe ihm erlaubt, Ihnen gewisse Details mitzuteilen«, bestätigte Eva.

»Erlaubt, ja. Und genau hier liegen meine Bedenken.« Die Schönberg zögerte ein letztes Mal. »Ich bin über Ihren Status innerhalb der Bruderschaft informiert.«

Die Schönberg spielte wohl auf Evas Position als Älteste an. Wie Lukas diese Rangordnung beschrieben hatte? Eva fragte sich, worin genau das Problem ihrer Chefin lag.

»Lukas hat behauptet, dass Sie unsere Beziehung autorisieren mussten. Angeblich kann die Bruderschaft mir in Notfällen behilflich sein. Was auch immer das bedeuten soll.«

Das bestätigte Eva mit einem Nicken.

»Auf gewisse Weise bin ich dadurch etwas Ähnliches wie ein Mitglied der Bruderschaft.«

»Ich habe den Brüdern Lukas’ diesbezügliche Bitte unterbreitet. Es war seine Idee.«

»Dennoch dürften Lukas und ich uns ohne Ihre Erlaubnis nicht regelmäßig sehen, weil Beziehungen für die Brüder nicht gestattet sind.«

Eva nickte. »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich stehe den anderen gegenüber für diese Neuerung ein.«

»Sie nehmen innerhalb der Bruderschaft die höchste Position ein.«

Eva wartete ab.

»Wenn man es genau nimmt, dann sind Sie mein Boss.«

Hier lag also der Hase im Pfeffer. »Das muss keinerlei Einfluss auf unsere Zusammenarbeit im Immobilienbüro haben. Das hatte es auch bislang nicht.«

Die Schönberg ließ ein kurzes Lachen hören. »Nein, es erklärt jedoch einen Teil Ihres Erfolges. Ich fühle mich mit der Situation nicht wohl. Es muss sich etwas ändern.«

»Das sehe ich anders«, erhob Eva Einspruch.

»Sie können nicht länger meine Angestellte sein.«

»Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie mir nicht kündigen!« Evas Magen verkrampfte sich.

»Diese Firma ist nichts ohne Sie. Ich werde Ihnen neunundvierzig Prozent der Anteile verkaufen.«

Eva sprang auf. »Wie bitte?«

»Sie werden meine Partnerin sein.«

Eva befürchtete, sich verhört zu haben. »Das ist ein großzügiges Angebot. Ich muss gestehen, dass mein aktuelles Vermögen für den Kaufpreis nicht ausreichen wird. Aber mit Hilfe einer Bank … Vielen Dank.«

»Ich werde Ihre Provision reduzieren. Sie erhalten stattdessen neunundvierzig Prozent des Gewinns des Immobilienbüros.«

»Das halte ich nur für fair.«

»Als Partnerin des Immobilienbüros stünde Ihnen ein eigenes Büro wie das meine hier zu. Das kann ich Ihnen im Augenblick aber noch nicht bieten.«

Evas Chefin schien all die negativen Seiten dieses Geschäfts für Eva aufzeigen zu wollen. Ihr Abschreckungsversuch hatte keinen Erfolg. »Kein Problem. Wir werden eine Lösung finden. Ich lege ohnehin nicht viel Wert auf Statussymbole.«

»Ich möchte, dass Sie meinen Vorschlag nicht falsch verstehen«, blieb die Schönberg ernst. »Ich mache das nicht aus Eigennutz. Ich will weder riskieren, dass Sie sich selbstständig machen, noch auf Lukas verzichten.«

»Hätten Sie mir die Partnerschaft ohne jeden Hintergedanken angeboten, hätte ich mir Sorgen gemacht«, lachte Eva und nahm wieder Platz.

»Ich bin mir darüber im Klaren, dass Sie die Macht haben, mir meine Privilegien innerhalb der Bruderschaft zu entziehen.«

»Das würde ich nicht tun.« Zumindest nicht grundlos.

»Und wenn Sie mit einer meiner Entscheidungen als Ihre Chefin im Immobilienbüro unzufrieden wären?«, erkundigte sich die Schönberg. »Wenn Sie eines Tages beschließen, dass Sie mich nicht mehr brauchen? Ich mache mich nicht gerne erpressbar.«

»Diese Besorgnis verstehe ich. Ich garantiere Ihnen, dass Sie diesbezüglich von mir nichts zu befürchten haben. Ich habe viel mehr zu verlieren als Sie. Meine Geheimnisse müssen gewahrt bleiben.« Aber sie hegte nicht die Befürchtung, dass Frau Schönberg sie gegen Eva einsetzen würde.

