Читать книгу Adolescentia Aeterna - Bettina Kiraly - Страница 8
Оглавление4. Kapitel
Wien, Februar 2013
»Wenn ihr mich noch länger auf die Folter spannt, explodiere ich.« Evas Blick verfolgte ihre Freundinnen.
»Ziemlich einsame Gegend«, meinte Ellen und ging ins Nebenzimmer.
»Wir haben eine Alarmanlage eingebaut!«, rief Eva ihr hinterher.
»Zu dem Haus gehört eine weitläufige Rasenfläche.« Sascha zog die Augenbrauen hoch. »Habt ihr einen Rasenmähroboter oder etwas in der Art installiert?«
Eva schüttelte den Kopf.
Marianne wanderte an Eva vorbei, während ihr Blick im Raum herumhuschte. »Das Wohnzimmer ist so riesig, dass jede Couch eines normalen Menschen wie ein Puppenmöbelstück wirkt.«
»Wer soll in dieser Küche was Essbares produzieren?«, drang Mimis Stimme von nebenan zu ihnen. »Da steckt mehr Hightech drin als in meinem Computer.«
»Es gibt eine genaue Anleitung für den Herd«, erklärte Eva. »Ich hab das Ding innerhalb von einer Minute kapiert.«
Ellen betrat wieder das Wohnzimmer. »Im Stiegenhaus hallt es stärker als in einem leeren Hallenbad. Wohin führen die Treppen? Mit dem Umweg über die Schlafzimmer direkt in den siebenten Himmel?«
Der Kloß in Evas Hals wurde größer. Sie hatte auf eine positive Reaktion ihrer Freundinnen gehofft. Die vier waren ein guter Indikator, wie das gerade fertig renovierte Haus bei ihren Kunden ankommen würde. Eva konnte sich einen Misserfolg nicht leisten.
»Es ist alles so groß.« Marianne zog ihr Näschen kraus.
»So viel Grün habe ich zuletzt im Wienerwald gesehen«, sagte Sascha, während sie aus dem Fenster blickte. Eva meinte dabei ein kurzes Heben der Mundwinkel ihrer Freundin zu bemerken.
»Hey, Mädels! Es reicht!«, sagte Eva. »Was meint ihr wirklich?«
»Das Haus ist nicht so weit ab vom Schuss, dass man nicht auf einen Sprung nach Wien zum Feiern fahren könnte«, meine Ellen.
»Es liegt im Grünen. Perfekt, um eine Familie großzuziehen.« Marianne lächelte.
»Also gefällt euch das Haus?«
»Es ist toll«, bestätigte Mimi. »Am liebsten würde ich hier mit euch eine WG gründen. Genug Zimmer wären vorhanden.«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen.« Eva grinste. »Wenn ihr begeistert seid, muss ich mir keine Sorgen darüber machen, wie das Objekt bei anderen ankommt. Morgen findet die erste Besichtigung statt.«
»Die Kunden werden dir den Schlüssel für das Haus aus den Händen reißen«, behauptete Sascha.
Eva umarmte die Frauen der Reihe nach. »Ich danke euch. Nun ist der Termin morgen ein Klacks für mich.«
»Und jetzt sehen wir uns noch mal das Monument deines beruflichen Erfolges an«, schlug Mimi vor. Sie schlüpften in ihre Jacken und gingen zusammen vor das Haus. Von dort aus hatten sie einen guten Blick auf das zweistöckige Gebäude, das riesige Grundstück mit den noch nackten Blumenbeeten und die plakative Werbung der Immobilienfirma.
Evas lebensgroßer Kopf auf einem Plakat des Immobilienbüros an der Zufahrt zum Haus. Genau das hatte Eva sich gewünscht. Ein Traum, der in Erfüllung ging. Aber musste er tatsächlich in dieser Größe sichtbar werden?
»Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dankbar ich für die Existenz von Photoshop bin«, gestand Eva. »Die Lachfältchen in meinen Augenwinkeln sahen tiefer als der Mariannengraben aus.«
Die Mädels lachten.
