Читать книгу Geliebter Wächter 2: Wolfsherz - Billy Remie - Страница 15
Kapitel 12
ОглавлениеDie Zeltplane wurde aufgeschlagen und ein bärtiger, stinkender Leibwächter streckte den Kopf ins erleuchtete Innere. »Mein König?«
Melecay gab ein Grunzen zur Antwort, während er den kalten Wildschweinbraten vom Vorabend zum Frühstück einnahm. Sein Koch hatte ihn mit viel dicker Soße in einer Holzschüssel serviert, und Melecay trank einen süßen Wein dazu, um das zähe Fleisch herunter zu spülen.
Aber nicht nur das Frühstück vermieste ihm die Laune, auch die unrühmliche Urzeit. Der verdammte Morgen graute noch nicht einmal richtig, die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber ein kalter, grauer Schimmer erhellte das Land. Er hätte noch ein paar Stunden schlafen können, aber wer konnte schon bei dieser verdammten feuchten Hitze Ruhe finden?
Er hasste dieses Land. Er hasste es so abgrundtief, dass er es an diesem Morgen am liebsten niedergebrannt hätte.
»Ihr habt Besuch, mein König«, wagte der Krieger ihm mitzuteilen.
»Na dann schickt ihn dorthin wo der Pfeffer wächst.«
»Sind wir da nicht schon«, murrte Vynsu neben ihm. Sein Neffe saß mit Derrick und dessen Lustknaben Desith mit ihm am Tisch, doch das Frühstück nahmen sie alle schweigend ein, denn sie spürten die Spannung im Raum und wagten nicht, ihn zu reizen. Welch kluger Entschluss, Melecay neigte zu unberechenbaren Ausbrüchen, wenn er mies gelaunt war. Und sein Prinzgemahl Dainty war nicht hier, um seine Wut zu besänftigen.
Er war wirklich nicht in Hochstimmung, nachdem seine Freunde ihm in den Rücken gefallen waren. Dabei hatte er wirklich felsenfest mit Desiderius` Unterstützung gerechnet. Aber statt sich ebenfalls gegen Eagle zu stellen, hatte er sich dazu entschlossen, diesem hinfälligen Friedensabkommen noch einmal zuzustimmen. Obwohl Eagle bewiesen hatte, dass er kein Freund war.
Wie könnte er auch ein Freund sein, wenn er seinem eigenen Sohn die Liebe verbot, für deren Freiheit sie einst Blut vergossen hatten?
Melecay sah es schon kommen, in ein paar Jahren würde Eagle derjenige sein, der es zur Sünde erklärte, weil sein Sohn sich gegen ihn stellte. Er roch den Verrat bereits, er konnte es in der Luft schmecken, er …
Gut, vielleicht war er paranoid, aber aus gutem Grund. Schon oft hatte man ihn wegen seines Prinzgemahls stürzen wollen, schon oft waren Meuchler in seine Burg eingebrochen und hatten Dainty die Kehle aufschlitzen wollen. Weil er einen Schwanz und keine Möse hatte, in die Melecay die Frucht seiner Lenden hätte pflanzen können. Weil diese ignoranten Bastarde glaubten, sie könnten ihm vorschreiben, wen er zu ficken hatte.
Verdammt, es sollte Eagle nicht verwundern, dass er gegenüber diesem Thema keinerlei Verständnis aufbringen konnte. Wenn der Kaiser seinem Sohn die Liebe zu einem Mann verbieten wollte, dann ging dessen Abneigung auch gegen Melecay.
Und er hasste es, wenn er verurteilt wurde. Vor allem von einem Schnösel wie Eagle.
Die Kaiserkrone hatte dem Burschen nicht gutgetan, sie hatte seine schlechtesten Seiten hervorgebracht. Aber Melecay würde sich noch etwas einfallen lassen, seine perfekte Welt brüchig werden zu lassen. Angefangen bei seinem süßen Söhnchen, das nun an seinem Tisch saß und sich den Arsch ordentlich von seinem Ziehsohn durchnehmen ließ. Vielleicht würde er ihm auch noch die Tochter nehmen, irgendwie, oder den anderen Jungen. Er könnte bei Nacht und Nebel einbrechen und sie entführen, dann würde er das Weib mit Vynsu zwangsverheiraten und den Jungen zu seinem persönlichen Lustsklaven ausbilden, wenn er alt genug dazu war und Dainty damit einverstanden wäre.