Die Schönberg nickte. »Sie haben recht. Trotzdem werde ich verhindern, mich Ihnen ausgeliefert zu fühlen.«

»Ich werde nicht widersprechen. Schließlich profitiere ich bisher von Ihren Überlegungen«, gab Eva zu. »Aber warum neunundvierzig Prozent?«

»Weil ich die Kontrolle nicht vollständig aus der Hand geben möchte.«

»Wenn Sie mir die Zahlen aushändigen, werden wir uns über unsere Partnerschaft sicher einig.«

Evas Chefin streckte ihr die Hand entgegen. »Wenn es erlaubt ist, würde ich gerne das Du anbieten.«

»Warum sollte es nicht?« Eva ergriff die Hand. »Dieser Tag ist der schönste in meiner Berufskarriere. Danke, Katherina.«

Evas Herz wurde weit. Hoffnung keimte in ihr auf. Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden würde, jetzt, nachdem sie die Hälfte dieses Immobilienbüros besaß. Nun ja. Beinahe die Hälfte. Immerhin neunundvierzig Prozent ihres Traumes.

Auch der Geschäftstermin später an diesem Tag verlief ganz nach Evas Wünschen. Herr Wieser hatte von Eva bereits vor ein paar Wochen ein Geschäftsgebäude angemietet. Nun suchte er eine Wohnung für seine Freundin, die augenblicklich noch im Burgenland lebte.

»Die fünfundsiebzig Quadratmeter entsprechen Ihren Vorgaben«, meinte Eva, während sie die Tür öffnete und Herrn Wieser vorbeiließ.

»Am Vorraum wurde gespart.«

»Dafür sind die anderen Zimmer größer. Kommen Sie mit ins Wohnzimmer.«

Sie gingen nach nebenan. Die Sonnenstrahlen, die durch die breite Fensterfront fielen, tauchten das helle Parkett in goldenen Glanz. »Hohe Decken, Stuck an den Wänden. Die Heizkörper unter den Fenstern können durch den Kamin unterstützt werden.«

Herr Wieser betrachtete den Marmorkamin vor der frisch gestrichenen weißen Wand. »Ein wunderschönes Stück.«

»Seit der Renovierung der Wohnung gab es keine Mieter. Ihre Freundin braucht einfach nur ihre Möbel in die Räume stellen und sich wohlfühlen.«

Nach einem kurzen Blick in die voll ausgestattete Küche und einem etwas längeren Blick ins Bad begutachtete Herr Wieser das Schlafzimmer.

»Die Wohnung liegt in der Nähe einer U-Bahn-Station«, zählte Eva weiter die Fakten der Wohnung auf. »Bis zur Innenstadt ist es eine Viertelstunde Fahrt, und vier Straßen weiter gibt es einen kleinen Park.«

»Sie haben meine Wünsche an den Schnitt und die Ausstattung der Wohnung alle erfüllt. Wie viel beträgt die Miete?«

»Neunhundert Euro warm.«

»Auch das liegt im Budget«, meinte Herr Wieser mit einem Kopfnicken. »Ich glaube langsam, dass Sie eine Zauberin sind.«

Eva erwiderte das Lächeln ihres Kunden, das ihn sympathischer erscheinen ließ, als er ohnehin schon war. »Ich bemühe mich lediglich, jeden Ihrer Wünsche zu erfüllen.«

»Es gibt da noch etwas, das Sie für mich tun könnten.«

»Was immer es ist.«

»Heiraten Sie mich. Lassen Sie uns durchbrennen und in Las Vegas in eine Hochzeitskapelle einfallen.«

Eva starrte ihn an. Drehte Herr Wieser jetzt durch?

