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Kapitel 7

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»Was dauert denn da so lange?«, maulte May und warf sich trotzig auf einen Stuhl im Vorzimmer, das in einem satten Bronzeton erstrahlte.

Xaith lag mit dem Ohr an der Tür und hatte seinen Gehörsinn mit Magie verstärkt, während im Audienzsaal des Kaisers debattiert wurde.

Normalerweise hatte er dadurch immer bestens lauschen und seine Geschwister auf dem Laufenden halten können, doch dieses Mal hörte er sehr schlecht. Es war, als herrschte im Saal ein Sturm, der alle Gespräche mit einem lauten Rauschen übertönte. Er musste raten, was die einzelnen Wortfetzen bedeuteten. Auch Sarsar versuchte, durch magische Hilfsmittel, das Gesagte verständlich zu machen, aber seine tief gefurchte Stirn zeugte davon, dass auch er das Rauschen nicht umgehen konnte.

Irgendetwas – oder Jemand – schien den Raum ganz bewusst vor lauschenden Ohren abzuschotten.

»Ich glaube, sie haben eben jemanden rausgeschickt«, vermutete Xaith den Geräuschen und Wortfetzen nach. »Und der Kaiser hat wohl noch einen Sohn.«

»Lass mal sehen!« Riath, der Hornochse, stieß Sarsar grob zur Seite und ging vor dem Schlüsselloch der goldverzierten Türen in die Hocke, um linsen zu können. Er hatte sein hübsches helles Seidenhemd mit den goldenen Rändern durch sein ledernes Rüstungshemd ausgetauscht und roch nach frischem Schweiß, als hätte er, statt sich auszuruhen, mit dem Schwert geübt.

»Ja«, sagte er mit seltsam kratziger Stimme. »Da geht jemand raus. Zwei Jungen. Den einen kenne ich!« Er wirkte plötzlich ganz erregt und zappelte herum. »Das ist der Junge vom Fest.«

»Der, wegen dem Vater beinahe gefressen wurde?«, hakte Vaaks nach und trat nun auch näher. Sehr nahe, sodass Xaith seine harten Muskeln im Rücken spüren konnte.

May schnaubte amüsiert. »Der, wegen dem Riath gesabbert hat.«

Sofort flog Xaiths Kopf herum. Erst sah er May an, die voller Spott grinste, dann sah er zu Riath, der angestrengt durch das Schlüsselloch linste und die Lippen aufeinanderpresste, während er so tat, als hätte er Mays Bemerkung nicht gehört.

Warum ihn das so überraschte, wusste er eigentlich nicht so genau. Riath geiferte so ziemlich jedem nach, Fräuleins, Burschen, Ziegen, einfach allem, was warm war und einigermaßen passabel aussah, zumindest so lange, bis er seine Gier an ihnen gestillt hatte.

Vermutlich hatte Xaith ein seltsames Gefühl, weil Riath den fremden Jungen vor einem Drachen hatte retten wollen. Riath war niemals aufopfernd oder gar ein Held, Riath war ein egoistisches Schwein, wie es im Buche stand.

Aber tatsächlich, man konnte fast sehen, wie ihm der Sabber vom Kinn tropfte, während er durch das Schlüsselloch spähte und wie gebannt jede Bewegung darin verfolgte.

Dann wurde eine Tür geschlossen und er blinzelte, als habe ihn jemand geweckt. Enttäuscht ließ er die Schultern hängen, und Xaith glaubte, dass der Junge den Saal verlassen haben musste.

Ein Geräusch hinter der Tür zum Flur ließ sie allesamt ertappt aufschrecken. Wachen eilten über die Gänge und vertraute Stimmen näherten sich langsam.

»Das ist der Orden.« Vaaks fluchte verhalten, dabei legte er die Hand auf Xaiths Schulter, und Riath durchbohrte sie mit Blicken. Sie lauschten alle angespannt, doch die Schritte näherten sich. Langsam zwar, aber zielstrebig.