Hm, gar keine so üble Vorstellung. Wäre da nicht Wexmell Airynn, den Melecay als Mann und Freund sehr schätzte. Immerhin waren Eagles Kinder dessen Enkel.
Wexmell und Desiderius waren bisher der einzige Grund, warum er noch nicht zugeschlagen und einen Krieg angefangen hatte. Aber wie lange würde seine Freundschaft zu ihnen noch über seinem Zorn stehen? Er konnte es nicht sagen, er war schlicht angepisst.
»Mein König?« Der Krieger stand noch immer im Zelteingang und trat nervös von einem auf das andere Bein. »Wir haben bereits versucht, sie abzuwimmeln. Sie will nicht gehen.«
Seltsam, dachte Melecay für einen Moment, es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er seine Gefolgsleute alle beim Namen gekannt, heute musste er sich anstrengen, sie überhaupt als einen der ihren zu erkennen, weil sich ihm so viele Barbaren angeschlossen hatten, dass er über die Jahre den Überblick verloren hatte. Zumal seine einstigen Kameraden mittlerweile fast alle tot oder eine Familie und sich zur Ruhe gesetzt hatten, um Mist zu schaufeln, statt Köpfe abzuschlagen.
Plötzlich runzelte er die Stirn und sah von seiner Schüssel auf. »Hast du gerade Sie gesagt?«
»Ja«, der Krieger räusperte sich nervös, unter dem Bart war er jünger, als seine Gesichtsbehaarung vermuten ließ. »Sie sagt, sie sei die Herrin von Zadest und möchte mit Euch über einen gemeinsamen Feind sprechen.«
Melecay verzog die Lippen zu einem kalten Lächeln. »Na, wenn das kein glücklicher Zufall ist. Dann lasst die Dame doch nicht warten.«
Der Krieger schmunzelte leicht und senkte vertraut die Stimme. »Von Dame kann keine Rede sein, mein König, ehe von einer vertrockneten Pflaume.«
Melecay lachte, seine Laune hob sich allmählich.
*~*~*~*
Vertrocknet war genau das, was Melecay zuerst dachte, als er das gefurchte, knittrige Gesicht der Alten erblickte.
Er hatte die Burschen rausgeschickt, damit sie aneinander rumspielen konnten und er mit dieser Herrin allein war.
Sie brachte zwei große Leibwachen mit, deren dunkle Haut mit weißleuchtenden Zeichnungen bemalt war. Unter ihren langen Haarzöpfen lugten spitze Ohren hervor, streng und unbeweglich wie Statuen starrten sie geradeaus. Melecay bewunderte ihre Aufmachung. Oberkörperfrei, zwei Waffengürtel überkreuzten sich auf ihrer Brust, kein Hemd, keine Hosen, nur Leder, das ihnen wie ein kurzer Rock um die Lenden gebunden war. Sie trugen Säbel und Bogen am Leib. Primitive Urwaldkrieger, keine Barbaren oder feine Ritter. Nur ein paar menschliche Affen mit blanker, bemalter Haut, die ihre Leben in den Bäumen verbrachten.
»Ich danke Euch, dass Ihr mich empfangt«, sagte die Herrin mit einer geradezu geölten Stimme, die wohltuend sein Gehör hinabrann. Sie passte nicht zu dem alten Körper, ebenso wenig wie die verrucht leuchtenden, grauen Augen.
