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Lehrer-Typologie

Jeder, der schon einmal auf einem Elternabend war, weiß, dass man dort auf ganz unterschiedliche Lehrer-Typen trifft, für die man jeweils eine individuelle Handhabung benötigt, um das Beste für sein Kind herauszuholen. Damit Sie dabei keine Anfängerfehler begehen, haben wir die wichtigsten Typen für Sie zusammengestellt und analysiert. Ein Muss für jeden, der sich ordentlich auf seinen ersten Elternabend vorbereiten will.

1. Frau Nett

Bevor sie mit ihrer Ansprache beginnt, müssen alle Unterlagen penibel geordnet, die Stifte nach der Äquatorialen ausgerichtet und die Kaffeetasse dem Magnetfeld der Erde entsprechend positioniert werden. Allen Anwesenden ist völlig unklar, was sie mit den diversen Papierstapeln am heutigen Abend vorhat, und mysteriöserweise stellt sich am Ende ihres Vortrags auch heraus, dass sie nichts davon verwendet hat.

Frau Nett steht einige Minuten lächelnd vor der Tafel und bedenkt jeden einzelnen Anwesenden mit einem liebevollen Blick.

»Gleich zu Anfang muss ich Ihnen etwas gestehen, liebe Eltern«, beginnt sie. »Ich unterrichte Ihre Kinder unheimlich gern. Wir verstehen uns sooo gut, eine derart liebe Klasse hatte ich selten.«

Das überrascht Sie nicht. Von Ihrem Kind wissen Sie, dass die Klasse Frau Nett gern in ein 45-Minuten-Gespräch verwickelt, um sie davon abzulenken, dass sie in dieser Stunde eigentlich einen angekündigten Überraschungstest schreiben wollte.


Wenn man Pech hat, trifft man auf diesen Lehrertypus, kurz bevor er oder sie wegen Burn-out-Syndrom zusammenbricht. Die bemitleidenswerte Lehrerin sitzt dann am Elternabend als Häufchen Elend auf ihrem Stuhl, murmelt unverständliches Zeug vor sich hin, fegt schließlich die ganzen Papierstapel effektvoll vom Tisch und rennt weinend aus dem Klassenzimmer. Wirklich kein schöner Anblick, vor allen Dingen, da man sich als Erzeuger der Verantwortlichen unangenehm mitschuldig an dem katastrophalen Geisteszustand der Lehrerin fühlt.

Die männliche Ausgabe, Herr Nett, mutiert nach mehreren erfolglosen Burn-out-Kuraufenthalten gern auch zum Alkoholiker und wird des Öfteren abends in der Innenstadt sturzbesoffen auf einem alten Damenfahrrad gesichtet.

2. Frau Feierabend

Schon am Ende der Ferien weiß Frau Feierabend exakt die Anzahl der Arbeitstage, die sie bis zu den nächsten Ferien absolvieren muss. Genau wie die Schüler sitzt sie in der Schule nur ihre Stunden ab und lebt für die Zeit nach dem Ertönen der Schulglocke. Somit empfindet Frau Feierabend Elternabende, durch die sie genötigt wird, zusätzliche Zeit im Schulgebäude zu verbringen, als eine bodenlose Unverschämtheit.

»Wenn es keine Fragen mehr gibt, werde ich mich nun empfehlen und heimgehen«, beendet Frau Feierabend ihre erfreulich kurze Ansprache. »Sie waren für heute Abend meine letzte Station!« Plötzlich lächelt sie so glücklich, als habe sie gerade im Lotto gewonnen. Überraschend behände springt sie auf und schnappt sich ihre Tasche, in den Augen ein fröhliches Funkeln. Keine Spur mehr von der Frau, die noch vor wenigen Minuten mit gebeugten Schultern und missmutiger Miene hereinkam. In einem Tempo, das jeden professionellen Sprinter vor Neid erblassen ließe, saust sie durch den Klassenraum und hat schon an der Tür ihren Autoschlüssel in der Hand. Zurück bleibt nur eine Wolke ihres viel zu dick aufgetragenen Parfüms oder seines Eau de Toilette, denn natürlich gibt es von diesem Typus ebenfalls eine männliche Ausgabe.