Vaaks wandte sich an Xaith und beschloss. »Ich geh sie ablenken, vielleicht kann ich Zeit schinden oder sie wegführen.«

Der Orden vertraute Vaaks und hielt ihn für reif, aber im Grunde war er auch noch ein freches Kind, das seine Geschwister immer gedeckt hatte, wenn sie lauschten.

Manche Dinge würden sich nie ändern.

Noch einmal sahen sie sich an und beide zögerten. Xaith wusste, was Vaaks sich ersehnte, er wünschte es sich auch, doch keiner brachte den Mut auf. Also wandte Vaaks sich nach einem leichten Lächeln ohne Kuss ab und schlüpfte auf den Flur hinaus, nachdem er zuvor gewissenhaft den Gang hoch und runter gespäht hatte.

Sarsar drückte hinter ihm leise die Tür zu und legte das Ohr daran, um mitzuhören, ob Vaaks die Ablenkung gelang, während May bereits den Stuhl unter die Fensteröffnung zerrte und ihnen einen schnellen Fluchtweg bahnte. Sie machten das ja nicht zum ersten Mal, sie hatten dieses Zimmer ganz bewusst ausgewählt, denn vom Fenster aus konnten sie schnell auf das Dach klettern und dann auf einen Balkon flüchten.

Xaith wandte sich wieder dem Lauschen zu. Riath blickte starr durch das Schlüsselloch.

»Du weißt, dass er dich nur benutzt, oder?«, sagte Riath plötzlich leise.

Xaith fuhr zu ihm herum. »Was?«, zischte er.

Riath sah ihn nicht an, er tat weiter so, als linste er durch das schmale Loch, während er leise weitersprach. »So dumm kannst du doch gar nicht sein! Vaaks! Der nutzt dich doch nur aus, weil Fenjin nicht dabei ist. Ich meine, er hält es nicht aus, weißt du?« Er lachte humorlos. »Würde ich genauso machen.«

Die Wut, die in Xaith hochstieg, ließ seine Augen rot aufflammen. »Das ist nicht wahr!«

Riath verdrehte die Augen. »Du bist nur ein Platzwarmhalter, Bruder, begreif das doch. Sieh dich doch an! Sieh Fenjin an. Sobald wir zurück sind, wird Vaaks wieder den hübschen Rotschopf besteigen.«

Xaith ballte wütend die Fäuste und musste sich zurückhalten, nicht gegen die Tür zu schlagen und laut zu brüllen. »Halt doch den Mund! Vaaks ist nicht wie du!«

Riath schnaubte abfällig und wandte Xaith endlich den Kopf zu. Bevor er etwas sagte, sah er sich über die Schulter, aber Sarsar lauschte noch an der anderen Tür und May spähte noch aus dem Fenster. Die Raben ächzten, sie schien sie zu beobachten.

»Ach ja?« Arrogant schaute Riath Xaith wieder an. »Und warum entdeckt er erst jetzt seine Liebe zu dir, hmm? Hast du mal darüber nachgedacht? Er will nur jemanden, der ihm die Zeit vertreibt, und du bist so willig wie eine Harfenfotze. Denk doch mal nach, Bruder, wie ist er denn so? Hm? Erfahren? Kann ich mir denken, ich kenn ihn doch. Glaub mir, ich weiß, dass er schon so einige Liebhaber hatte, darunter bestimmt auch Fenjin, wer würde da Nein sagen? Er kann sich bestimmt nicht zurückhalten, deshalb braucht er dich. Aber sobald wir wieder zu Hause sind, wird er sich von dir abwenden. Willst du wirklich seine Hure sein?«

Es war so ungerecht, dass Riath immer genau das aussprach, was Xaith tief im Inneren befürchtete, doch sein naives Herz wollte all das einfach nicht glauben. Nein, nicht nachdem Vaaks ihn geküsst hatte. So voller … Leidenschaft und ehrlicher Zuneigung. Das konnte nicht gelogen gewesen sein!

Mit bebenden Nasenflügeln presste Xaith hervor: »Du bist doch nur neidisch, weil ausnahmsweise mal jemand mich, statt dich will.«

Riaths entsetzter Blick überraschte Xaith. »Du glaubst, ich wäre eifersüchtig auf dich

Wie abwegig zu glauben, Riath könnte auf ihn eifersüchtig sein! Wie konnte er nur so etwas behaupten… Der große Riath, Schönling Nohvas, ist doch nicht eifersüchtig auf die Kraterfresse!

