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Kapitel 11
ОглавлениеVynsu hatte Alpträume. Seine Glieder zuckten leicht, ein raues Stöhnen steckte in seiner Kehle, er schwitzte. Desith wurde von der Unruhe im Bett wach und hob die schweren Lider.
Die Kerzen brannten noch, warfen flimmernde Schatten von den Möbeln an die Zeltinnenwände, draußen war es dunkel und stille, tiefste Nacht.
Sie waren irgendwann ins Lager gekrochen, noch halbnackt, nur dürftig gesäubert. Vynsu hatte höflich versucht, Desith in sein eigenes Zelt zu schicken, aber Desith hatte die freundlichen Bitten überhört und sich gähnend in die Felle geworfen. Er hatte Vynsus Zögern und Unsicherheit bemerkt, ihn jedoch mit seiner Selbstverständlichkeit, mit der er sich in dessen persönlichen Raum drängte, schachmatt gesetzt.
Natürlich lagen sie nicht engumschlungen, plötzlich verliebt in den Laken, es herrschte gebührender Abstand, auch wenn das Lager schmal war. Schmal war Desith schließlich auch und konnte sich so dünn und lang wie eine Schlange machen, vor allem wenn er auf der Seite ruhte.
Trotzdem weckten ihn Vynsus Zuckungen.
Nicht zum ersten Mal wurde er von den Alpträumen gestört, die den Barbaren heimsuchten, hin und wieder war sein vertrautes Schnarchen von einem Stöhnen unterbrochen worden. Wimmern, Schweißausbrüche, zappelnde Gliedmaßen, als würde er im Schlaf gefoltert.
Desith drehte sich um. Sein Gespiele lag auf dem Rücken, nahm durch seine Breite mehr als die Hälfte der Bettstatt ein, das Gesicht nach oben gerichtet und die Hände locker auf Brust und Bauch liegend.
Das Fell hatte er nur bis zur Hüfte hochgezogen, braunvioletter Flaum war zu erspähen. Desith wusste nun zu gut, wie kratzig sich das krause Haar an seinem Geschlecht anfühlte, wenn er Vynsu ritt, und ihn überkam ein heißer Schauder purer Wonne, als er daran dachte. Ein feiner Schweißfilm schimmerte auf den Muskelbergen des Barbaren. Desith saugte den Anblick in diesem ungestörten Moment in sich auf und entdeckte einige Narben, die er zuvor, blind vor Verlangen, nicht beachtet hatte.
Vynsu war ein schöner Mann, das musste Desith zugeben. Es war ihm zuvor gleich gewesen, als er ihn verführt hatte. Da war es nicht um Anziehung gegangen. Aber jetzt, im Kerzenschein, während er schlief und der Alptraum dafür sorgte, dass all seine Muskeln angespannt waren, konnte Desith sich nicht sattsehen. Er hob eine Hand und strich mit den Fingerspitzen provozierend über den felsenharten Brustmuskel, der wohlgefällig unter seiner Berührung zuckte.
Er wollte ihn noch ein weiteres Mal besitzen. Wollte ihn brandmarken, ihm eine Kette und eine Leine anlegen und ihn zu seinem großen Gespielen machen, der zu jeder Zeit bereit sein musste, sein unersättliches Verlangen zu stillen. Er wollte ihn mit nach Hause nehmen und ihn zu seinem Eigen machen, als wäre er nur eine exotische, majestätische Kreatur, die er wie ein Haustier halten würde.
Ein schöner, verwegener Traum, der in seinen Lenden prickelte.
Desith stützte den Kopf auf einen Handballen, seine vom Liebesakt feucht gewordenen Haarspitzen hatten sich gekräuselt und kitzelten ihm nun im Gesicht. Sein hungriger Blick glitt genüsslich über Vynsus männliches, grobes Gesicht, über seine kräftige Kehle und den muskulösen Oberkörper. An einem Amulett, das mit einem Lederband um seinen Hals hing, blieben Desiths wandernde Augen kleben.
Es war golden und rund, aber nicht komplett ausgefüllt, wie eine handtellergroße, löchrige Münze. Sie zeigte vier Pferde, die im Kreis liefen. Die vier Pferde der Himmelsrichtungen. Desith hatte mal davon gehört oder gelesen, aber um das wirklich richtig zu verstehen, musste man tief in die Ursprünge des Glaubens der Nordmenschen eintauchen, aber selbst das Volk aus Carapuhr hatte die meisten dieser Mythen vergessen.
