Читать книгу Mauerblümchen - Schweden-Krimi - Björn Hellberg - Страница 12
— Neuntes Kapitel
ОглавлениеDer erste Anruf kam kurz vor Ende der regulären Spielzeit des Fußballmatches, das er sich im Fernsehen ansah. Anschließend saß Sten Wall fast eine Stunde lang ununterbrochen am Telefon. Vier Anrufe, alle zum gleichen Thema.
Zuerst ließ Carl-Henrik Dalman von sich hören, danach drei Frauen.
»Guckst du Fußball?«, fragte Dalman.
»Ich habe geguckt.«
»Heißt das, dass ich dich störe?«
»So in der Richtung. Aber macht nichts.«
»Wie läuft es?«
»Mal so, mal so. Recht spannend«, erklärte Wall und merkte, dass er während des Spiels in einen schweren, fast schläfrigen Zustand versunken war. Das lag sicher daran, dass er für keine Mannschaft Partei ergriffen hatte.
»Du kannst gleich wieder zum Fernseher zurück, ich wollte dir nur erzählen, dass Kerstin Jonsson von sich hat hören lassen.«
»Kerstin Jonsson«, wiederholte Wall unkonzentriert, weil er lauten Jubel aus dem Wohnzimmer hörte. Er blinzelte durch die Tür, um herauszubekommen, welche Mannschaft wohl ein Tor geschossen haben mochte, aber die Entfernung war zu groß. Er konnte nichts erkennen.
»Wir haben heute ja schon mal von ihr gesprochen. Kerstin Jonsson. Eines der Opfer. Eine von denen, die verheiratet sind. Er hat wieder zugeschlagen.«
Wall wurde wach.
»Erzähl.«
Dalman berichtete mit ruhiger Stimme, was passiert war. Der obszöne Anrufer hatte sie am Nachmittag heimgesucht. Sie hatte das Gespräch entgegengenommen, weil sie glaubte – oder eher hoffte –, dass es ihre Tochter war. Eine Rufnummemanzeige hatte sie nicht.
Aber es war also der widerwärtige Anrufer gewesen. Und es bestätigte sich, was Kerstin Jonsson schon befürchtet hatte: Er hatte sie wirklich mit dem Fernglas beobachtet, als sie sich in der vergangenen Woche ihr erstes kleines Sonnenbad gegönnt hatte.
»Er kannte Details«, sagte Dalman. »Konnte sogar die Farbe ihres BHs benennen. Lila. Er drückte sich gröber aus als in früheren Gesprächen. Und weißt du was? Er sagte, dass er vorhabe, an einem der nächsten Tage zu ihr zu kommen.«
»Hat er sich wirklich so ausgedrückt? An einem der nächsten Tage?«
»Ja. Und es klang wohl ziemlich bedrohlich.«
»Gibt es tatsächlich lila BHs?«
»Offensichtlich. Kerstin Jonsson hat jedenfalls einen, und sie hat ja keinen Grund, ausgerechnet in dieser Beziehung zu lügen.«
»Vor nur wenigen Stunden hast du, CeHa, behauptet, dass solche Elemente sich mit Worten begnügen, dass sie nur äußerst selten physischen Kontakt zu ihren Opfern aufnehmen.«
»Ja, das habe ich gesagt, aber nach dem Gespräch mit Kerstin Jonsson bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich habe das Gefühl, als braue sich da etwas zusammen.«
»Wie hat sie reagiert?«
»Sie scheint ein ziemlich robuster Charakter zu sein. Ich glaube, sie hat die Ruhe bewahrt. Sie ist von den Frauen, mit denen ich geredet habe, diejenige, die den gefestigsten Eindruck gemacht hat, aber ich hatte ja nur mit dreien Kontakt. Wobei ich Eva-Louise nicht mitrechne, da sie ja eine von Evas besten Freundinnen ist.«
Wall wusste, dass nicht nur die Familien Castelbo und Dalman sich ab und zu in der Freizeit trafen, sondern auch, dass in erster Linie die Frauen ein herzliches Verhältnis zueinander hatten.
