Читать книгу Sherryl & Lynette - Regnum defende - Blossom Rydell - Страница 3

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»Spionieren ist eine schöne Sache.

Man verschafft sich die Genüsse des Diebes

und bleib dabei ein ehrlicher Mann«

Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862)

Kapitel 1

Schon zum dritten Mal innerhalb einer Minute schaute ich auf die Uhr. Es war eine meiner schlechten Angewohnheiten, die in einer für mich feindlicheren Umgebung vermutlich bereits ausgereicht hätte, mich zu töten. Doch zu meinem Glück handelte es nur einen Pub der LGBT-Community, angefüllt mit tuntigen Männern in Westen und Shorts, Frauen von unterschiedlicher Attraktivität und Überzeugungskraft, sowie einer Handvoll Crossdresser, Teilzeitfrauen und Transidente. Aber selbst im viktorianisch angehauchten ›Comptons‹, das von all seinen Gästen liebevoll ›The Grand Dame of Queer Street‹ genannt wurde, bemerkten Leute gewisse Dinge.

»Na, hat dich dein Date versetzt?«

Ich wandte mich dem Mittvierziger hinter dem Hufeisen-Tresen im Erdgeschoss zu, der mich mit seinen sechseinhalb Fuß um einiges überragte und schätzte, dass er wohl deutlich mehr als das doppelte meines Körpergewichts auf die Waage brachte. Der überwiegende Teil schienen Muskeln zu sein, und die langhaarige blonde Perücke tat ihr Bestes, um seine rauen Gesichtszüge etwas abzumildern. Insofern er überhaupt eine ›Foundation‹ benutzte, so war sie schlecht ausgewählt worden und hatte einen äußerst schlechten Job gemacht. Hinzu kam das knallige pinkfarbene Cocktailkleid mit seinen üppigen Rüschen, das sich in voller Länge an den verkehrten Stellen wölbte – trotz all der Silikonpolsterungen an Hüfte, Po und Brust. Er brauchte wirklich dringend jemanden, der ihn in Sachen Mode beriet und zeigte, sich richtig feminin anzuziehen.

»Nein!«, rief ich ihm zu, über das gerade laufende Stück ›Girls like Girls‹ von Kiyoko und das allgemeine Geschwätz hinweg.

»Ah, verstehe«, erklärte er übertrieben, und kam mir wie ein schlecht ausgebildeter Schauspieler vor, der seine Rolle maßlos überzeichnete. »Ich hoffe, du hast Glück, Schwester.«

Schwester? Du meine Güte! Ich lächelte höflich und suchte mit den Augen wieder den Pub ab. Lynette hätte jetzt hier sein sollen. Wenn es eine Sache gab, die für sie bezeichnend war, dann war es ihre verlässliche Pünktlichkeit. Das sie bislang noch nicht aufgetaucht war, machte mich zwar nicht gerade nervös, aber es würde meine Aufgabe um einiges schwieriger machen, wenn ich ihr nicht bald näherkam. In meinen ersten fünf Tagen in der neuen Abteilung hatte ich noch nicht allzu viel über das herausgefunden, mit dem sie sich gerade beschäftigte. Es war also höchste Zeit, es aus ihr herauszukitzeln, ansonsten konnte es schnell zu spät sein. In meinem Beruf war Geduld oft der bessere Weg um zum Ziel zu kommen, aber Bloomfield hatte das Gefühl, dass es eilte und uns die Zeit davonlief. Wenn Lynette, als leitende Ermittlerin der von allen gefürchteten ›Internal Affairs‹, meinen Vorgesetzten tatsächlich auf ihrem Radar hatte und ausspionierte, wie er es vermutete, musste ich dafür stichhaltige Anhaltspunkte finden, und zwar bald.

Während ich noch meinen Gedanken nachhing, konnte ich aus den Augenwinkeln ausmachen, wie sie plötzlich das ›Comptons‹ betrat. Für eine Geheimagentin war sie ein ziemlicher ›Eyecatcher‹. Ihr langes, dunkles, fast blauschwarzes Haar fiel bis weit über die Mitte ihres Rückens. Ihre dunkle, mediterrane Haut, die sich durch ihre spanischen Vorfahren erklärte, ließ ihre Zähne noch weißer aussehen. Und ihre vollen, zum Küssen einladenden Lippen und dunkelbraunen Augen rundeten das attraktive, begehrenswerte Bild ab. Für den Abend hatte sie ein kleines schwarzes Kleid ausgewählt, das ihre langen schlanken und formvollendeten Beine wundervoll zur Geltung brachte.