»Entspannen Sie sich. Ich konnte einfach nicht wiederstehen. Eine Generalprobe sozusagen.« Der Mann, der laut Evas Unterlagen zweiunddreißig Jahre alt war und dessen blaue Augen so sanft wirkten, lachte. »Ich habe heute Morgen beschlossen, meine Freundin zu fragen, ob sie mich heiraten möchte. Sie macht mich so glücklich.«

Erleichterung durchflutete Eva. Die Macht hatte den Mann nicht in ihren Bann gezogen. Eva hatte auch keinerlei Bedürfnis auszutesten, ob sie den gerade so enthusiastischen Mann manipulieren könnte. »Ich gratuliere Ihnen. Ihre Freundin wird begeistert sein.«

»Ich hoffe, sie sagt Ja.« Mit einem Mal schien Herr Wieser schüchtern.

»Daran habe ich keine Zweifel.« Eva zögerte. »Aber ist dieses Objekt das Richtige für Sie? Sollte ich nicht lieber eine größere Wohnung für Sie beide suchen?«

»Eine größere Wohnung?« Herr Wieser starrte auf den Boden, hob dann den Blick zu Eva, während er zu strahlen begann. »Sie haben recht. Natürlich haben Sie recht. Aber die Mühe, die Sie sich bereits gemacht haben …«

»Kein Problem. Ihre Lebensumstände werden sich bald ändern. Da will ich Sie gerne mit einem neuen Heim unterstützen.«

»Vielleicht kann ich die Wohnung dennoch mieten. Meine Firma hat oft Kunden aus dem Ausland, und wir fliegen Spezialisten ein. Für diese Gäste wäre die Wohnung perfekt.«

Eva schüttelte lächelnd den Kopf. »Es stellt wirklich kein Problem dar, dass ich etwas anderes für Sie suche. Viele Kunden möchten mehrere Objekte sehen, bevor sie sich entscheiden.«

»Aber die Wohnung ist perfekt.«

»Machen Sie sich keine Gedanken. Sagen Sie mir lieber, welche Wünsche Sie für die gemeinsame Wohnung mit Ihrer Freundin haben.«

Herr Wieser überlegte nur kurz. »Ich werde ein Objekt kaufen. Eine Wohnung wie diese hier. Die Zimmer einfach noch etwas größer. Ein zusätzliches Arbeitszimmer. Vielleicht einen Schrankraum … und einen Balkon. Anna liebt es, im Freien zu frühstücken. Ich werde sie jeden Morgen mit einem Frühstück überraschen, wenn wir erst zusammengezogen sind.«

Seine Freude war ansteckend. »Sie verwöhnen Ihre Freundin«, meinte Eva augenzwinkernd und lotste ihn ins Stiegenhaus.

»Meine Verlobte«, verbesserte Herr Wieser zurückzwinkernd auf dem Weg nach unten. »Suchen Sie für mich unsere Traumwohnung? Ich werde Anna zur Besichtigung einladen, wenn ich vorsortiert habe. Und dann werde ich ihr den Antrag machen.«

»Das klingt nach einem tollen Plan, bei dem ich Ihnen gerne helfen werde. Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich passende Objekte gefunden habe. In der Zwischenzeit überlegen Sie sich in Ruhe das mit der Wohnung für Ihre Firmengäste.«

»Das ist nicht notwendig. Ich habe mich bereits entschieden.«

»Lassen Sie sich nicht durch Ihr schlechtes Gewissen oder Ihr aktuelles Hochgefühl wegen der bevorstehenden Verlobung beeinflussen.«

Herr Wieser schüttelte vehement den Kopf. »Meine Antwort wird auch in ein paar Tagen noch Ja lauten.«

»Sie sind der Boss«, meinte Eva mit einem Lächeln. »Vielen Dank, dass Sie mich beauftragt haben.«

»Meiner Weiterempfehlung können Sie sich sicher sein. Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen.«

Sie waren am Ausgang angelangt und traten auf die Straße. Eva reichte ihrem Kunden die Hand. »Vielen Dank für Ihr Vertrauen, Herr Wieser. Dann hören Sie in den nächsten Tagen von mir.«

»Ich freue mich darauf.« Herr Wieser winkte ihr zu. Seine Schritte zu seinem Wagen wirkten tänzelnd.

Eva schüttelte lächelnd den Kopf und wandte sich ab. Sie kehrte ins Büro zurück, um ihre Unterlagen auf den neuesten Stand zu bringen und die erste Auswahl unter den verfügbaren Objekten zu treffen. Sie wollte, dass Herr Wieser bald die Frage aller Fragen stellen konnte.

Als sie nach diesen Vorbereitungen auf die Uhr sah, war es kurz vor fünf. Sie würde heute pünktlich Schluss machen. Der Tag war aufregend genug gewesen.