Melecay lächelte falsch. »Hatte ich denn eine andere Wahl?«
Ihr Schmunzeln war süß und aufrichtig, und absolut unpassend. »Nein.«
Melecay trank von seinem Kelch und inspizierte ihren Körper. Ihre Haut war dünn wie Papier und so faltig wie das Bettlaken, nachdem er mit Dainty fertig war, aber ihre wachen Augen zeugten von einer Jugend, die unvergänglich war. Ihr Blick lockte einen Mann ein, die Hosen fallen zu lassen, er drückte Entschlossenheit und Stärke aus. Ein Blick, den er schätzte und respektierte. Sie zeigte weniger Haut als ihre Begleiter, aber mehr als es eine Frau in ihrem Alter tun sollte. Leopardenfelle bedeckten ihre Brust und Beine, ein buschiger Pelzkragen kaschierte ihre mageren Schultern, aber ihr Bauch lag frei und zeigte einen vernarbten Nabel.
»Also«, drängte er, »Ihr seid gewiss nicht nur hier, um mich mit den Augen auszuziehen.«
Sie lächelte wieder, doch es erreichte ihre Augen nicht. »Nein, nicht nur. Ich bin wegen unseres gemeinsamen Feindes hier.«
Melecay schnaubte herablassend. »Ich habe keine Feinde.«
Doch sie sah ihn wissend an. »Reden wir nicht lange drum herum, Großkönig. Carapuhr und Zadest hatten schon ein Abkommen lange bevor das Kaiserreich sich einmischte. Unsere Länder lagen vor zwanzig Jahren noch in Krieg mit Elkanasai. Ihr wisst genau, wo von ich spreche. Und ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns für die vielen Opfer revanchieren.«
Melecay sah ihr unbeeindruckt in die Augen. »Wie patriotisch von Euch. Doch soweit ich mich erinnern kann, hatte mein Land ein Abkommen mit der Königin von Zadest.« Gespielt bedauernd legte er den Kopf schief. »Wo ist die Königin?«
»Sie wich einer höheren Sache.«
»Aha.«
»Genau wie Euer Vater, nicht wahr?«
Melecay entschloss sich, lediglich zu lächeln, und abzuwarten, worauf die Alte hinauswollte.
»Wir haben viel gemein, Großkönig«, sagte sie und faltete bedächtig ihre Hände im Schoß, »Ihr regiert Euer Land mit Strenge und ebenso mit Liebe. Ihr bietet Eurem Volk Frieden und Wohlstand, solange sie gehorchen. Und das ist, was auch ich will. Gehorsam.«
Melecay verengte die Augen. »Was genau wollt Ihr mit mir besprechen?«
»Ein Bündnis, Großkönig, zwischen Euch und mir«, erklärte sie frei heraus. »Ihr lagert sicherlich nicht außerhalb der Stadt, weil Ihr den Kaiser so gernhabt.«
»So sprecht nun«, drängte er ungeduldig, »meine Zeit ist begrenzt. Von meiner Geduld ganz zu schweigen.«
Sie lächelte, als imponierte ihr, was sie hörte. »Ich schlage Euch einen Handel vor, Melecay. Ihr seid ein großer König und ein Mann, der weiß, worauf es ankommt, aber Euer Titel hat kaum Gewicht. Ich bin hier, weil ich Euch zu einem echten Großkönig machen könnte.«
Interessiert legte er den Kopf schief, nun wurde er hellhörig.
Sie fuhr mit einem diabolischen Lächeln fort: »Schließt Euch mit mir zusammen, und gemeinsam werden wir die Länder des Westens unterjochen. Zu ihrem eigenen Wohl, natürlich. Es geht mir nicht darum, die Länder zu vernichten, sondern um Gehorsam. Stellt es Euch vor, Melecay, Ihr könntet der Großkönig des Westens sein und für mich über alle anderen herrschen.«
Melecay schenkte sich Wein nach, während er sich die Worte der Alten durch den Kopf gehen ließ. Dann nahm er einen Schluck und spülte seinen Mund mit dem süßen Aroma durch. Anschließend lehnte er sich nach vorne und wollte wissen: »Was verlangt Ihr im Gegenzug?«
»Wenn wir den Kaiser von Elkanasai angreifen sollten, erwarte ich Euch und Eure Armee, die Ihr hier in der Nähe versteckt haltet, auf meiner Seite des Schlachtfeldes«, verkündete sie.
Melecay ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Sie wusste mehr, als ihm lieb war.