Er streckte die Hand aus und nahm das glänzende Amulett in die Finger, es war warm und er strich mit dem Daumen darüber. Vynsu konnte es noch nicht sehr lange haben, es sah aus wie neu, nicht ein winziges Bisschen angelaufen.
»Weißt du, was das ist?«
Desith sah verwundert aber nicht erschrocken zu Vynsu auf, er hatte gar nicht mitbekommen, dass dieser aufgehört hatte, zu wimmern und zu stöhnen, und aufgewacht war. Er sah Desith mit halb geöffneten Augenlidern dunkel an, als hätte er ihn schon eine ganze Weile heimlich beobachtet.
Es war Desith nicht unangenehm, er wurde gerne betrachtet. »Nein«, gestand er und besah wieder das Amulett. »Aber es sieht aus, als würde es eine mystische Geschichte erzählen.«
Als Vynsu nichts dazu sagte, blickte Desith wieder zu seinem Gesicht auf und erkannte, dass der Barbar ihn schweigend beobachtete. Dabei sah er äußerst unfreundlich aus, aber diesen Ausdruck kannte Desith noch von früher, er bedeutete lediglich, dass Vynsu in tiefe Grübeleien versunken war. Dass er dabei wütend aussah, schob Desith seitjeher darauf, dass es den Barbaren äußerst anstrengen musste, seinen Kopf zu benutzen.
Desith konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, das jedoch nicht erwidert wurde.
»Soweit ich mich erinnere, hießen diese Pferde Üsd, Dorn, Tos und Ewst«, begann Vynsu mit seiner dunklen, rauen Stimme zu erzählen. »Also Süd, Nord, Ost und West. Ich erinnere mich an einen Holzschnitt, den meine Mutter mir zeigte. Er gab die Geburt der Himmelsrichtungen in Carapuhr wieder. Gott, oder auch der Allvater genannt, in der alten Mythologie jedoch als Kriegsvater beschrieben, befreite vier vor einen Karren gespannte, starke, kleine Pferde, denen die Menschen aufgrund ihrer Größe keine Schlachten zutrauten. Er schickte sie in vier Richtungen, um Krieg zu verbreiten. Damit er, wo auch immer er gerade eine Schlacht schlagen musste, auf einem dieser starken Pferde reiten konnte.«
Desith runzelte seine kleine, makellose Stirn und betrachtete das Amulett. »Diese Legende sollte beweisen, dass auch diejenigen, die unscheinbar aussehen, eine Gelegenheit verdienen, zu kämpfen. Aber heutzutage ist von dieser Ideologie in Carapuhrs Geist nichts mehr zu finden.«
»Falsch«, warf Vynsu ein, »es heißt nur, der Stärkere überlebt, und nicht, der Größte.« Neugierig sah Desiths ihm wieder ins Gesicht, musterte forschend seine harten Züge. »Der Stärkste siegt. Das bedeutet, dass du die Pflicht hast, deine Übermacht zu beweisen. Es geht nicht immer nur um Muskelkraft oder Größe, wir würden auch einem Zwerg folgen, würde er uns das Fürchten lehren.« Er lächelte flüchtig. »Nun ja, aber natürlich trauen wir einem Zweig zunächst weniger zu als einem Stamm, bis uns das Gegenteil bewiesen wird.«
Nachdenklich schlug Desith die Augen nieder und spielte geistesabwesend mit Vynsus Kette.
Vynsu rührte sich, er schob einen Arm unter den Kopf, den anderen hob er, um Desith das Amulett aus den Fingern zu nehmen.
»Alte Geschichten«, flüsterte er mehr zu sich selbst als zu Desith, er wirkte melancholisch. »Mythen eines längst vergessenen Glaubens, der vor Jahrhunderten erneuert wurde.«
Desith sah ihn an. »Aber du glaubst noch daran?« Warum klang seine Stimme so leise? Wozu flüsterte er? Er wusste es nicht, seine Stimme wollte nicht lauter sprechen. »Oder besser gesagt, wieder daran? Der letzte Barbar, der die alten Mythen im Herzen trägt?«
Er hatte spöttisch klingen wollen, aber sein heiseres Flüstern ließ das nicht zu.
