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HORMONE PROGRAMMIEREN UNSER GEHIRN AUF BRUTPFLEGE

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Was waren die größten Veränderungen seit damals? »Eine der größten Veränderungen ist natürlich die berufliche Weiterentwicklung. Aber der entscheidendste und nachhaltigste Einschnitt in meinem Leben war die Geburt meines Sohnes. Ein Kind zu bekommen, das stellt dein Leben vollkommen auf den Kopf. Also, wenn du ein Kind kriegst, gibst du deine ›alte Persönlichkeit‹ ab – die lässt du im Kreißsaal. Du kommst schwanger rein und gehst als anderer, ›neuer Mensch‹ –, als Mutter hinaus. Das ist so. Das können sie genau so schreiben!« Man glaube es nicht, wie ein Kind das Leben umkrempeln kann. Auch sie habe das nicht einmal den wichtigsten Vertrauenspersonen glauben können, die ihr vor der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2004 zu schildern versuchten, wie sehr ein Kind das Leben verändere. Stolz zeigt sie das Foto ihres feschen Sohnes, das auf ihrem Schreibtisch in der Ordination steht. »Er ist ein wunderbares Geschenk und die größte Bereicherung für uns. Ich stand damals wirklich mitten in meinem Leben. Ich hatte die Arbeit an der Klinik, ich hatte meine Ordination und ein schönes Leben rundherum. Mit der Geburt meines Sohnes habe ich die Arbeit am AKH aufgegeben. Es gab keinen Druck, es war kein ›Muss‹, es war ein Bedürfnis, Mutter sein zu können. In die Ordination bin ich aber sehr wohl drei Wochen nach der Geburt wieder regelmäßig gegangen. Es war alles so schön und so normal und mein Sohn war herzlichst willkommen.« Der Mann, mit dem sie sich vorstellen konnte, »sich zu reproduzieren«, kam also? »Ja, der richtige Mann ist gekommen. Ich weiß noch, was ich damals gesagt habe«, lacht sie, »das mit dem Reproduzieren. Das war natürlich hart. Das waren wirklich Worte, also die Diktion einer Endokrinologin, muss ich einmal sagen.« Sie schmunzelt. »So streng würde ich es heute nicht mehr formulieren, denn Liebe gehört natürlich unbedingt dazu.« Ihr Sohn war ein Wunschkind und ein Kind der Liebe, erzählt sie, auch wenn sie mit dem Vater ihres Sohnes schon lange nicht mehr zusammen ist. »Ich bin nach wie vor ledig, aber wir haben ein gutes Einverständnis, mein Sohn ist regelmäßig bei seinem Vater, er versteht sich gut mit ihm. Das passt alles. Aber ich habe mich nachher nie mehr nachhaltig verlieben können und das wird wohl auch so bleiben«, meint sie. Sie selbst habe nur wenige berufliche Abstriche machen müssen, weil sich der Vater und auch andere Familienmitglieder liebevoll um ihren Sohn kümmerten. »Das Einzige, was ich die ersten sechs Jahre nach der Geburt meines Sohnes gestrichen habe, waren Kongress-Aufenthalte. Erst als mein Sohn sechs Jahre alt war, holte mich eine Freundin aus dem ›nur Muttersein‹ heraus und ich besuchte wieder einen Kongress: in Ägypten – für eine ganze Woche!«

Wäre sie vor zwanzig Jahren noch auf die sprichwörtlichen Barrikaden gegangen und hätte die absolute Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern eingefordert, weil Mütter immer noch mehr berufliche Einschränkungen haben? »Nein, das tue ich heute nicht und das wäre ich auch damals nicht. Es gibt eine Ambivalenz, für die jede Frau eine persönliche Lösung finden muss«, meint sie, um aber sofort hinzuzufügen: »Die Natur hat es so vorgegeben, Frauen bekommen Kinder, die Hormone programmieren unser Gehirn auf Brutpflege, und wenn das Gehirn auf Brutpflege programmiert ist, dann sagst du das tollste Engagement ab, dann verzichtest du gerne auf sehr viel. Das ist das evolutionäre Muster, das uns zugrunde gelegt ist – auch einer Universitätsprofessorin.« Sie lacht, meint das aber genau so, wie sie es formuliert hat.

In unserem Interview vor zwanzig Jahren bezeichnete Doris Gruber »totale Gleichberechtigung« als »nicht erstrebenswert«, heute sieht sie das nicht anders und argumentiert das wie damals mit den biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau: »Die viel zitierte gläserne Decke, die ist bei uns Frauen nicht so sehr in der Berufswelt zu finden, glaube ich, sondern durch unsere Fruchtbarkeit gegeben.« Ihre persönliche Erfüllung erlebe sie aber nach wie vor auch sehr stark durch ihren Beruf. Das Wort »Job« gefällt ihr übrigens gar nicht. »Die Arbeit mit meinen Patientinnen erfüllt mich mit großer Freude. Jedes Mal ist es spannend, welch interessante Biografien Frauen mitbringen. Das Wichtigste ist, zu versuchen, den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen, darum bemühe ich mich bei jeder einzelnen.«

Frauen müssten sich früher als Männer – und vor allem auch rechtzeitig – die Frage stellen: »Was will ich wirklich? Ist das Kind das große Ziel? Oder ist der Beruf das große Ziel? Da muss man ernsthaft versuchen, die persönlichen Prioritäten zu ordnen. Als Frau musst du bereit sein, diese Prioritätenverschiebung auch zu leben und anzunehmen.« Was auch zu berücksichtigen ist: »Als Frau hast Du nicht immer eine große Zeitspanne, besonders, was die Kinderfrage anbelangt.«

Sie selbst fühlt sich angekommen. »Ich glaube, ich habe meinen Platz gefunden. Sowohl was mich als Mensch anbelangt, als auch was mich als Mutter und auch als Ärztin anbelangt. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass es so weitergeht.« Eine Zufriedenheit, die sie in ihren Dreißigern nicht kannte: »Da waren so viele Dinge noch unerledigt, der Beruf nicht ausgefeilt, partnerschaftlich vieles offen, die Kinderfrage stand an. Also da war noch so viel unentschieden, und du glaubst, mit dreißig noch viel Zeit zu haben, aber das ist ein Irrtum.« Und wieder lacht sie. »Es geht so schnell.« Fünfzigjährige Frauen und Männer habe auch sie mit dreißig als alt empfunden. Ganz genau erinnere sie sich noch, als der Fünfziger ihres Vaters gefeiert wurde. »Da habe ich mir gedacht: Um Gottes Willen – kriege ich dann zu meinem Fünfziger auch so einen Geschenkkorb mit einem goldenen Fünfziger drauf?« Sie hat ihn bekommen. »Weil ich das einer lieben Freundin erzählt habe. Und ja, dann hat sie ihn mir geschenkt, genau so einen Korb mit einem goldenen Fünfziger drauf.« Aber sie lacht darüber. Die Bedrohlichkeit dieser Ziffer fünf vor dem eigenen Alter war nur in jüngeren Jahren ein komischer Gedanke, als das eigene Älterwerden noch eine Theorie war. »Also die Kinder ordnen uns schon ein, wo wir numerisch sind. Wir selbst tun das nicht. Und das finde ich gut so, wenn wir das nicht selber tun.«

Kurswechsel bei 5.0

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