Lässig wandte ich mich wieder der Theke zu und beobachtete ihre Annäherung im riesigen Spiegel. Der sechseinhalb Fuß große Mann hinter dem Tresen in seinem Cocktailkleid, der lieber eine blonde Sexbombe sein wollte, zwinkerte mir grinsend zu. Diesem Typen, Mädchen oder was auch immer er darstellen wollte, schien nicht das Geringste im Gastraum zu entgehen.

Lynette kam an die Bar und bestellte sich einen ›Malibu Sunrise‹ – einen Kokoslikör mit Orangensaft, ein wenig Zitrone und Grenadine-Sirup. »Sherryl …?!« Sie starrte mich an.

Ich gab vor, nichts von ihrer Ankunft bemerkt zu haben und schenkte ihr ein freudiges Lächeln. Obwohl wir die ganze Woche eng zusammengearbeitet hatten, legte ich meine Arme um sie und drückte sie fest. Schließlich trafen wir uns ja in einer Lokalität für Schwule und Lesben. Ich spürte ihr anfänglich steifes Zögern, dass sich aber schnell zu einer sanften Umarmung entspannte.

»Was machst du denn an einem Ort wie dem ›Comptons‹?«, kam ich ihr zuvor, ehe sie mich dasselbe fragen konnte. Schließlich wollte ich das Gespräch nicht mit dem falschen Fuß anfangen.

»Ach, es ist …«, sie lächelte und schaute sich kurz um, »… einfach nett hier. Ich komme ganz gerne her, wenn ich mal etwas trinken möchte. Besonders nach einem anstrengenden Tag. Hier sind immer alle gut gelaunt und man kann sich toll entspannen«

»Kann ich gut verstehen. Hier wird man nicht gleich von irgendwelchen Jungs angemacht und kann davon ausgehen, nicht auch noch auf Kollegen zu treffen, nicht wahr?« Ich grinste sie an, nippte an meinem Cocktail, Ihren auf mein Glas fallenden Blick bemerkend und lächelte still in mich hinein. Als ich hergekommen war, hatte ich nämlich einen Moment lang darüber nachgedacht, ihr Lieblingsgetränk zu bestellen, es aber unterlassen und mich für einen ›Sex on the beach‹ entschieden. Ich hatte ihr gegenüber nicht wie eine ›Stalkerin‹ erscheinen wollte, wenn wir genau das gleiche Getränk zu uns nahmen. Das war auch der Grund, warum ich kein kleines schwarzes Kleid ausgewählt hatte. Mein enganliegendes Rotes hatte eine ähnliche Passform und brachte meine Brüste und meinen Hintern aufregend zur Geltung. Und ich hoffte, dass es in Verbindung mit meiner Unterwäsche und den hautfarbenen Nahtnylons ausreichte, sie ordentlich zum Sabbern zu bringen.

»Genau. Ich hasse es, noch Leute nach der Arbeit zu treffen, mit denen ich eh schon den ganzen Tag zusammenarbeite …« Ihre Stimme verstummte, als ihre Taktlosigkeit bemerkte. »Dich habe ich damit natürlich nicht gemeint«, fügte sie schnell hinzu.

Ich lachte laut und drückte ihr leicht den Unterarm. »Ist angekommen!« Ich taumelte kurz, um ein paar zusätzliche Getränke vorzutäuschen, und ließ mich etwas gegen die Bar fallen.

»Vorsichtig!« Sie streckte die Hand aus, um mir Halt zu geben.

»Alles klar. Ich bin nur versetzt worden«, sagte ich und schwenkte einen unsicheren Zeigefinger in der Luft.

»Wie? An diesen Ort?«

»Nein. Wie dumm von mir.« Ich lachte übertrieben. »An deinen Ort.« Ich tippte mit dem Zeigefinger auf ihr Brustbein und machte dann eine Show, in der ich mich ernüchtert zeigte. »Es tut mir leid, dass du mich so siehst. Ich schaff das einfach nicht, mich ordentlich zu betrinken.«

»Ach, tust du nicht?« Lynette lächelte.

»Oh, habe ich doch auch nicht …« Ich grinste. »Gehört auch nicht zu meinen Angewohnheiten, hörst du? Nicht, dass das in meiner Personalakte auftaucht.«

»Okay. Wird es nicht.« Sie sog ein wenig am Trinkhalm ihres ›Malibu Sunrise‹ und beobachtete mich genau. »Du bist doch nicht hergekommen, um dich zu betrinken, nicht wahr? … Also: Warum bist du hier?«

»Amber«, antwortete ich nur.