»Hast du Kerstin Jonsson gesagt, dass wir unsere Bemühungen verstärken, diesen Belästigungen Einhalt zu bieten?«
»Selbstverständlich. Aber ich habe keine Details verbreitet, sie nur ermahnt, vorsichtig zu sein, und sofort von sich hören zu lassen, wenn es etwas Neues gibt. Ich habe auch mit ihrem Mann gesprochen. Er hat das Problem gut verstanden. Er scheint übrigens auch eine besonnene Person zu sein, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität steht. Ich glaube, er ist eine große Stütze für sie.« »Wie schön. Soll doch am besten Maggie Larsson sie Montag besuchen.«
»Sten, ich habe das Gefühl, dass dieser Anrufer immer frecher wird, sich immer näher an seine Opfer heranwagt.«
»Das scheint so. Er meint wohl, weil es bisher so gut geklappt hat, kann er jetzt größere Risiken eingehen. Und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er sich früher oder später traut, direkt zuzuschlagen.«
»Dann müssen wir ihn vorher schnappen.«
»Ja, hoffen wir, dass er nach seinen ersten Erfolgen unvorsichtig wird.«
Sie beendeten das Gespräch, und Wall ging zurück ins Wohnzimmer. Das Spiel war zu Ende. Das Telefon ertönte von neuem, als er gerade im Videotext blätterte, um das Resultat zu erfahren. Mit einem Seufzer stellte er den Fernseher aus und eilte in die Küche.
Diesmal war es Margareta Andersson. Sie entschuldigte sich, nicht schon früher angerufen zu haben, und erklärte, Sverre sei erst jetzt für ein paar Partien mit den Nachbarn in die Bowlinghalle gegangen.
»Er unternimmt samstags immer etwas. Sportliches, meine ich. Bowling, Jogging, Badminton. Etwas in der Art. Er hält sich gern in Form, meint, dass er in seinem Beruf zu viel herumsitzt. Aber normalerweise geht er nicht so spät abends erst los. Meistens mitten am Tag.«
»Ich persönlich gehe samstags immer in die Sauna«, erzählte Wall, obwohl er nicht glaubte, dass diese Information für seine Gesprächspartnerin von besonders großem Interesse war.
Aber irgendwas musste er schließlich sagen.
»Ach, ja. Ich für meinen Teil mag die Sauna nicht. Fühle mich dort nicht wohl. In der Hitze kriege ich nur schlecht Luft. Jedenfalls tut es mir Leid, dass ich bei unserem letzten Gespräch so kurz angebunden war, aber Sverre hing mir fast an der Schulter, und ich wollte ihn nicht mit ekligen Details belasten. Ich meine den Details aus den Telefonaten mit diesem ...«
»Das verstehe ich nur zu gut.«
»Sverre ist nicht gerade der verständnisvollste Mann der Welt, das muss ich zugeben, auch wenn ich mit ihm verheiratet bin. Ich habe mich kaum getraut, ihm zu erzählen, was das Schwein zu mir gesagt hat, nur, dass er angerufen hat und dass es widerlich war.«
Nach kurzem Zögern sagte sie: »Ich muss Ihnen noch etwas anderes sagen.«
Der Kommissar wartete ab, wechselte nur die Hand am Hörer.
»Es ist nämlich so, dass ich eine ziemlich prüde Person bin. Vielleicht gehe ich auch deshalb nicht in eine öffentliche Sauna. Ich will mich nicht vor anderen Leuten nackt zeigen, nicht einmal vor Frauen. Und was jetzt passiert ist, das ist so schrecklich. Ich habe noch niemals so etwas Widerwärtiges erlebt, das ist ja sogar schlimmer als damals dieser Überfall der Veganer. Die habe ich ja wenigstens gesehen, auch wenn sie Masken trugen, schwarze Larven, die sie sich übers Gesicht gezogen hatten. Es war schrecklich, und dennoch ... das jetzt, das ist noch viel schlimmer. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Einzelheiten berichten möchte.«
»Das ist auch gar nicht nötig, in der Beziehung brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen.«
»Aber so viel kann ich doch sagen: Er hat schreckliche Dinge gesagt. Der Kerl muss ernsthaft gestört sein. Meistens habe ich den Hörer sofort wieder aufgeschmissen, aber er hat es dennoch jedes Mal geschafft, noch etwas Kränkendes loszuwerden. Etwas ... Persönliches.«
»Das kann ich mir denken.«
»Und er hat so eine Art Technik, die dazu führt, dass ich manchmal geradezu gezwungen bin, ihm zuzuhören, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Wie oft hat er angerufen?«
»Viel zu oft. Sechs, sieben, acht Mal vielleicht. Ich habe nicht mitgezählt.«
»Und Sie haben keinen Verdacht, wer es sein könnte?«
»Absolut keinen.«
»Wissen Sie, wir haben eine weibliche Beamtin bei uns im Polizeirevier. Ja, wir haben natürlich mehrere, aber ich denke da an eine, sie heißt Maggie Larsson, und mit ihr kann man sehr gut reden. Ich habe gedacht, ob sie beide, Sie und Maggie, sich nicht einmal treffen wollen, um ...«
»Aber erst, wenn Sverre weggefahren ist. Vorher nicht. Hören Sie? Er fährt am Dienstagmorgen nach Norwegen. Vorher ist es ausgeschlossen, dass ich zu einem Verhör komme.«
»Es handelt sich nicht um ein Verhör«, betonte Wall freundlich. »Betrachten Sie es lieber als ein Gespräch. Mein Gedanke war nur, dass es leichter sein kann, sich in diesem Fall einer Frau anzuvertrauen als einem Mann.«
Er machte eine Pause und interpretierte ihr Schweigen als Zustimmung.