3. Herr Feldwebel

Konsequent, wie es sich für einen Sportlehrer gehört, erscheint er sogar zum Elternabend in seiner üblichen Arbeitskleidung: Jogginghose und T-Shirt. Allein sein Anblick lässt uns Eltern zusammenzucken und unwillkürlich an jene qualvollen Sportstunden zurückdenken, in denen wir am Reck, an den Ringen oder am Barren hingen und vom Lehrer angebrüllt wurden: »Mein Gott, das kann doch nicht alles sein! Da habe ich ja schon Faultiere gesehen, die beweglicher waren als du!«

Neben Sport unterrichtet Herr Feldwebel oft noch Biologie, was in seinen Augen jedoch ein völlig überbewertetes Nebenfach ist. Sein Unterricht läuft meist so ab, dass er den Fernseher in den Biosaal schiebt und die Klasse auffordert, bei der folgenden ZDFinfo-DVD zum Thema Fotosynthese gut aufzupassen, während er noch eine Runde auf dem Sportplatz dreht. Dies hat für alle Seiten nur Vorteile, da die DVD in der Tat informativer und pädagogisch wertvoller ist als der geplante Unterricht.

4. Herr Hawking

Dieser Lehrertypus liebt sein Fach von ganzem Herzen und kommt oft in den Bereichen Fremdsprachen oder Naturwissenschaften vor. Lehrer dieses Typus sind Koryphäen auf ihrem Gebiet oder glauben es zumindest voller Inbrunst. Der Physik- und Chemielehrer Herr Hawking erscheint zum Elternabend in einem weißen Kittel, was den Eindruck erweckt, dass er bis eben noch im Schullabor an der Herstellung eines Betäubungsgases gearbeitet hat, das im Blut der Schüler selbst von einem Kriminallabor nicht mehr nachzuweisen wäre. Denn diese Lehrer lieben zwar ihr Fachgebiet, das Unterrichten aber nicht. Schüler sind für sie wie lästige Fliegen, die sie von ihrer eigentlichen Forschung und Passion abhalten. Den Kindern etwas zu erklären, das für sie selbst so selbstverständlich wie das kleine Einmaleins ist, halten sie für völlig unnötig und schon in der ersten Stunde bei Herrn Hawking haben die Schüler das Gefühl, in einer Vorlesung für fortgeschrittene Physik gelandet zu sein. Auch Einwände der Eltern, den Unterricht etwas basisorientierter und einfacher zu gestalten, perlen von diesem Lehrer ab wie Regentropfen von einem Lotusblatt.

Bleibt nur zu hoffen, dass er in seinem Privatleben seine Leidenschaft nicht ebenso exzessiv auslebt wie Walter White aus der Fernsehserie Breaking Bad.

5. Frau Öko


Frau Öko kommt mit ihrem selbstgestrickten Pulli, Secondhandrock und einem seligen Lächeln recht harmlos daher, aber sobald es um das Thema Umwelt geht, gibt es für sie kein Halten mehr. Frau Öko ist auf einem Missionierungstrip der ganz besonderen Art: Sie setzt sich für Tier- und Umwelt ein, egal ob es um das deutsche Waldsterben, die Vermeidung von Tetra-Paks (»Wenn Sie Ihrem Kind eine WWF-Trinkflasche mitgeben, bekommt es bei mir in Biologie automatisch eine Eins!«) oder um die stark bedrohten einheimischen Silberfischchen geht. Eltern werden von ihr mit wütendem Blick gefragt, weshalb die letzte Entschuldigung eigentlich nicht auf Umweltpapier geschrieben war oder ob die Jacke, die da über dem Stuhl hängt, eigentlich aus echtem Leder sei. Wenn Sie nicht einen halbstündigen Vortrag von Frau Öko provozieren wollen, meiden Sie unbedingt die Themen Fair-Trade-Kaffee, Massentierhaltung und Mülltrennung! Gewarnt seien abschließend noch die Frauen: Wenn Sie mit einem Kleidungsstück aus echtem Pelz zum Elternabend erscheinen, sind Sie – wie das Tier um Ihre Schultern – so gut wie tot.

