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g) Das soziale Gefüge

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Der zweite Aspekt, der die „Verfassung“ neben dem rein institutionellen Gefüge entscheidend bestimmte, war der gesellschaftliche und soziale Faktor, der den Mitgliedern des Adels im Senat eine zentrale Stellung zuwies beziehungsweise diese abstützte.

Neue politische Elite

Mit der Einigung am Ende des Zeitalters der Ständekämpfe war eine neue politische Elite im Zeitraum von etwa zwei Generationen (das heißt zwischen 366 und 300 v. Chr.) entstanden, indem bedeutende plebejische Familien in den Senatsadel vorstießen und gemeinsam mit den Patriziern die Nobilität bildeten (F. Goldmann 2002, S. 47).

Bewährung

Die prinzipielle Offenheit des Senats für tatkräftige junge Adlige war immer gegeben. Tatsächlich sind in der Phase nach 367 und bis 307 v. Chr. 20 plebejische Familien bis zum Konsulat gelangt. Damit hatte das Patriziat klug ein Ventil für den Druck aus den Ständekämpfen geöffnet. Die neue adlige Gruppe konnte sich – nach großen Anlaufschwierigkeiten – langfristig in der Phase 264 bis 167 v. Chr. auf dem Weg zur Erringung der „Weltherrschaft“ bewähren und war im Ansehen der Bevölkerung spätestens im zweiten Jahrhundert v. Chr. unangefochten (vgl. H. Beck 2005; B. Dreyer 2006).

Abschottung

Gerade aber der Erfolg hatte zur Konsequenz, dass sich die Nobilität ab 200 v. Chr. zunehmend nach unten hin abschottete und einmal errungene Privilegien zu perpetuieren trachtete. Diese Entwicklung ging einher mit der Einengung des Nobilitätsverständnisses, soweit sich das aus den kontextabhängigen Quellen der Kaiserzeit und des ersten (nur selten auch des zweiten) vorchristlichen Jahrhunderts ablesen lässt. Wurde das 3. Jahrhundert hindurch unter der keineswegs in der Stellung gesicherten und homogenen Nobilität der Amtsadel als ein Statuskriterium verstanden, waren nach dem Hannibalkrieg die nobiles eine fest umrissene Gruppe von Mitgliedern des Senates, deren Familienmitglieder es zum Konsulat gebracht hatten. Dieses Kriterium war erst mit der formalen, das heißt gesetzmäßigen Festsetzung des cursus honorum (siehe detailliert unten) von Relevanz. Denn noch vor 200 v. Chr. war die hierarchische Abfolge von Aedilität, Prätur und Konsulat nicht notwendig.

Entwicklung des Nobilitätsbegriffs

Schon vor der Verengung des Nobilitätsbegriffes im zweiten vorchristlichen Jahrhundert allerdings ist gewohnheitsrechtlich der Nobilitätsbegriff zu einem Gruppenbegriff geronnen, da das ius imaginis prodendae, das Recht, seine imago (Ahnenbild) der Nachwelt zu überliefern, auch nach der Verengung des Nobilitätsbegriffes und nach der Tendenz zur Abschottung gegen den Zugang neuer Elemente immer noch allen curulischen Ämtern (das heißt auch Ädilen und Praetoren) vorbehalten blieb. Dieses Recht war also wohl ein definitorisches Kriterium der Zugehörigkeit des sich in den Ständekämpfen herausbildenden neuen Adels (Goldmann 2002, S. 57–65).

C. Flaminius Nepos

Bereits nach dem letzten großen Zustrom kritischer junger Elemente um den Politiker Gaius Flaminius Nepos ebbte der Zustrom zum Senat immer mehr ab. Innenpolitisch war Nepos 232 (236?) v. Chr. als Volkstribun mit einer Ackergesetzgebung hervorgetreten, die nach 150 v. Chr. die Krise der Republik einleiten sollte.

Im Hannibalkrieg war die Gruppe um Nepos mit ihrer offensiven Strategie durch die verschuldeten Niederlagen am Trasimenischen See und bei Cannae gründlich gescheitert.

homines novi

Somit gewannen die konservativen Kreise die Oberhand. Mit dem Sieg über Hannibal hatte sich die Senatsaristokratie bewährt. Fortan stießen nur noch selten neue Personen in den Senat vor, die stigmatisierend als homines novi gekennzeichnet wurden. Cato Censorius, Marius und Cicero waren solche.

Hatten einmal junge Adlige den Vorstoß in den Senat geschafft, wurden sie dort in einer langen Laufbahn vom Quaestor bis zum Konsul, also vom 30. bis zum 43. Lebensjahr (das zweite Konsulat konnte nach einem zehnjährigen Intervall erfolgen), gleichsam im traditionellen Ethos „assimiliert“. Dafür waren dann in der Regel gerade die homines novi, die mit großen Anstrengungen ihre Karriere zu bestreiten hatten, besonders dem adligen Ethos verschrieben. Cato Censorius und Cicero sind gute Beispiele dafür.