»Und natürlich warten wir ab, bis die Gelegenheit günstig ist, bevor ...«
»Bitte missverstehen Sie mich nicht«, unterbrach sie ihn erneut. »Sverre und ich, wir leben gut zusammen, es gibt eigentlich keine größeren Probleme, aber leider braust er schnell auf und deutet Worte und Dinge falsch. Und wenn er auf die Idee kommen sollte, dass dieser widerliche Kerl und ich ...«
Jetzt war Wall an der Reihe, sie zu unterbrechen.
»Lassen Sie mich bitte etwas sehr Wichtiges festhalten. Männer wie dieser Kerl suchen sich ihre Opfer fast immer nach dem Zufallsprinzip aus, vielleicht, indem sie im Telefonbuch nachgucken, vielleicht, indem sie sich an jemanden hängen, den sie auf der Straße gesehen oder dessen Foto sie in der Lokalzeitung gefunden haben oder Ähnliches. Nur in Ausnahmefällen wählen sie jemanden, den sie in privaten Zusammenhängen getroffen haben, außer natürlich, wenn es sich um Rache irgendeiner Art handelt. Und bedenken Sie, dass wir viele Anzeigen erhalten haben, von mehreren Frauen, die nichts miteinander zu tun haben. Und keine einzige von ihnen hat auch nur die geringste Ahnung, wer es sein könnte, der sie da terrorisiert.«
»Aber Sverre hat manchmal eine so merkwürdige Phantasie. Er könnte auf die Idee kommen, dass ich, vielleicht ja ganz unbewusst, jemanden ermuntert habe.«
»Vergessen Sie’s.«
An ihrem Atem konnte er hören, dass sie nicht überzeugt war.
»Bis jetzt hat er sich mit Telefongesprächen begnügt. Wird er weiter gehen?«
»Wohl kaum.«
»Aber ausgeschlossen ist das nicht? Dass er einen Schritt weiter geht und mich angreift? Er hat Sachen in dieser Richtung angedeutet.«
»Das Risiko ist minimal.«
»Aber es besteht dennoch?«
»Ich denke, nicht«, sagte Wall und hoffte, dass er sie damit nicht in falscher Sicherheit wiegte.
Was hatte er doch zu Dalman gesagt?
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er sich früher oder später traut, direkt zuzuschlagen.
Aber der Kommissar hatte kein besonders schlechtes Gewissen, weil er Margareta Andersson diese Befürchtung nicht mitteilte. Was hätte es für einen Sinn, sie noch weiter zu beunruhigen? Bis jetzt war es immer noch am wahrscheinlichsten, dass der Anrufer sich mit seinem Telefonterror begnügen und nicht wagen würde, direkten Kontakt mit seinen Opfern aufzunehmen.
Trotzdem war es wichtig, ihr einzuprägen, immer auf der Hut zu sein.
»Mein Mann ist viel unterwegs«, sagte sie, nachdem sie seine warnenden Worte vernommen hatte.
»Ich weiß.«
»Was mit anderen Worten bedeutet, dass ich im Durchschnitt drei Nächte die Woche allein im Haus bin, jahrein, jahraus, nur die langen Wochenenden und den Urlaub ausgenommen.«
Wall betrachtete die Nägel seiner linken Hand, die fast bis auf das Nagelbett heruntergekaut waren. Er war seit seiner Jugend schon Nägelkauer und musste so langsam mal etwas unternehmen, diese dumme Angewohnheit loszuwerden. Direkt nach seinem fünfzigsten Geburtstag war er sogar gezwungen gewesen, deswegen zum Arzt zu gehen. Im Anschluss an seine Geburtstagsfeier hatte er so gut wie alles abgekaut, betäubt vom Festtagsschnaps, und eine ambulante Behandlung im Krankenhaus war notwendig gewesen. Zwei Spritzen, eine dennoch spürbare Operation, langwierige körperliche Schmerzen, wochenlang bandagierte Hände, unerwünschte Krankschreibung, hämische Kommentare von Freunden und Kollegen, lange Zeit nur eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten.
