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Benjamin Alaca und Johannes Dosch

Lieber Wissenschaftler als arbeitsloser Medienmacher


[skh] Benjamin Alaca und Johannes Dosch sind die Chefredakteure von „Irrational“, der Schülerzeitung am Holbein-Gymnasium in Augsburg. Wie sie zum Schülerzeitungsjournalismus gekommen sind, warum sie später nicht Journalist werden wollen und warum Günter Wallraff eines ihrer Vorbilder ist, wollten wir von den beiden wissen.

Warum habt ihr euch damals entschlossen, für die Schülerzeitung zu arbeiten?

B: Ich bin bereits in der fünften Klasse in die „Irrational“ eingetreten. Anfangs hatte ich mich nicht so für die Schülerzeitung interessiert, aber meine Mutter meinte, ich müsse mich irgendwo beteiligen. Da meine damalige Klassenlehrerin Betreuungslehrerin der Schülerzeitung war, trat ich ein und hatte oder habe immer noch Spaß dabei! Ich bin also geblieben; es war einfach super, Artikel zu schreiben oder in der Gemeinschaft etwas zu unternehmen.

J: Ich bin erst drei Jahre später nachgekommen. Eines Tages war ein Treffen der Schülerzeitungsredaktion und ich hatte nichts zu tun. Da hat Benny mir gesagt, ich solle doch einfach mal mitkommen. Das habe ich bis heute nicht bereut.

Was gefällt euch am Besten bei der Arbeit in der Schülerzeitung?

J: Man kann über die Schülerzeitung seine Meinung ausdrücken. Wenn einem an der Schule etwas nicht passt, kann man schreiben und vielleicht sogar ein bisschen ’was bewirken. Man trifft Dank der Schülerzeitung viele Leute, die man sonst nie kennen gelernt hätte, zum Beispiel auf Seminaren.

Ihr würdet der Idee, „Medienkompetenz“ als Fach einzuführen, positiv gegenüberstehen?

B: Ich denke, es wäre auf jeden Fall nützlich, weil man auch jetzt noch in der Kollegstufe sieht, dass manche Leute nicht besonders gut mit Quellen oder Medien umgehen können: Sei es, um für Referate im Internet irgendwelche Quellen auszuwerten, die dann oft nicht richtig waren oder die schlicht überhaupt keine Ahnung haben, wo man überhaupt an Informationen ’rankommt. Ich denke, so ein Fach würde doch gewisse Vorteile bieten.

Habt ihr den Wunsch, später auch etwas mit Medien zu machen?

J: Also ich hab mir das lange Zeit, ungefähr das letzte halbe Jahr, genau überlegt, weil ich prinzipiell den Beruf des Journalisten sehr interessant finde, besonders den Wissenschaftsjournalismus. Jedoch ist die Arbeitsmarktsituation meiner Meinung nach einfach zu schlecht. Man hat eine lange Ausbildung und keinerlei Ahnung, was danach kommt. Und deswegen werde ich jetzt wohl doch etwas anderes machen.

Weißt du schon, was?

J: Nachdem sich mein Wunschjob Journalist erübrigt hat, tappe ich wieder komplett im Dunkeln. Ich habe als Leistungskurse Mathe und Physik. Vielleicht studiere ich etwas Naturwissenschaftliches; man kann auch über ein Zweitstudium oder einen Quereinstieg in den Wissenschaftsjournalismus kommen.

B: Ich möchte primär in die chemische oder physikalische Forschung gehen. Vielleicht an einem Institut arbeiten. Dann, nebenbei gern mehr in die Richtung Buchautor und wie gesagt, Wissenschaftsjournalismus würde sich auch anbieten. Das ist auf jeden Fall ein Teilbereich, der mich interessieren würde, aber zuerst möchte ich mich auf meine wissenschaftliche Ausbildung konzentrieren.

Ihr seht die Berufschancen als Journalist eher düster?

J: Auf jeden Fall. Auch was man auf Seminaren von gelernten Journalisten über Berufsausbildung und spätere Chancen gehört hat, ist leider sehr düster.

Habt ihr irgendwelche Vorbilder in der Medienbranche?

B: Ich weiß bloß, wer bestimmt nicht zu meinen Vorbildern zählt, wenn ich das auch nennen darf: So etwas wie die „Bild-Zeitung“ ist eher etwas, was mich abstößt. Boulevardjournalismus auf dem Niveau, mit Leserreportern als Privat-Papperazzis, mit Fotoaktionen und so weiter. Das kann ich gar nicht leiden. Wir haben auch immer darauf geachtet, ob in unserer Schülerzeitung irgendwelche Elemente vorkommen, die vielleicht irgendwie in diese Richtung gehen. Zum Glück haben wir da bis jetzt noch nichts gefunden.