Auf dem Nachhauseweg kaufte sie eine Flasche Sekt, Erdbeeren und Schlagobers in der Sprühdose. Dann wählte sie Juls Nummer auf dem Handy. »Wo steckst du, Schatz?«, erkundigte sie sich nach einer kurzen Begrüßung.

»Ich bin zu Hause und stelle mich auf einen einsamen Abend ein. Du rufst doch an, um mir von einem wichtigen, neuen Auftrag zu erzählen?«

»Tut mir leid, dass das in letzter Zeit so oft vorgekommen ist. Ich habe vor, das heute wiedergutzumachen. In spätestens einer halben Stunde bin ich da.« Sie linste in ihre Tüte. »Und ich hab ein paar Geschenke mit. Zieh dich schon mal aus. Vollständig.«

»Und was soll ich in den restlichen neunundzwanzig Minuten tun?«

»Hol die Kiste aus der zweiten, mittleren Schublade des Schlafzimmerschranks.« Die mit den Seilen. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. »Ich habe Lust zu spielen.«

»Du klingst, als hättest du einen tollen Tag hinter dir.«

Eva lachte. »Du hast ja keine Ahnung, Baby.«

Ziemlich schnell hatte Jul diesen Wissensrückstand aber aufgeholt. Er hatte sie mit neugierigem Gesichtsausdruck an der Wohnungstür erwartet. »Ich bin unheimlich stolz auf dich, Geliebte«, meinte er, nachdem sie ihm die Neuigkeit mitgeteilt hatte. »Du hast es dir verdient.«

»Ich habe hart gearbeitet, aber mit diesem Angebot hätte ich niemals gerechnet.« Eva hängte ihre Jacke auf.

Jul umarmte sie, als wäre er nicht nackt und hätte sich nicht mit einem roten Band eine Schleife um den Hals gebunden. »Obwohl die Entscheidung deiner Chefin laut ihrer Aussage mit der Macht zusammenhängt, bin ich nicht überrascht. Man merkte an deinen Erfolgen, dass du deinen Job liebst. Du kommst bei den Kunden gut an.«

»Weil sie sich von der Macht angezogen fühlen.« Eva lehnte sich zurück, damit sie ihn ansehen konnte. »Ich will das durch eigene Kraft schaffen.«

»Warum fällt es dir so verdammt schwer, Hilfe anzunehmen? Du machst deine Sache gut. Sei froh über die zusätzliche Unterstützung, mit der du deinen verdienten Lohn etwas früher erhältst.«

Eva hob einen Mundwinkel. Sie ging in die Küche, um die Einkäufe auszupacken. »Okay, vielleicht hast du recht. Ich sollte die Vorteile nutzen, die sich mir bieten. Das Leben ist hart genug.«

Jul lehnte sich in den Türrahmen und sah ihr beim Auspacken zu. »Die Sache mit deinen Halbbrüdern macht dir zu schaffen, ich weiß. Aber wir werden das Rätsel der Prophezeiung lösen. Ich habe heute mit deinem Vater gesprochen. Er hat Flüge für sich selbst und mich gebucht. In einer Woche geht die Reise los.«

Eva hielt inne. »Ihr macht euch auf die Suche nach den Unterlagen?«

»Dein Vater glaubt, eine Spur gefunden zu haben. Einer seiner Kontakte in Afrika hat sich gemeldet.«

Aufregung ließ ihr Blut hochkochen. Dieser Tag konnte eigentlich nicht besser werden. Eva stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Jul einen harten Kuss auf den Mund.

Ein knurrender Laut löste sich von Juls Lippen, als er sie an sich zog. Seine Finger krallten sich in ihren Po. Seine Zunge glitt in ihre Mundhöhle und ließ sie stöhnen. Er löste den Kontakt ihrer Lippen. »Willst du den Hoffnungsschimmer und deinen Erfolg mit einem kleinen Spiel feiern?«

Sie nickte und zupfte an dem roten Band um seinen Hals. »Hübsches Schleifchen. Nur für mich?«

»Ich bin dein Geschenk. Mein Körper gehört dir.«

»Hast du an die Seile gedacht?« Eva nahm das Schlagobers und die Erdbeeren zur Hand.