Der Zugang wurde immer schwerer, die Politik an der Spitze zunehmend monopolisiert: Zwischen 233 und 134 v. Chr. hatten 58 Familien die 200 Konsulate inne (drei bis vier Konsulate pro Familie), 13 Familien hatten 133, fünf Familien 62 Konsulate inne. Die Cornelier stellten im Durchschnitt alle 4,6 Jahre einen Konsul, das heißt zwischen 366 und 44 v. Chr. 63 Konsulate. Die Fabier wiesen in dieser Phase 32 Konsulate auf, die plebejischen Fulvier 20, die Licinier 15. In den Untersuchungen von G. Alföldy (19833, S. 46ff.) und T. R. S. Broughton (The Magistrates of the Roman Republic, Bd. I, New York 1951) lassen sich viele weitere Belege für diese Entwicklung finden.

Klientelsystem

Bündnisse und Arrangements im Senat halfen aber nichts, wenn es nicht eine hinreichende Menge an Wahlvolk gab, das die „richtige“ Person wählte. Das informelle personale Beziehungsgeflecht durchzog die gesamte Gesellschaft. In diesem war auf mehreren gesellschaftlichen Stufen ein Verhältnis von Leistung und Verpflichtung maßgeblich: auf einer niedrigeren Stufe zwischen pater familias und den Familienmitgliedern, zu denen die Verwandten ebenso wie das Hausgesinde zählten, und auf einer höheren Stufe zwischen einem mächtigeren und angesehenen römischen Mitbürger (meist nobilis), der als patronus fungierte, und seinem Schutzbefohlenen, dem Klienten. Je größer die Zahl der Klienten war, desto größer war das Ansehen und der Einfluss (das heißt die dignitas, gravitas und auctoritas) des Adligen, desto größer war aber auch die Chance, dass dieser seine politischen Ambitionen durchsetzen konnte.

Die Unterstützung kam nicht von ungefähr: Die Verpflichtung (officium) des Klienten, den Patronus zu unterstützen, war die Konsequenz der beneficia des patronus, des in der Regel wirtschaftlich Stärkeren, indem er den Klienten im Militärdienst protegierte, ihn einem Kollegen anempfahl, ihm Rechtsbeistand in Zivil- und Strafprozessen leistete. Konnte der patronus diese Leistungen nicht erbringen, hatte der Klient die Möglichkeit, sich den für ihn notwendigen Schutz anderswo zu suchen. Auch hier wird der Legitimationsdruck deutlich, der auf einen ehrgeizigen Adligen lastete, wenn er nicht aus dem Kreis der Mächtigen absteigen wollte.

„foreign clientelae“

Es ist auf eine Verlegenheit der noch jungen „Weltmacht“ Rom zurückzuführen, dass sich das Klientelsystem gleichsam auf die Außenpolitik übertrug, wie Ernst Badian eingehend beschreibt (foreign clientelae). Ein aristokratisches Regime konnte sich einen Verwaltungsapparat außerhalb Roms und mithin die Schaffung eines Gewaltenzentrums außerhalb der Kontrolle des Senats und der Magistrate in den Provinzen nicht leisten. Sichtbar wird diese Scheu auch in der zögerlichen Einrichtung von Provinzen nach der Eroberung eines Gebietes oder Bezwingung eines Gegners. Sehr häufig bedurfte es einer handfesten militärischen Bedrohung oder einer inneren Instabilität (siehe Tabelle 2).

Zögerliche Provinzeinrichtung

Von Robert Morstein Kallet-Marx (1995) wurde am Beispiel Kleinasiens herausgestellt, dass die formelle Einrichtung einer Provinz auf der Basis einer lex provinciae (in der eine Struktur/formula festgelegt wurde) durch die Bestellung eines Statthalters/Praetoren mit einem sehr kleinen Stab und geringen militärischen Verbänden noch lange nicht eine (einheitliche) administrative Durchdringung nach sich zog. In Sizilien wurde eine vereinheitlichende administrative Struktur auf der Basis des syrakusanischen Steuer- und Verwaltungssystems erst nach dem Hannibalkrieg eingeführt. In Spanien wurde nach dem Abzug der Karthager beziehungsweise nach der Einrichtung der Provinz 198/7 v. Chr. auch aufgrund der lang andauernden Kriege und des Ost-West Zivilisationsgefälles lange Zeit nur ein schmaler Streifen entlang der Ostküste kontrolliert. In Kleinasien konnte der Statthalter nach 133 auf die Verwaltungsstrukturen der Attaliden zurückgreifen. Gleichwohl war der römische Zugriff trotz des rücksichtslosen Verhaltens der societates publicanorum bei der Steuereintreibung gerade in ihren Anfängen längst nicht so effektiv wie derjendige der Attaliden bis 133 v. Chr.

Tabelle 2: Einrichtung von Provinzen in der Klassischen Republik (alle Daten v. Chr.)


Auch im Falle der angesprochenen „foreign clientelae“ war die informelle Verpflichtung – in diesem Fall zwischen dem Klientelstaat bzw. Klientelfürst und dem einzelnen Senator als patronus – jenseits der völkerrechtlichen Vereinbarungen maßgeblich. Diese Bindungen wurde im Laufe des 2. Jahrhundertsv. Chr. immer wichtiger. Zuletzt überlagerten sie die völkerrechtlichen Vereinbarungen und ersetzten sie schließlich nahezu (s. Heinen-Coşkun, 2004).

Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.

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