Er musste ein schmerzhaftes Dakapo vermeiden.
Nicht noch einmal. Dann schaffte er sich lieber eine Art Schutz für die Fingerspitzen an, um seine Nägel vor den Überfällen seiner Zähne zu schützen.
Das Schlimmste war, dass er seine Nägel oftmals attackierte, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Margareta Andersson sagte: »Außerdem liegt unser Haus etwas abgelegen, ein Stück unterhalb des Parks. Der Garten ist groß und bietet viele Verstecke. Wenn er jetzt da draußen steht? Unmöglich ist das ja wohl nicht.«
Es durchzuckte Walls Bauchbereich.
»Durch seine Anrufe schlafe ich schlechter, auch wenn Sverre zu Hause ist.«
»Wir werden alles tun, um ihn zu schnappen«, sagte Wall mit Nachdruck, der aus fester innerer Überzeugung genährt wurde.
Nach dem Gespräch blieb er neben dem Telefon sitzen und dachte über die Lage der armen Frau nach. Noch bevor er aufstehen konnte, klingelte es erneut.
»Hier ist Maggie Larsson. Ich habe gehört, was passiert ist, und möchte gern helfen.«
»Wie schön. Du kannst am Montag gleich loslegen.«
»Ich habe morgen frei, da kann ich schon anfangen. Wenn du nichts dagegen hast. Ohne Überstunden anzuschreiben natürlich. Ich mache das ausschließlich aus eigenem Interesse.«
Wall hatte seine Kollegin schon immer sehr geschätzt. Ein klarer Zugewinn für die Mannschaft. Knapp dreißig, ehrgeizig wie wenige, vor Energie überschäumend, sehr gebildet. Immer neugierig, immer bereit, für ihre Meinung zu streiten. Feministin ohne Fanatismus. Vielleicht manchmal etwas naiv, aber das würde mit zunehmendem Alter schon verschwinden.
Er war nicht überrascht darüber, dass sie so ein Engagement zeigte, beschloss aber dennoch, ihren Enthusiasmus ein wenig zu dämpfen. Es war natürlich nicht in Ordnung, dass sie unbezahlt ihre Freizeit opfern wollte. So etwas verlangte niemand.
Gerade als er sie darum bitten wollte, mit ihrem Einsatz doch lieber zu warten, erklang ihre Stimme wieder. Und diesmal war er überrascht.
Überrascht und sogar leicht schockiert.
»Ich will etwas tun, weil ich weiß, wie die Frauen sich fühlen«, sagte sie. »Ich bin nämlich selbst mal von so einem Wichser verfolgt worden, und das ist schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Zwar ist er bald wieder aus meinem Leben verschwunden, genau genommen bereits nach drei Anrufen, aber das lag wohl daran, dass ich fortgezogen bin. Nicht deswegen, das nun nicht. Ich hatte ganz einfach schon vorher geplant, mich zu verändern, und bereits alles organisiert.«
»Hast du herausgekriegt, wer es war?«
»Nein. Und ich wollte es auch gar nicht wissen. Und jetzt ist es sowieso vorbei. Ich war damals erst zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig, aber als ich jetzt CeHas Bericht gehört habe, ist mir alles wieder eingefallen, jedes einzelne dreckige Detail. Also, du kannst mit mir rechnen, wir werden dieses Arschloch schon schnappen.«
Wall verzog den Mund, unangenehm berührt von ihrem Aufbrausen und ihrer vulgären Wortwahl.
Maggie Larsson fuhr fort: »Ich werde damit anfangen, mit allen Opfern Kontakt aufzunehmen, und wenn es nur dazu dient, ihnen Ratschläge zu geben. Das Schlimmste, was sie tun können, wenn er wieder von sich hören lässt, ist, den Kopf zu verlieren, loszuschreien, zu heulen und ihre Verzweiflung zu zeigen. Am besten zeigen sie ihm die kalte Schulter, tun so, als würde der Dreck sie gar nicht berühren.«
»Klingt gut, aber warte bitte mit einer der Frauen, ja? Sie heißt Margareta Andersson.«
»Warum?«
»Weil sie Angst vor ihrem Mann hat. Sie hat sich bis jetzt nicht getraut, ihm alles zu erzählen.«
»Warum müssen wir Frauen immer so einen Schiss haben? Und das sogar bei uns zu Hause? Wie lange wollen wir uns noch bieten lassen, dass Patriarchen herrschen und uns unterdrücken? Aber gut, dann gehe ich erst später zu ihr.« »Sie meldet sich am Dienstag. Und es kann andere geben, die ähnliche Probleme haben, es ist also am besten, wenn du behutsam vorgehst.«
»Genau, wie ich geplant habe«, sagte Maggie und erklärte ihm die übrigen Teile der Strategie, die sie anzuwenden gedachte, um dem obszönen Anrufer auf die Spur zu kommen.