Jul nickte und deutete Richtung Schlafzimmer. »Aber ich habe da noch einen Vorschlag.« Er zog sie vorwärts. »Deine Andeutung Spiele betreffend hat mich auf eine Idee gebracht.«

»Vergiss den Sekt nicht.«

Er eilte zurück, griff nach der Flasche und zwei Gläsern. »Und jetzt komm.«

Eva folgte ihm und freute sich über seine aufgeregte Hibbeligkeit. Im Schlafzimmer entdeckte sie wie versprochen die Seile auf dem schwarzen Nachttischchen. Außerdem stand in der Mitte des Bettes eine Schachtel. Eva hob eine Augenbraue.

»Ich sagte doch, ich hatte eine Idee zum Thema spielen.«

»Du willst ein Brettspiel ausprobieren?«, erkundigte sie sich ungläubig. »Jetzt?«

»Gib mir eine Chance. Es handelt sich um ein ganz besonderes Spiel«, meinte Jul augenzwinkernd.

Mit einem kurzen Blick nach unten versicherte sich Eva Juls Konzentration auf das Wesentliche. Trotz des vermutlich für ihn abturnenden Themas ihres Gesprächs wirkte er immer noch erfreut, sie zu sehen.

»Fertig mit Starren?«

Diese Frage hatte er ihr gestellt, als sie das erste Mal in seiner Wohnung gestanden hatte. Sein nackter Oberkörper hatte sie fasziniert. Und das hatte sich in den letzten Monaten nicht geändert. »Niemals.«

Er grinste und stellte den Sekt und die Gläser auf das Nachttischchen. Die Erdbeeren und das Schlagobers folgten. »Zuerst sollten wir deine Kleidung loswerden.« Jul öffnete ihren Blazer und ließ ihn zu Boden gleiten.

»So ein Spiel ist das also.« Sie schloss die Augen, als seine Finger an den Knöpfen ihrer Bluse nestelten, einen nach dem anderen öffneten. Juls Fingerknöchel rieben dabei über die Haut zwischen ihren Brüsten. Die Berührung reichte aus, um ihr Begehren anzuheizen. Langsam wanderten seine Finger weiter.

Juls Hände legten sich auf Evas Schultern, strichen den Stoff der Bluse zur Seite. Die Wärme seiner Handinnenflächen übertrug sich auf Eva. Er rieb ihre Arme auf und ab. Dann senkte er den Kopf, um den Ansatz ihrer Brüste zu küssen. Irgendwie schaffte er es unbemerkt, ihren BH zu öffnen. Seine Lippen schlossen sich um ihre Brustwarzen.

Eva warf den Kopf zurück. Sie musste sich mit den Händen an seiner Schulter festkrallen, um nicht zu taumeln.

Er sah grinsend hoch und öffnete den Verschluss ihres Rockes. Mit leisem Rascheln fiel der Rock zu Boden. Dann half Jul ihr, die Schuhe und ihre Strumpfhose abzulegen. Lediglich mit ihrem Slip bekleidet stand Eva ihm gegenüber.

»Jetzt machen wir es uns gemütlich.« Jul öffnete den Sekt, schenkte die Gläser voll und ließ in jedes Gefäß eine Erdbeere fallen. »Leg dich aufs Bett.«

Eva kletterte auf die Matratze und nahm ihr Glas entgegen. Nachdem sie sich zugeprostet und einen Schluck genommen hatten, zog Eva die Schachtel mit dem Spiel heran. »Wie funktioniert es?«

»Wir würfeln abwechselnd, ziehen abwechselnd Aktionskarten, arbeiten uns vom Vorspiel zum Höhepunkt vor.«

Sie verzog das Gesicht. »Arbeiten? Klingt nicht nach Spaß.«

»Na, warte«, grummelte er. Er beugte sich über sie, während er die Sprühflasche schüttelte.

Eva kreischte auf, als das Schlagobers kalt auf ihrem Bauchnabel landete. Der Laut wandelte sich schnell in Stöhnen, als Juls Zunge darüber leckte. Er schleckte die Süßigkeit auf und ließ sich dabei jede Menge Zeit.