Desith hatte Vynsu nicht fromm in Erinnerung, aber er hatte ihn ja auch sieben Jahre lang nicht gesehen, da durfte ein Mann sich wohl in die eine oder andere Richtung verändern. Sieben Jahre, das war für einen Menschen eine verdammt lange Zeit, in der sich viele Gelegenheiten zum Nachdenken und Umdenken boten. Vielleicht hatte auch er sich verändert, ohne es zu wissen. Vielleicht würden sich die Veränderungen auch erst zeigen, wenn er sich wieder in die Weltordnung eingliederte, statt nur wie ein Schatten durch den Dschungel zu streifen.
Er wusste gar nicht so recht, wer er ohne Derrick war, und was er eigentlich jetzt tun sollte. Aber das schob er von sich. Im Moment war er nur im Bett mit Vynsu. Alles andere ließ er nicht an sich heran.
»Meine Mutter schenkte mir dieses Schmuckstück«, erwiderte Vynsu, als würde das alles erklären. Er wurde regelrecht ehrfürchtig. »Sie hatte einen Traum von mir, sagte sie. Sie hätte gesehen, wie der Gott des Krieges mich erwählte.«
Desith runzelte die Stirn. »Einen Traum?«
»Sie kann sehen, was passiert, weißt du nicht mehr? Sie kann in viele kommende Zeiten vorausblicken und miterleben, was geschieht.«
Desith erinnerte sich, er zweifelte nicht an den Fähigkeiten der Hexe, aber an der Glaubwürdigkeit einer stolzen Mutter.
»Gott des Krieges klingt mehr nach einem unserer Götter, als nach deinem Gott«, warf Desith skeptisch ein und hob wieder seine gierigen Fingerspitzen, um zwischen Vynsus Brustmuskeln hindurchzufahren.
»Vielleicht sind eure Götter und mein Gott nicht zwingend verschiedene Gottheiten«, wagte Vynsu zu äußeren und legte seine Hand über Desiths, damit er aufhörte, seine Muskeln zu liebkosen. »Vielleicht nennen wir sie nur anders.«
Desith kämpfte mit einem Schmunzeln, weil er Vynsus Gänsehaut bemerkte.
»Mutter kommt aus Nohva. Sie kennt eure Götter und sie glaubt, mit deren Verbannung würden sich irgendwann neue Götter erheben, die die alten ersetzen.«
»Und der Gott des Krieges wird nach Carapuhr kommen und dich erwählen, für ihn zu kämpfen?«
Vynsu nickte bedächtig. »Um an seiner Seite zu stehen.«
»Der Traum eines jeden Barbaren...« Ob er das glauben sollte, wusste Desith nicht so recht, aber er erinnerte sich daran, wie abergläubisch die Menschen aus Carapuhr sein konnten, und ließ Vynsu seine Träumerei.
»Ich weiß, dass es albern ist«, seufzte Vynsu jedoch und starrte kummervoll an die Decke, »und vermutlich hat sie mir diesen angeblichen Traum nur aufgetischt, damit ich mich stark und besonders fühle. So besonders, wie ich für sie schon immer war. Aber weißt du… der Gedanke, dass meine Stärke einer Gottheit imponieren könnte, ist schlicht und ergreifend zu schön, um ihm nicht manchmal nachzuhängen.«
Ein leichtes, beinahe niedliches Lächeln schlich sich auf seine Züge, das Desith sich wünschen ließ, er könnte Träume in Wirklichkeit verwandeln.
Aber eines konnte Desith sich trotzdem nicht verkneifen: »Vielleicht will er nicht nur, dass du für ihn kämpfst.«
Vynsu drehte ihm aufmerksam das Gesicht zu.
Desith schmunzelte kühl. »Vielleicht will er dich zu seinem Lustknaben machen.«
Grunzend drehte Vynsu ihm den breiten, nackten Rücken zu, dabei ging eine Welle durch das Bett, die Desith beinahe über die Kante auf den Boden katapultierte. Zwei beleidigte Schultern starrten ihm entgegen.
Er lachte über den Barbaren und legte sich glucksend in die Kissen, betrachtete voll Verlangen das Muskelspiel direkt vor seiner Nase. »Obacht vor dem Willen der Götter«, scherzte er, »denn er liegt nie so offen da, wie es scheint, und oft verlangen sie einen blutigen Preis für den Ruhm, den sie für uns bereithalten.« Leise, nur für sich, fügte er ernst hinzu: »Bist du bereit, den Preis in Blut zu zahlen, den Krieg von dir verlangen wird, Vyn?«