Читать книгу Schlachtfeld Elternabend - Bettina Schuler - Страница 4

PROLOG

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Ach ja, am ersten Schultag, da ist alles noch eitel Sonnenschein, ganz gleich wie das Wetter ist.

Da rennen die Kleinen freudig mit ihren prall gefüllten Schultüten umher, die Väter versuchen verzweifelt, das perfekte Foto fürs Album zu schießen und die Mütter wischen sich das obligatorische Tränchen aus dem Gesicht, derweilen die Omas und Opas müde auf der Bank im Schulhof sitzen und hoffen, dass es bald Mittagessen gibt. Selbst die Lehrer, Meister des strengen Blickes, sind an diesem Tag milde gestimmt und drücken jedem Kind eine Sonnenblume in die Hand, die sich keine fünf Minuten später auf dem Boden wiederfindet. Aber was solls. Denn wer wird sich schon die gute Laune an diesem herrlichen Tag vermiesen lassen? Und so gehen alle, Lehrer, Kinder und Eltern, irgendwann freudig nach Hause, überzeugt davon, dass es die nächsten Jahre so harmonisch weitergeht.

Bis, ja, bis die Erstklässler-Eltern am nächsten Morgen, wenn sie ihre Kinder zum Klassenraum begleiten, die mitleidigen Blicke der alteingesessenen Eltern auffangen, die natürlich wissen, was die Neu-Eltern auf dem Schlachtfeld Schule erwartet. Denn in Zeiten von PISA und Elite-Unis gilt das humboldtsche Bildungsideal an den Schulen nichts mehr. Leistung, Drill und Ordnung lautet heute die Devise, sonst wird das mit dem Nachwuchs auf dem transatlantischen Markt ja nichts mehr.

Warum sollte der Spross nicht gleich mit drei Jahren Kindergarten und Vorschule überspringen? Dann kann das Kind nach dem Abitur auch noch für ein Jahr nach China gehen, ohne bei Eintritt in den Arbeitsmarkt dem internationalen Altersdurchschnitt hinterherzuhinken.

Und auch die Lehrer, nicht selten von den Mamas und Papas unter Druck gesetzt, haben das Wirtschaftspotenzial der Kinder fest im Blick. So gibt es um das Wohl und die Zukunft der Kinder zwischen Lehrern und Eltern immer wieder erbitterte Kämpfe, die ihren Höhepunkt auf den regelmäßig stattfindenden Elternabenden erreichen.

Dort schießt Frau Öko gegen Herrn Sorglos, der seinem Sohn Bodo immer wieder so gefährliche Dinge wie Capri-Sonne mit in die Schule gibt, während Frau Penibel still und heimlich in den Haaren ihrer Banknachbarin nach Läusen sucht. Denn von ihrer Tochter kommen die Läuse in der Klasse ganz sicher nicht. Der Lehrer bombardiert ohne Rückendeckung - seinen Spickzettel hat er zu Hause vergessen - die Eltern mit Positiv-Argumenten für die Klassenfahrt nach Paris. Leider hat er nicht mit Herrn Neunmalklug gerechnet, der erst kürzlich in der Le Monde, oder war es doch die Züricher Zeitung, gelesen hat, dass Barcelona bildungstechnisch gesehen jetzt viel mehr en vogue ist. Im Hintergrund hört man die Besser-Essen-Parolen aus Frau Ökos Mund schießen, die jedoch dank der lauten Stimme von Herrn Neunmalklug ihr Ziel, die Ohren der anderen Eltern, gänzlich verfehlen. Was Frau Erzkatholisch nicht daran hindert, in der hintersten Reihe des Schlachtfeldes eine neue Front zu eröffnen und die Wichtigkeit des Sankt-Martins-Festes mit Bibelzitaten hervorzuheben, das in keinem Fall, in gar keinem Fall Lichterzug heißen könne, wenn die Kinder etwas über unsere Kultur lernen sollen – Toleranz hin oder her.

Der Lehrer, allein schon zahlenmäßig unterlegen, zeigt bereits erste Erschöpfungsanzeichen, was die anwesenden Eltern nicht davon abhält, weiter gegen ihn und seine Vorschläge in die Schlacht zu ziehen. Denn sind wir dank Radio, Fernsehen und Internet heute nicht alle Pädagogen? Weshalb also diesem Hampelmann da vorne glauben? Nur weil der ein paar Fachbücher mehr gelesen hat?

Irgendwann, wenn alle Worthülsen verbraucht, die Argumente-Kalaschnikows leer geschossen und die letzten Beleidigungsbomben abgeworfen sind, beruhigen sich alle langsam, schließen Verträge, bilden Allianzen und sind vielleicht sogar bereit, dem Gegner in einigen Punkten recht zu geben. Allerdings nur bis zum nächsten Elternabend. Dann wird auf dem gleichen Schauplatz ein neuer Kampf ausgetragen, nur eben mit anderen Themenvariationen.

Sie halten das für übertrieben? Dann sollten Sie unbedingt lesen, was unsere Autoren vom »Schlachtfeld Elternabend« zu berichten haben.

Schlachtfeld Elternabend

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