Der Kontakt seiner Zunge mit ihrer Haut wurde unterbrochen. Jul griff nach dem Bund ihres Slips und zog ihn ihr von den Hüften. Nachdem Jul ihn auch über ihre Beine gestreift hatte, landete das Ding irgendwo auf dem Boden. Eva beobachtete, wie Jul anschließend nach den Erdbeeren griff und eine auf ihren Bauch legte. Er knabberte an der Frucht, erwischte dabei aber immer wieder ihre Haut. Eva wand sich unter ihm, als in ihrem Magen eine Spirale der Lust in Gang gesetzt wurde.

Schlagobers landete auf ihrer Brust, und Eva schüttelte den Kopf. »Das lassen wir lieber.«

»Ich bin noch nicht mit dir fertig.«

Juls Hände drückten ihre Oberarme auf die Matratze, sodass sie sich ihm nicht entwinden konnte. Evas Gegenwehr ließ ohnehin schnell nach. Wo immer er sie berührte, stand ihre Haut in Flammen. Feuerzungen erhitzten ihr Blut. Sie wollte mehr.

»Wir werden das Spiel heute wohl etwas verkürzen müssen«, meinte Jul. Auf ihr liegend öffnete er die Schachtel und holte einen Stapel Karten heraus. »Zieh eine.«

Obwohl sie seinen Vorschlag als lächerlich empfand, hielt sie eine der Karten hoch. Eva blickte nicht einmal darauf.

»Sehr praktisch«, murmelte Jul. Er griff nach einem weiteren Objekt in der Schachtel.

Eine Sanduhr. Jul ließ den Sand auf seine Seite fließen und stellte sie dann nach dem Umdrehen auf das schwarze Holz des Nachttischchens.

»Wofür brauchen wir die?«

»Damit wir das Zeitgefühl nicht verlieren.«

Eine Antwort, die ihr überhaupt nicht weiterhalf. Jul lenkte sie von diesem Problem ab, indem er sie küsste. Seine Zunge glitt im selben Augenblick in ihre Mundhöhle wie ein anderer Teil seines Körpers in sie.

Eva bog den Rücken durch. Jul begann sich langsam zu bewegen, stieß in sie, bevor er sich Zeit nahm, sie zu küssen. Eva musste ihre Hüften anheben, um ihn zum Weitermachen zu animieren.

Neuerlich ein Stoß. Pause.

»Das scheint für dich wirklich ein Spiel zu sein«, keuchte sie.

»Ich habe vor, das hier auszukosten. Stundenlang.«

Allein die Vorstellung brachte die Muskeln in ihrem Becken dazu, sich anzuspannen. »Wenn du mir das gesagt hättest, hätte ich mich vorher gestärkt.« Sie gab einen grummelnden Laut von sich, als Jul ihr eine Erdbeere in den Mund steckte.

Als er das Tempo seiner Stöße erhöhte, schluckte sie die Frucht schnell hinunter. Sie umschlang seinen Oberkörper mit ihren Armen, fing seine Lippen zu einem süßen Kuss. Die Macht streckte ihre Monsterkrallen, als die Kraft aus dem Schlaf erwachte. Eva konnte sich das Maul vorstellen, welches das Untier zu einem Gähnen aufgerissen hatte. Träge und zähflüssig setzte sich der Farbwirbel in Gang.

Und dann war es plötzlich vorbei. Jul zog sich aus ihr zurück. Ein schmerzhafter Verlust.

»Was …?« Sie starrte ihn aus geweiteten Augen an.

»Die Zeit ist um«, meinte Jul mit einem Kopfnicken zur Sanduhr und grinste. »Ich bin mit dem Ziehen an der Reihe.«

Er hielt ihr nach kurzem Mischen eine Karte vor die Nase. »Du hast noch einmal Glück. Du musst dich nicht viel bewegen.«

Eva erhaschte lediglich einen kurzen Blick auf das Bild in Juls Händen. Neuerlich drehte er die Sanduhr um und verschwand dann mit seinem Kopf zwischen ihren Schenkeln. Sie krallte ihre Finger in sein Haar, während er seine Zunge dazu einsetzte, sie weiter zu erregen. Sie hatte den Gipfel fast erreicht.