»Weil Vaaks mich will, nicht dich! Das erträgst du nicht«, behauptete er trotzig.

Riath starrte ihn einen Moment doch tatsächlich sprachlos an.

»Das passt dir nicht, hm, Bruder?« Xaith beugte sich so nahe zu ihm vor, dass ihre Nasenspitzen gegeneinanderstießen, und verzog hasserfüllt seine Miene. »Du kannst es nicht ertragen, dass er dich niemals in Betracht zog, oder?«

Langsam schüttelte Riath den Kopf. »Ich will Vaaks nicht. Nicht im Geringsten. Vaaks ist für mich so uninteressant wie ein Fladen Rinderscheiße auf unseren Feldern.«

»Als ob es dir je darum ging, ob du jemanden willst oder nicht. Nein, es geht allein um dich, um deinen Stolz. Es geht immer nur um dich!« Aufgebracht stand Xaith auf, Sarsar und May starrten sie nun an, sodass Riath sprachlos zu ihm aufsah und stammelnd den Mund auf und zu klappte, ohne etwas hervorzubringen.

»Ich sag dir was«, knurrte Xaith und zeigte angriffslustig die Fänge, »dass hier machst du mir nicht kaputt! Ich lass mir von dir nichts mehr einreden!«

Darauf herrschte eisiges Schweigen im Raum.

Riaths Gesicht nahm eine ungewohnt bleiche Farbe an, doch er presste die Lippen aufeinander, wie er es immer tat, wenn er eine tiefe, gefährliche Wut spürte.

Sie sahen sich an, starrten einander nieder, ohne dass einer von ihnen den Blick abwenden konnte, keiner von ihnen würde zuerst nachgeben.

»Ich wollte dich schützen«, brachte Riath schließlich hervor. Die Worte trieften vor Selbstüberschätzung.

Xaith schnaubte verächtlich. »Schützen? Du? Und wer schützt die Welt vor dir?«, spuckte er aus.

Mit geballten Fäusten sprang Riath auf und baute sich Nase an Nase vor Xaith auf. »Ich hab dich immer beschützt!«

»Einen Scheiß hast du!« Xaith baute sich ebenfalls auf, die Spannung im Raum fing beinahe Feuer, genau wie er. »Du hast mich niedergemacht, kaum dass sich der erste Makel zeigte. Du warst immer an erster Stelle, wenn es darum ging, mich nieder zu prügeln.«

»Ich habe dich nie niedergeprügelt«, knirschte Riath.

»Mit jeder einzelnen, beschissenen Bemerkung«, konterte Xaith, während heiße Tränen in seinen Augen brannten.

Noch immer zornig stierte Riath ihn an, die Nasenflügel gebläht wie ein Tier, aber er hatte darauf nichts zu erwidern. Es war schlicht die Wahrheit.

Xaith schüttelte angewidert den Kopf. »Das ist nicht einmal das Schlimmste, was du tust. Das Schlimmste ist, dass du es nicht merkst. Das Schlimmste …«, seine Stimme wurde dünn und brüchig, »… sind deine kranken Spielchen. So zu tun, als … als läge dir was an mir, nur damit … damit du darüber lachen kannst. Ich weiß, du tust das seit Jahren nur, weil es dein widerlicher Versuch ist, mich auf hinterhältige Weise von Vaaks fernzuhalten.«

Xaith war nicht dumm, er hatte immer gewusst, dass Riaths Bemühungen, ihm näher zu kommen, als es ein Bruder sollte, nichts mit echter Begierde zu tun hatten. Er hatte versucht, Xaiths Gefühle für Vaaks auf sich zu lenken, um sich daran zu ergötzen. Es war alles nur ein krankes Spiel für ihn, und er ertrug es nicht, wenn sich mal etwas nicht um ihn drehte. Wenn jemand – Vaaks – nicht ihn, sondern ausgerechnet seinen hässlichen Bruder Xaith bevorzugte.