»Ich biete Euch die Gelegenheit, über ganz Bleyquinnt zu herrschen, Melecay.«
Ein Lächeln schlich sich auf Melecays Züge, als er sich zurücklehnte und ihr auffordernd zunickte. »Ich bin ganz Ohr, meine Herrin.«
Sie lächelte siegessicher zurück.
*~*~*~*
Rick legte Desith von hinten die Hand über den Mund und zog ihn vom Zelt fort. Sein kleiner Wildfang wehrte sich mit Händen und Füßen gegen ihn, aber erst als sie weit genug entfernt waren, ließ er ihn zwischen zwei Zeltwänden los, wo sie allein waren.
»Das können wir nicht zulassen!«, rief Desith erschrocken und wirbelte zu ihm herum.
Doch Rick sah ihn nur entschuldigend an.
Desith riss schockiert die Augen auf. »Du willst nichts tun?«
Seufzend ließ Rick die Schultern hängen. »Desi…«
»Nein!« Wütend entzog er sich Ricks Hand, die beruhigend nach seinem Arm gegriffen hatte. »Wir müssen sie warnen, Rick! Wenn du es nicht tust, dann tu ich es!«
»Das ist Hochverrat, das weißt du«, zischte Rick ihn an. »Du hast König Melecay die Treue geschworen, Desith, du kannst jetzt nicht seinen Feind warnen!«
Desith schraubte trotzig. »Mir doch egal!« Dann wirbelte er herum. »Dann gehe ich eben allein!«
Rick packte ihn und zog ihn entschlossen an sich heran. »Das wirst du nicht tun. Desith!«
Sein kleiner Wildfang wehrte sich wieder aus Leibeskräften, sodass Rick ihn an den schmalen Schultern packte und grob die Hände zusammendrückte.
Mit einem stummen Schrei zuckte Desith zusammen und versuchte, dem Schmerz zu entkommen.
»Du hörst mir jetzt zu!«, schärfte Rick ihm leise ein. »Das ist kein Spaß, Desith, wenn du den Kaiser warnst, begehst du Verrat, und Melecay wird dir den Kopf abschlagen lassen! Verstehst du? Er wird nicht ruhen, bis er dich in die Finger bekommt.«
Verzweifelt sah Desith zu ihm auf, sein hoffnungsloser Blick ließ Rick schwer seufzen.
»Du hast dich dafür entschieden, meinem Vater die Treue zu schwören«, betonte Rick noch einmal ernst. »Seine Feinde sind jetzt auch deine Feinde. Jeder Feind. Auch jene, die mal deine Freunde oder Familie waren. Du kannst nicht einfach nach Belieben jeden Tag deine Meinung ändern. Niemand verrät den Großkönig!«
Desith sah ihn flehend an. »Aber … er ist doch mein Vater, Rick!« Ratlos schüttelte er den Kopf, in seinen eisblauen Augen schimmerten kindliche Tränen. »Ganz gleich, was zwischen mir und ihm vorgefallen ist, ich kann nicht zulassen, dass er stirbt. Und nicht nur er. Alle. Sie werden auch meine Mutter und Geschwister …« Er brach ab, konnte es nicht einmal denken, und begann zu zittern. »Oh Götter, ich kann das nicht zu lassen.«
Rick konnte ihn gut verstehen. Sehr gut sogar. Aber ihnen waren die Hände gebunden, sie mussten sich dem Willen des Großkönigs beugen – oder den Preis ihres Lebens für ihren Verrat zahlen.
»Ich weiß«, seufzte er und zog Desith an sich heran, »ich weiß, das ist schwer. Aber ich kann nicht zulassen, dass du dich wegen deines Vaters zum Hochverräter machst. Das kann ich einfach nicht. Du gehörst jetzt hierher, Desith. So hast du es gewollt. Melecay wird deine Treue erwarten.«
Desith schluchzte an seiner Brust und krallte die Hände in seinen Rücken. »Was habe ich nur getan, Rick? Was haben wir getan?«
Rick wurde das Herz schwer. »Ich … weiß es nicht, Desi. Es tut mir leid.«
Soweit hätte es niemals kommen dürfen.