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FRAUEN VERLIEREN SCHNELLER AN GESELLSCHAFTLICHER RELEVANZ

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Und wie geht es ihr damit persönlich, als Frau, die ein Leben lang auch öffentlich gearbeitet hat? »Also, die Hälfte ist überschritten. Das ist weder besonders fröhlich noch ein netter Gedanke. Aber man muss auch die positive Seite sehen: Wenn man nicht älter wird, dann ist man nicht mehr da«, lacht sie und fügt an, dass das Älterwerden und auch Älteraussehen natürlich auch mit ihr etwas mache, »alles andere wäre gelogen«. Auch das ihrer Meinung nach immer noch ziemlich tabuisierte Thema Wechsel bei Frauen beschäftigt sie und sie bespricht es mit ihren Vertrauten und ihrem Mann »ohne Tabu«. »Aber natürlich ist das eine Zäsur: Du bist nicht mehr fruchtbar und verlierst ein gewisses Attribut. Du bist nicht mehr dreißig, sondern du bist eigentlich schon eine ältere Frau. Beides ist nicht wahnsinnig attraktiv. Wer spricht da schon gern öffentlich drüber?« Sie selbst schaue jetzt mehr aufs Essen, betreibe mehr Sport und nehme sich mehr Zeit für sich selbst, erzählt Sophie Karmasin, die natürlich auch genau beobachtet, wie Frauen ihres Alters in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Als Studiogäste in TV-Sendungen würden Frauen, die jung und fesch sind, immer lieber genommen, das sei System, meint sie. »Frauen verlieren durch das Älterwerden mehr und schneller an gesellschaftlicher Relevanz als Männer. Also, eine Frau mit derselben Kompetenz wie ein Mann verliert schneller mit den Jahren«, erklärt sie sich die Tatsache, warum Frauen, und vor allem ältere Frauen, wesentlich weniger in TV-Diskussionsrunden zu sehen seien als gleichaltrige Männer. »Frauen spüren das und setzen sich dem weniger aus, nach dem Motto: Zoom auf die Falte. Das kommt noch dazu – Frauen wissen, dass sie auch nach wie vor stärker nach ihrem Aussehen beurteilt werden als Männer.«

Als Ministerin konnte sie ihre Anliegen für die Gleichstellung von Frauen und Männern einbringen, was und wie kann sie das als Mutter von zwei Söhnen tun? »Naja, erstens müssen sie alles lernen, was mit dem Haushalt zu tun hat. Ausreden wie: ›Ich weiß nicht, wie man die Waschmaschine andreht‹, gelten nicht«, sagt die Frau, die mir als Dreißigjährige berichtete, wie sie und ihre damals beste Freundin in der Schule »als die zwei Emanzen« galten und damals fest davon überzeugt waren, »dass sie Männer nicht brauchten« und mit ihrem damals ausgeflippten und bewusst »antiweiblichen« Outfit die anderen vor den Kopf stießen. Jetzt habe sie vor allem mit ihrem jüngeren Sohn oft halb ernste, halb spaßhafte Diskussionen über das, was Frauen machen sollten und was Männer. »Was du schon wieder glaubst, das stimmt ja alles gar nicht«, lacht sie, meine er dann manchmal, und: »Er nennt mich in diesen Diskussionen dann immer spaßeshalber Feministin.«

Einiges hat sich also verändert im Leben von Sophie Karmasin. Vieles klingt aber sehr ähnlich wie vor zwanzig Jahren. Ihr Eigenbild entspreche auch oft noch dem von früher. »Also man hat doch nicht dieses Bild von einem selbst, dass die Dreißigjährige neben einem vielleicht über einen selbst denken könnte, man sei diese mittelalterliche Frau. Oh was für ein schreckliches Wort!«, meint sie lachend. Aber was helfe es, »man ist jetzt eben nicht mehr der Jungspund. Ich merke das vor allem bei Bewerbungen. Puh, sind die jung! Da denke ich mir oft, wenn ich Geburtsdaten sehen – Hallo? Da habe ich gerade Matura gemacht. Es gibt inzwischen mindestens zwei Generationen nach uns, die jetzt im Berufsleben sind«, das sei ein Faktum. Wer weiß, welchem Milieu sich die heute Dreißigjährigen in der Skala von Gerhard Schulze zuordnen würden? Sicher nicht dem sogenannten Selbstverwirklichungsmilieu, wo sich Sophie Karmasin nun sieht. So bringt das Alter doch auch schöne Veränderungen …

Kurswechsel bei 5.0

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