Bevor es Zeit für das nächste Gespräch war, schaffte Wall es gerade eben, zur Toilette zu huschen und sich dort eines Teils des nachmittäglichen Kaffees zu entledigen.
Maggie Larsson, welche Perle, dachte er, während er sich die Hände wusch. Nicht genug damit, dass sie eine ausgezeichnete Polizistin ist, jetzt hat sie sogar noch persönliche Erfahrung mit solchen Dingen, da kann sie ja fast als eine Art Therapeutin für die Betroffenen auftreten.
Das Telefon klingelte.
Diesmal war es Ethel Boström, die wissen wollte, ob er Kontakt mit Margareta Andersson aufgenommen hatte.
»O ja«, sagte Wall und erzählte in groben Zügen, was geschehen war, seit er und Ethel miteinander gesprochen hatten.
»Du bist ein Engel«, zwitscherte sie, als er seinen Rapport beendet hatte. »Danke, dass du dich darum kümmerst. Maggans Nerven ...«
»Ist doch nicht der Rede wert«, sagte er und fühlte sich etwas peinlich berührt.
»Dann können wir endlich dazu übergehen, den Samstagabend zu genießen, du wie ich, nicht wahr? Aber, Sten?«
»Hm.«
»Du erwähnst doch Helge gegenüber nichts?«
»Wovon?«
»Davon, dass Margareta und ich planen, im Herbst zu verreisen. Es ist eigentlich nicht schlimm, wenn Helge es erfährt. Eigentlich ganz im Gegenteil. Ich glaube sogar, es wird ihn freuen, dass ich so etwas plane, denn dann hört er mein Genörgel deswegen nicht mehr. Ich fürchte nur, dass es auf Umwegen auch zu Maggans Mann Sverre dringen kann, und dann kann alles schief gehen. Sie muss ihm das selbst beibringen, und zwar ganz vorsichtig. Dann lässt er sie vielleicht fahren, besonders, wenn ich sie dann letztendlich unterstütze. Ich glaube nämlich, er hat einen gewissen Respekt vor mir. Sei deshalb so gut und sag Helge nichts davon.«
Wall musste lachen.
»Für wen hältst du mich denn, Ethel? Ich werde schweigen wie ein Grab.«
»Das wusste ich ja. Fühl dich von mir in den Arm genommen. Und schlaf gut.«
»Noch nicht«, sagte Wall, der beschlossen hatte, den Samstag mit ein paar Gläsern Bier im Pub am östlichen Kanal abzuschließen, vielleicht inspiriert durch die überwältigende weibliche Pracht, mit der er zumindest telefonisch die letzte Stunde konfrontiert gewesen war. Er hatte das Gefühl, etwas Leckeres zu brauchen.
Ein kalter Wind wehte, als er sich zu einem seiner Lieblingslokale aufmachte, und als er sich zwei Stunden und vier Pints später auf den Rückweg zu seiner Wohnung in der Bergsgatan aufmachte, war es richtig ungemütlich und fast herbstlich dunkel.
Den Sonntag ließ er ruhig angehen. Wappnete sich für die Arbeitswoche, die vor ihm lag. Er schlief ungewöhnlich lange, wachte mit trockener Kehle auf, aber ohne jedes Anzeichen eines Katers (vier große Gläser Starkbier waren inzwischen wohl die Grenze dessen, was er ohne brennende Nachwirkungen vertrug).
Frühstück mit Kaffee, Käsebrot, Grapefruit. Ein mittellanger Spaziergang am Vormittag, der mit einem Essen im Baron, seinem Stammlokal, endete (Sauerbraten, Salzkartoffeln, Sahnesoße, Gelee, Gurken) und dem Einkauf zweier Abendzeitungen. Ein Nickerchen gegen drei Uhr mit einem halb gelösten Kreuzworträtsel über der Nase. Eine etwas längere Runde gegen Abend hin (nach reiflicher Überlegung entschied er sich für Route Nummer 2 – er selbst hatte die verschiedenen Strecken durch die Stadt und ihre nächste Umgebung nummeriert, war aber klug genug, dieses etwas kindliche Unternehmen für sich zu behalten). Zwei Fernsehsendungen am Abend. Eine Tasse Tee. Drei Zwieback ohne Belag. Ziemlich frühzeitiges Ins-Bett-Gehen.
Insgesamt ein schöner Sonntag, einer von den besseren der letzten Zeit.