6. Herr Oberstudienrat

Er baut sich mit gestrafften Schultern und bohrendem Blick vor den Eltern auf. Mit jeder Pore seines Körpers verströmt er Autorität und Strenge. Dieser Lehrertypus denkt nicht im Traum daran, auf Ihre hochsensiblen Kinder einzugehen, und er hat auch gewiss nicht vor, bei deren Eltern Geduld walten zu lassen. Immerhin sind das diejenigen, die den grenzdebilen Sauhaufen, den er jeden Tag unterrichten muss, in die Welt gesetzt haben. Ihre beschämende Unfähigkeit in Sachen Erziehung tritt allein schon darin zutage, dass Sie kläglich daran gescheitert sind, Ihren Kindern gute deutsche Tugenden wie Disziplin, Ehrgeiz und Respekt zu vermitteln.

»Ent… Entschuldigung«, melden Sie sich trotzdem mit zittriger Stimme zu Wort. Eingeschüchtert blicken Sie auf den Lehrer, Angstschweiß auf der Stirn. »Meine Tochter hat erzählt, Sie bewerfen die Schüler im Unterricht mit Kreide. Stimmt das?«

»Nur wenn es nötig ist«, entgegnet er kaltherzig. Er schmeißt ein Kreidestück in Richtung der Tratschtantenfraktion und brüllt: »Ruhe dahinten!«

Sofort ist es mucksmäuschenstill im Klassenzimmer. Einige junge Eltern, bei denen die Schulzeit noch nicht so lange zurückliegt, ziehen reflexartig die Köpfe ein, fixieren panisch einen Punkt auf ihrem Tisch und beten im Stillen, dass sie heute nicht nach vorne gerufen und abgefragt werden.

»Na bitte«, sagt Herr Oberstudienrat zufrieden. »Geht doch!«

Er weiß: Zu seiner Zeit wurde das Gymnasium noch von wahrhaft intelligenten Eliteschülern besucht, während man heutzutage dort auch sprechende Zimmerpflanzen hinschicken kann.

7. Herr Tschakka

Diese Referendare und jungen Lehrer stechen am Elternabend aufgrund ihrer ehrlichen Freude und Begeisterung deutlich aus der Masse der Eltern und Lehrer hervor. Sie scheinen die Einzigen zu sein, die Elternabende gern besuchen, wahrscheinlich, weil sie die Gelegenheit nutzen wollen, Kontakt zu den Eltern ihrer Schäfchen herzustellen und sie – Tschakka! – genauso zu motivieren wie die Kinder. Herr Tschakka will etwas bewegen, den Schülern auf unterhaltsame Weise etwas beibringen, eine neue Ära des Unterrichtens einläuten. Mit einem Stich im Herzen erkennt man an diesem Lehrertypus, wie schön Schulbildung eigentlich sein könnte. Bedauerlicherweise wissen alle im Raum, dass dies nur eine vorübergehende Phase ist und Herr Tschakka schon bald zu einem lebenden Zombie mutieren wird, genau wie alle anderen Lehrer.

Unweigerlich fragt man sich, was für grauenvolle Wesen Kinder sein müssen, dass sie es in kürzester Zeit fertigbringen, diesen motivierten Junglehrer in ein trauriges Wrack ohne Hoffnung und Begeisterung zu verwandeln. Es ist jedoch auch vorstellbar, dass Elternabende nicht ganz unschuldig an dem Mutationsprozess sind.

Schlachtfeld Elternabend

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