Riath leckte sich seinen perfekten Kussmund und nickte abgehackt. »Das denkst du, ja? So denkst du also von mir? Ausgerechnet du!«

Xaith trat auf ihn zu und zischte ihm gegen den Mund: »Ich kenne die Schwärze in dir!«

Da packte Riath ihn unvorhergesehen an der Kehle, mit beiden Händen, und drückte zu. Xaith gab einen gurgelnden Laut von sich, May stieß einen spitzen Schrei aus – oder war es Sarsar? – und Riath warf ihn mit voller Wucht gegen die Wand. Panisch zerrte Xaith an Riaths Händen, doch sie waren unbeweglich wie Stein. Wie Stein, der sich immer fester zuzog.

»Das ist nicht wahr!«, wisperte Riath erstaunlich leise, in seinen Augen brannten Tränen und sein Gesicht war eine theaterreife Maske der Verzweiflung. »Das ist alles nicht wahr!«

Instinktiv setzte Xaith Magie ein und verbrannte durch seine bloßen Hände Riaths Arm, doch das beeindruckte diesen nicht, obwohl seine Haut zischte und Xaiths Hände glühende Abdrücke auf seinen Armen hinterließen. Sie heilten sofort wieder, konnten ihn nicht verletzen.

Etwas Metallisches blitzte an Riaths Kehle auf.

»Wenn du ihn nicht sofort loslässt, schlitz ich dich vom Hals bis zum Schwanz auf und lass dich ausbluten wie ein Schwein. Bruder.«

Riath erstarrte zuerst, dann ließ er langsam los und nahm etwas Abstand, wobei er zögernd die Hände hochnahm.

Xaith packte sofort Sarsars dünnen Arm und zwang ihn runter. »Bist du wahnsinnig?«, fragte er seinen Bruder, der noch immer mit einem eiskalten Blick zu Riath starrte. »Pack den verfluchten Dolch weg!«, zischte er und rieb sich hustend die Kehle.

»Hast du das gesehen?«, raunte Sarsar so leise, dass nur Xaiths verstärktes Gehör ihn hören konnte. »Ich habe eine Druckwelle auf ihn geworfen, er hat sie nicht einmal gespürt.«

Xaith tauschte einen verwirrten Blick mit Sarsar, nickte aber dann auf den Dolch. »Los, weg damit.«

Nur widerwillig ließ Sarsar die Waffe unter seinem himmelsblauen Gewand verschwinden. Irgendwo, wo man sie auch dann nicht sehen konnte, obwohl man nun wusste, dass sie da war.

»Geht es dir gut?«, fragte Sarsar schmallippig, aber ohne Riath aus den kalten Augen zu lassen.

Xaith nickte und konterte genervt: »Ja, verdammt. Halb so wild, ich bin doch kein zerbrechlicher Zweig!«

May legte ihre Hände auf Riaths Schultern und zerrte ihn zum Stuhl, weit genug fort von Xaith, und massierte ihm die Schultern. »Ganz ruhig, Großer.«

Aber Riath war ruhig, zu ruhig, wie erschlagen hing er im Stuhl und wurde sich bewusst, was er getan hatte. Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid«, jammerte er. Die Feuermale auf seinen Armen waren wie durch Zauberhand verheilt. Selbst ein Luzianer heilte nicht innerhalb weniger Augenblicke, das war vollkommen unmöglich.

»Scheiße«, Riath fuhr sich mit einer zitternden Hand durchs Haar, »ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Das wollte ich gar nicht.«

Xaith nickte, sah ihn aber nicht an. »Ich weiß. War meine Schuld, Bruder.«

Natürlich wusste er das, Riath hatte sich nämlich noch weniger unter Kontrolle als Xaith, er war stets und überall seinen Gefühlen ausgeliefert. Jedem Gefühl. Ob Hunger, Freude, Übermut, Trauer, Lust oder Wut… er empfand alles viel stärker als alle anderen und verwandelte sich in etwas, das er nicht war.

Nur wusste das niemand. Niemand bis auf Xaith.

Das war es, was sie teilten und immer teilen würden.

Geliebter Wächter 2: Wolfsherz

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