»Amber? Ist sie deine Freundin?«

Ich machte ein trauriges Gesicht. »Nicht einmal mehr das.«

»Hat sie dich verärgert?«

»Oooh, ja. Und ich hoffe, dass sie jetzt sehr glücklich ist.« Ich hob mein Glas zum Gruß an meine imaginäre Geliebte.

»Was ist sie? … Eine Freundin?«

»Freundin, Geliebte, eine großartige Küsserin …«, ließ ich sie mit Wehmut in der Stimme wissen. »Als sie nach Rom versetzt wurde, sagte sie noch, sie würde auf mich warten. Ich wollte ihr sogar schon einen Ring kaufen.«

»Was ist passiert?«

Ich seufzte. »Sie hat nur ein halbes Jahr gebraucht. Sechs verdammte Monate. Da war ich auch schon abgeschrieben. Sie hat mir gesagt, dass sie sich verliebt hat.«

»In eine andere Frau?«

»Schlimmer.«

»Also in einen Mann«, hielt Lynette fest.

»Nein! In die verfluchte Stadt. Wie kann ich mit einer ganzen Stadt konkurrieren?« Ich warf meine Arme nach oben und verlor fast meinen Cocktail.

»Na, da besteht doch noch Hoffnung. Ich meine, du könntest doch …«

»Nach Italien ziehen? Geht nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann ja nicht mal die Sprache! … Dieses seltsame Latein.«

»Ähm … Also ich glaube ja nicht, dass sie da noch viel Latein sprechen.«

»Oh, wie das? Hat sich da schon wieder was geändert?«

»Geändert?« Sie schaute mich irritiert an.

»Naja, ich meine: Greifen diese verdammten Sesselpupser in Brüssel jetzt auch schon in Landessprachen ein? … Fuck, Brüssel! Gut, dass wir mit denen nichts mehr zu tun haben!«

»Und du hast gar nicht mit dem Gedanken gespielt?«, nahm sie ihren Faden wieder auf.

»Nee … Ich liebe es hier. Vielen Dank. Meine Familie, Bekannten und besten Freunde sind hier.« Ich streichelte ihren nackten Unterarm mit meinen Fingerspitzen. »Jetzt bin ich hier seeeeehr glücklich.«

»Das ist gut zu hören.« Lynette lächelte warm.

Ich ließ meinen Blick über ihr Gesicht huschen und späte durch meine zusammengekniffenen Augen. »Du bist sehr schön, Lynette Baxter, weißt du das?"«

»Ich, ähm … Danke, Sherryl.«

»Ja, wirklich. Richtig hübsch. Kommt deine Familie aus Spanien?«

»Sie kam«, korrigierte Lynette. »Vor vier oder fünf Generationen. So genau weiß ich das gar nicht.«

Ich streichelte durch ihre Haare. »Du hast großes Glück. Du hast …«, ich lächelte, als ich in ihre dunklen Augen sah, »… so einen süßen, exotischen Blick. Der bittet mich förmlich, mich in dich zu verlieben.« Im nächsten Augenblick küsste sie auch schon. Es war kein leidenschaftlicher Kuss, sondern einer mit geschlossenem Mund, Lippen auf Lippen, und mit vielleicht etwas zu viel Druck, um einer der romantischen Art zu sein. Schließlich musste ich ja meine Rolle als Betrunkene spielen, und ich hatte nur wenig Zeit mich an sie heranzumachen. Also musste ich die vielen Regeln des Flirtens einfach überspringen und auf volles Risiko gehen. Sie hätte mich jederzeit von sich schieben können, und irgendwie hatte ich es auch erwartet. Aber sie tat es nicht. Selbst als ich meine Arme um ihren Hals schlang, hielt sie sanft meine Unterarme und wartete geduldig, bis ich fertig war. Als ich mich endlich von ihr zurückzog, tat ich so, als wäre gar nichts zwischen uns passiert. »Bitte! Noch einen ›Sex on the beach‹, Bar-Mistress!«

Nach einem kurzen Augenblick schlenderte die sechseinhalb Fuß große Mann-Frau mit einem frischen Glas und schlauen Grinsen, um den grell geschminkten Lippen, zu mir herüber und schob es mir zu.

Als ich den Cocktail in den Händen hielt, prostete ich Lynette zu. »Der beste Kuss seit langem«, erklärte ich. »Danke, dass du so verdammt sexy bist.« In diesem Moment war ich mir nicht wirklich sicher, wie sie auf mein starkes Engagement reagieren würde. Noch konnte es in beide Richtungen verlaufen …

***

Sherryl & Lynette - Regnum defende

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