»Was sagt deine Chefin zu dem Ergebnis?«, erkundigte sich Marianne.
»Während des Umbaus hat sie sich nicht eingemischt. Als ich ihr das Haus das erste Mal gezeigt habe, hat sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, sie fand es gut. Sobald der Kaufpreis auf dem Firmenkonto eingeht, wird sie ihre Begeisterung nicht mehr verstecken.«
»Ist eine Gehaltserhöhung drin?« Mimi schien der Gedanke zu gefallen.
Eva schüttelte den Kopf. »Wenn alles glatt läuft, werde ich weitere Projekte dieser Art umsetzen können. Mein Anteil an den Provisionen ist Lohn genug.«
»Bei den neuen Plakaten handelt es sich wohl auch um eine Belohnung«, meinte Ellen.
Eva und die Mädels mussten den Kopf in den Nacken legen, um Evas Kopf ansehen zu können. Nein, ihn anstarren zu können.
»Mir war nicht klar, dass deine Nase so groß ist«, unterbrach Mimi das andächtige Schweigen. »Sie wirkt wie eine Skisprungschanze.«
Zwei Sekunden lang war es still, dann brachen alle fünf in Gelächter aus. Die Leichtigkeit des Moments breitete sich in Evas Körper bis zu ihrem Herzen aus.
»Du scheinst in Gedanken weit weg«, stellte Mimi fest. Vor einer halben Stunde waren sie in ein Kaffeehaus eingefallen. Inzwischen hatte jede ein Stück Torte verputzt und auf dem Tisch standen Sektgläser, schließlich gab es etwas zu feiern. Die anderen Mädels besorgten Kaloriennachschub. »Ist alles in Ordnung?«
Eva hob ihre Mundwinkel zu einem Lächeln. »Ja, klar.«
»Das mit dem Lügen hast du immer noch nicht drauf. Gibt es Probleme im Job oder den teuflisch gutaussehenden Göttern?«
Der neue Spitzname, den Mimi sich für die Brüder ausgedacht hatte, gefiel Eva. »Das Zweite. Wobei … Die Eifersucht der Jungs ist nicht das, was mich augenblicklich besorgt aussehen lässt.«
»Eifersucht auf wen?«
»Auf Jul. Auf Manus. Auf euch.«
»Ich kann nachvollziehen, dass sie gerne alle an Juls Stelle wären. Und dass wir ohne lange Vorbereitungszeit Teil von Adolescentia Aeterna geworden sind, gefällt ihnen sicher nicht. Aber warum der Neid auf Manus?«
Eva blickte in Mimis neugierig wirkende, blaue Augen. Eva rückte näher an ihre Freundin heran. Die Aufmerksamkeit der anderen Mädels war auf die Auswahl in der Tortentheke konzentriert. »Ich habe Manus beim letzten Fest der Bruderschaft geschlagen.«
»Brutal! Darauf sind sie eifersüchtig?«
»Manus war am Andreaskreuz. Ich habe ihn ausgepeitscht und anschließend …« Sie verstummte.
Mimis Augen weiteten sich. »Weiß Jul, dass du ihn betrogen hast?«
»Ich habe nicht mit Manus geschlafen. Ich habe ihn nur … mit der Hand … du weißt schon.« Alleine die Vorstellung, sie hätte diese Grenze überschritten, ließ Evas Herz brennen.
»Dir ist schon bewusst, dass man das auch Sex nennt.«
»Jul hat davon erfahren, und für ihn ist es okay. Jedenfalls wurde die Macht durch diese Aktion stärker. Ich musste vor einem Monat auch die anderen Männer … beglücken, damit ein Ausgleich geschaffen wurde.«
Mimi schüttelte den Kopf. In ihrem Gesicht stand Unmut.
