Читать книгу Kurswechsel bei 5.0 - Birgit Fenderl - Страница 19
CATHERINE CZIHARZ JETZT KOMME ICH MIR NICHT MEHR ALTERSLOS VOR
Оглавление»Mir war immer klar, dass man als Frau mit Lebenserfahrung in einer anderen Liga spielt«, erinnert sich Catherine Cziharz an ihre Wahrnehmung von älteren Frauen, als sie selbst jung war. Als Dreißigjährige war ihr immer wieder aufgefallen, dass viele Frauen um die fünfzig »ordentlich was drauf haben«, diese aber für sie in einer völlig anderen Welt lebten. »Darüber muss ich schon sehr schmunzeln, weil ich mir ja jetzt wiederum nicht vorstellen kann, dass ich den heute Dreißigjährigen so viel älter vorkomme, als mir damals Fünfzigjährige vorgekommen sind.« Denn eigentlich fühlt sich die Co-Geschäftsführerin eines Unternehmens, das sich mit nachhaltigem, ethischem Investment und Nachhaltigkeits-Research beschäftigt und in Österreich ein Vorreiter seiner Branche ist, ihren jüngeren Kolleginnen teilweise auch sehr nah. Aber eben auch anders. »Nicht mehr alterslos«, wie es die zweifache Mutter selbst formuliert. Ein Prozess, der bei ihr erst ab Mitte Vierzig begonnen habe. Genauso wie sie erst spät ihr Frausein realisiert habe, »mit allen Vor- und Nachteilen sozusagen«. Das kommt überraschend aus dem Mund einer Frau, die in unserem Gespräch zu diesem Buch sehr reflektiert und analytisch wirkt. Als junge Frau sei sie vor allem von einer Art Aufbruchsgefühl geprägt gewesen, auf der Suche nach Herausforderungen, beruflichen Aufgaben, die sich im Rückblick immer eher zufällig als bewusst geplant ergeben hätten.
Catherine Cziharz wuchs in Graz auf, der Vater war Architekt, die Mutter Lehrerin, die auch Architektur studiert hatte »Die Frauen in meinem unmittelbaren Familienumfeld waren alle berufstätig und unabhängig. Das hat mich in meiner Haltung und Selbstständigkeit geprägt und dafür bin ich auch dankbar.« Nach der Matura ging sie als Au-pair nach New York, lebte dort bei einer alleinerziehenden vierzigjährigen Architektin und passte auf deren vierjähriges Kind auf. »Das war sehr neu und aufregend. Sie war eine voll berufstätige, für mich damals ›alte‹ Mutter, die ihr Kind aus den Umständen heraus betreuen lassen musste. New York City lernte ich so von einer ganz anderen Seite kennen als die meisten. Ich verbrachte meine Zeit auf den Spielplätzen im Central Park, mit Nannys aus aller Herren Länder und bin eingetaucht in eine Art Familienleben einer Alleinerziehenden.« Ob sie später auch selbst einmal Kinder haben wollte, beschäftigte sie mit ihren neunzehn Jahren noch überhaupt nicht. »Mit konkreten Zukunftsvorstellungen habe ich mir immer schwergetan und tu mir das eigentlich noch immer«, erzählt Catherine, die nach ihrem Aufenthalt in New York in Graz Jus studierte und über die Universität Graz bereits vor Österreichs EU-Beitritt die Möglichkeit bekam, im Rahmen des ersten Erasmus-Programms ein Auslandsstipendium in der süditalienischen Bergregion Abruzzen zu absolvieren. »Jeder meiner Auslandsaufenthalte war auf seine Weise prägend und brachte eine neue Horizonterweiterung mit sich.«
Wenig erstaunlich also, dass sie nach Abschluss des Studiums und des Gerichtsjahres die berufliche Chance wahrnahm, als Redenschreiberin für die Europäische Kommission nach Brüssel zu gehen – auch wenn das bedeutete, eine Fernbeziehung mit ihrem jetzigen Mann zu führen, den sie im letzten Studienjahr kennengelernt hatte. Auf ewig war das für beide nicht vorstellbar, also ging sie nach Österreich zurück, nach Wien, wo ihr Partner inzwischen arbeitete, und vervollständigte ihre Ausbildung mit einem Master in Public Relations. Geschrieben hatte sie schon immer gern, auch schon in ganz jungen Jahren, hauptsächlich für Zeitungen. »Auf einmal entstand bei mir das Gefühl, dem Leben irgendwie gezielter eine Richtung geben zu wollen. Zwar noch nicht ganz klassisch, mit Wohnung, Baum, Kind, aber letztendlich dann ja doch«, erzählt sie und heiratete im Jahr 2003 ihren langjährigen Freund. 2006 kam ihre Tochter, 2010, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, ihr Sohn auf die Welt. »Mein Verständnis von Arbeit und Kompatibilität mit dem Leben hat sich durch meine neue Rolle als Mutter stark verändert. Also alleine, ohne Kinder, hatte ich, glaub’ ich, zum Beispiel noch nie Butter gekauft. Der Kühlschrank war irgendwie nicht wahnsinnig frequentiert«, lacht sie. »Mein Arbeitsleben hatte früher ja ein Open End, es war frei gestaltbar, plötzlich hat man mehrere Rollen. Man muss auf einmal mehrere Jobs erledigen. Das war schon ein Einschnitt.«
Obwohl die Aufteilung der Familienagenden mit ihrem Mann sehr partnerschaftlich funktionierte und zwei Großmütter trotz räumlicher Entfernung öfter mithalfen, spürte sie diese neuen Herausforderungen und Fragestellungen in ihrem Leben intensiv. »Wenn man seine Kinder noch vor dem Schlafengehen sehen möchte, dann ist klar, dass man früher aus dem Büro weggehen muss. Es ist ja auch nicht nur eine physische, sondern auch eine psychische Präsenz notwendig, man muss ein Energielevel halten können. Und irgendwann muss man sich auch entscheiden, damit zufrieden zu sein, dass nicht alles zu hundert Prozent gehen kann«, schildert sie diese große Lebensumstellung. »Als meine Tochter in die Kinderkrippe kam, da wurde ich mir meiner Mutterrolle erst so richtig bewusst – und der Erwartungen der anderen an mich in dieser Rolle. Zum Beispiel am Spielplatz – plötzlich die Auseinandersetzung mit anderen Müttern. Das hat verstärkt zur kritischen Selbstreflexion geführt inklusive Selbstzweifeln, die es in solchen Lebensphasen des Umbruchs ja immer gibt.« Und trotzdem fühlte sie sich damals mit vierzig immer noch recht jung und irgendwie alterslos.