Der Sand aus dieser verflixten Uhr lief viel zu schnell durch. »Das kannst du mir nicht antun«, wimmerte sie, als er von ihr abließ. »Es ist einfach lächerlich, Sex nach einer Uhr zu haben.«

»Du musst dem Ganzen eine Chance geben. Genieß den Moment der Leidenschaft, sehne dich nach mehr, wenn der Wechsel angesagt ist, und höre, wie dein Verlangen zu dir spricht.« Er hielt ihr den Stapel Karten hin. »Du bist dran.«

Dieses Mal betrachtete Eva die Karte genau, bevor sie sie Jul weiterreichte. Ihre Mitte pulsierte sehnsüchtig. Jede Faser ihres Körpers wollte ihn in sich spüren. Das Begehren hatte tatsächlich einen lange nicht mehr gefühlten Punkt erreicht. Und dann dieses Bild. Ein Mann, der auf einem Stuhl saß. Die Frau auf seinem Schoß. Oh ja.

»Wie sollen wir …«

Jul deutete neben das Bett. Eva drehte den Kopf. Sie bemerkte erst jetzt, dass er vor ihrem Heimkommen einen Sessel und ein hohes, festes Kissen aus dem Wohnzimmer geholt hatte. Mit fahrigen Bewegungen kletterte sie aus dem Bett, schubste Jul auf den Stuhl, als er nicht schnell genug war.

Keuchend und mit geweiteten Augen nahm sie auf Juls Schoß Platz, spürte ihn endlich wieder ganz nah, endlich wieder in ihr. Sie legte die Arme auf Juls Schultern, was ihm ermöglichte, seinen Mund um ihre Brust zu schließen. Mit zurückgeworfenem Kopf bewegte sie ihre Hüften in schnellem Rhythmus. Das Rinnen der Sanduhr saß ihr drohend im Nacken.

Spannung baute sich auf, während sie ihn ritt. Nur noch ein wenig … nur noch kurz … Juls Hände umfassten ihre Taille und hoben sie hoch. Eva klammerte sich an ihm fest, flehte mit unzusammenhängenden Worten um mehr. Doch Jul erhörte sie nicht. Er trug sie zum Bett und legte sie darauf ab.

Ein Fieberkrampf hatte sich Evas Körper bemächtigt. Das Monster in ihr brüllte, schlug seine Klauen in ihre Eingeweide. Sie drehte den Kopf ruhelos hin und her, sehnte sich nach Erfüllung. In diesem Moment gab es nichts, das sie nicht getan hätte, um mehr zu bekommen.

»Knie dich hin«, drang Juls Stimme wie durch einen Nebel zu ihr.

Ihr Körper gehorchte. Jul dirigierte Eva, bis sie auf allen vieren war. Als er endlich in sie stieß, schrie sie auf. Die Unruhe legte sich. Eva hieß seine Stöße willkommen. Mit Erleichterung spürte sie das Anwachsen der Anspannung. Vielleicht könnte sie jetzt …

Wieder befahl Jul einen Wechsel. Diese verdammten Karten waren Eva inzwischen vollkommen egal. Dieser Taumel der Leidenschaft sollte einfach weitergehen.

Jul legte das hohe Kissen an den Rand des Bettes. Eva musste mit ihrem Oberkörper darauf klettern, sodass Jul vor ihr stehend ihre Beine anheben und in sie gleiten konnte. Evas Kopf rutschte vom Polster, als er zustieß. Jul kreuzte ihre Beine an den Fußknöcheln und legte Evas Füße auf seiner Schulter ab. Seine Hände hielten Eva an der Taille fest. Die Reibung war köstlich.

Sie konnte nicht länger warten. Es musste ein Ende haben. Sie tastete über ihre Brüste, stimulierte sich dabei selbst. Aber es reichte nicht.

Jul spreizte ihre Schenkel, stieß härter zu und benutzte seine Finger, um sie zusätzlich zu erregen. Eva rieb sich an ihm.

Der Abgrund kam näher. Die Gewalt des Höhepunktes war neu für sie. Ein strahlender Farbenwirbel explodierte hinter ihren Augenlidern. Die Macht glühte so hell, dass sie sich geblendet fühlte. Sie fiel und fiel. Nichts bremste ihren Fall. Die Ewigkeit begann.

Und dann war da Jul, der sie festhielt, der ihr Liebesworte ins Ohr flüsterte. Er lag schwer auf ihr, erdete sie und holte sie zurück aus diesem unbekannten Land, in dem sie sich dem Himmel so nah gefühlt hatte. Morgen würde sie die Kontrolle wieder an sich reißen. Heute Abend jedoch ließ sie einfach los.

Adolescentia Aeterna

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