»Sieh mich nicht so an. Ich trage Verantwortung. Fast wie eine Mutter für ihre Kinder.«
»Sehr mütterlich war dein Verhalten nicht.«
»Ich hatte keine andere Wahl. Und es wird garantiert nicht wieder vorkommen.«
»Lass mich noch einmal zusammenfassen: Du machst mit zwanzig Jungs rum, obwohl du eine glückliche Beziehung führst. Aber das ist nicht das Problem, welches dich augenblicklich so beschäftigt, dass du geistesabwesend wirkst?«
Eva seufzte. Das klang tatsächlich nicht nach ihr. Hatte sie schon erwähnt, dass ihr Leben verdammt kompliziert geworden war? »Ich versuche, die Geschichte mit den Brüdern nicht an mich heranzulassen. Ich mache mir Sorgen wegen dieser verflixten Prophezeiung.«
»Hat dein Vater inzwischen etwas über den Verbleib der Schriften herausgefunden?«
»Nein«, seufzte Eva. »Wir haben gemeinsam versucht, das Rätsel in den Überlieferungen zu lösen, die ein afrikanischer Stamm über das Erscheinen eines Fremden verfasst hat. Anun ist der Meinung, dass es sich bei diesem Wanderer um seinen Freund Jusuf handelt, der die Aufzeichnungen der Bruderschaft verstecken sollte. Der Wanderer hat laut dem Stamm Wunder vollbracht. Für wahrscheinlicher halte ich, dass es ihn niemals gegeben hat.«
Mimi runzelte die Stirn. »Willst du etwa aufgeben?«
»Mein Dad bereitet eine Reise nach Afrika vor. Er setzt sich mit all seinen Bekannten in Verbindung«, erzählte Eva. Ihr Herz wurde schwer. »Jul soll ihn begleiten. Obwohl mir diese Idee nicht gefällt, benötigen wir den genauen Wortlaut der Prophezeiung. Wir müssen den Langzeitfolgen entgegenwirken können, die die Übernahme der Macht durch mich vielleicht hat.«
»Geht es den Brüdern denn schlechter?«
»Eigentlich läuft es ausgesprochen gut. Jul hat zu seiner alten Stärke zurückgefunden. Ich fühle mich fit, als käme ich direkt von einer Kur. Und die Brüder scheinen durch die von mir gespendete Macht immer noch nicht negativ beeinflusst.«
Mimi legte eine Hand auf Evas Arm. »Dann mach dir nicht so viele Gedanken. Vielleicht klärt sich alles von alleine.«
»Du unverbesserlicher Optimist! Die Realität sieht anders aus. Man bekommt immer dann einen Tritt in den Hintern, wenn man sich in Sicherheit wiegt. Diesen Fehler werde ich nicht machen.«
Als die anderen Mädels mit ihren gefüllten Tellern zurückkehrten, zwang sich Eva zu einem Lächeln. »Habt ihr uns etwas mitgebracht?«
»Ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte für Mimi und Zitronenkuchen für Eva.« Marianne stellte die Teller vor ihnen ab. »Ich hoffe, ich habe die richtige Wahl getroffen.«
»Perfekt. Vielen Dank.« Eva schob sich eine Gabel voll Zitronenkuchen in den Mund.
»Wie geht die Familienzusammenführung voran?«, fragte Sascha. »Weiß dein Vater, wo deine Brüder stecken?«
Gab es kein anderes Gesprächsthema als Evas Leben? »Nein. Und ich hoffe, ich höre nicht so bald von ihnen. Meine Familie ist auch ohne sie in den letzten Monaten größer geworden, als ich jemals angenommen hätte.«
»Die Bruderschaft hat unser aller Leben verändert.« Ellen grinste. »Sogar Marianne haben wir endlich unter die Haube gekriegt.«
»Dann gilt es nur mehr, eine geeignete Frau für dich zu finden.« Mimi zwinkerte Ellen zu. Als Ellen das Gesicht verzog, boxte Mimi sie spielerisch an den Oberarm. »Wenn du ein wenig flexibler wärst, könntest du dir einen von Evas Jungs aussuchen.«
»Das ist vielleicht eine Überlegung wert. Ich denke, die Jungs haben genug Ablenkungen auf Lager, die mich über ihre offensichtlichen Mängel hinwegtrösten könnten.«