Zu den gesellschaftlichen Funktionen des Journalismus: Ihr habt es vorhin angesprochen, dass man in der Schülerzeitung die Möglichkeit hat, seine Meinung zu publizieren. Wie seht ihr die Funktion des Journalismus in der Gesellschaft?

J: Auf jeden Fall denke ich, dass Journalismus sehr wichtig ist in unserer Gesellschaft, um die Leute aufzuklären und zu informieren. Dann darf sich der Leser auch seine eigene Meinung über ein Thema bilden. Ich finde, man sollte eher informieren als bewerten. Eine eher neutrale Berichterstattung.

B: Ich finde aber auch, dass Journalismus ein wichtiger Garant für unsere Demokratie ist, für unseren Rechtsstaat. Dass man eben keinen Sensationsjournalismus betreibt, aber doch nachfragt, bei gewissen Sachen unbequeme Fragen stellt und nachforscht. Und vielleicht auch gewisse Dinge ans Licht bringt, die lieber vom Staat oder anderen Personen vertuscht worden wären. Und da, finde ich, spielt der Journalismus generell eine wichtige Rolle.

Ihr musstet die Schülerzeitung ja auch finanzieren, mit Anzeigen und ein bisschen über den Verkauf. Wie schätzt ihr die Abhängigkeit von Anzeigen und Redaktion bei den großen Medien ein?

J: Mir fiele da schon ein Beispiel ein, das meiner Meinung nach Anzeigen und Redaktionelles nicht konsequent voneinander trennt... Ich finde jedoch genau das ganz wichtig. Der Leser muss wissen, was von der Redaktion geschrieben ist und somit auch eine gewisse Unabhängigkeit hat – soweit es geht – und was Werbeanzeige ist, deren Inhalt ja in keinster Weise unabhängig ist.

B: Man hat leider oft gar keine Möglichkeit, zu merken, wenn ein Finanzier Einfluss nimmt und gewisse Sachen doch nicht so geschrieben oder veröffentlicht werden, wie man es ursprünglich wollte. Wir wissen ja gar nicht, wie Artikel vielleicht mal ursprünglich aussahen. In der Schülerzeitung hatten wir noch kein solches Problem. Wir finanzieren uns auch mit Werbung. Obwohl, einmal hatten wir ein kleines Problem: Da gab es einen Artikel darüber, wie sinnlos Werbung ist, dann kam durchs Layout aber direkt danach eine Werbung dran. Also hat der Autor kurzerhand unter den Artikel geschrieben: „Aber es gibt auch sinnvolle Werbung!“ So versuchten wir, das doch noch zu bereinigen. Aber sonst hatten wir keine Konflikte.

J: Aber ich finde auch, dass man mit der Werbung eine bestimmte Moral haben sollte, weil es einfach Werbepartner gibt, mit denen man nicht zusammenarbeiten darf, wie zum Beispiel Rechtsextreme.

B: Von denen Schülerzeitungen relativ oft angesprochen werden.

J: Wir wurden ein Mal von einem Rechtsextremenblatt angesprochen und sollten für sie werben, was wir natürlich abgelehnt haben.

B: Und im Laufe der Zeit kamen dann immer mal wieder Briefe. Man sieht nicht direkt, dass es Rechtsextreme sind, aber es kommt dann schon raus. Wir sollten zwei Seiten im Heft zur Verfügung stellen, damit sie dort ihren Inhalt abdrucken. Aber allein Name und Ton, wie das Ganze gestellt wird, ist schon fragwürdig.

J: Außerdem würden wir nie fremden Inhalt als Redaktionsbeitrag abdrucken.

B: Wir drucken das ab, was die Schüler interessiert, wir drucken das ab, was wir schreiben, und das war es dann. Zu einer Plattform für Rechtsextreme machen wir uns nicht.

Welche Eigenschaften sollte man eurer Meinung nach als Journalist mitbringen?

B: Bei Schülerzeitungsjournalismus ist es nicht schlecht, wenn man sich ’was traut. Es ist schlecht, wenn man vor den meisten Lehrern Angst hat und die nicht fragen will. Man muss schon Mut haben, Engagement zeigen, vielleicht auch etwas schlagfertig sein. Ich denke, das kommt so oft bei Lehrern wie Politikern vor, dass die einem nicht antworten wollen oder auf bestimmte Sachen flapsige Antworten geben.

J: Dieser Drang, die Leute zu informieren, ist eine wichtige Eigenschaft für Journalisten. Auch wenn es der härtere Weg ist, dass man die Wahrheit heraus finden will, sich nicht abspeisen lässt mit irgendwelchen Nebeninformationen. Da geht es um Recherche, aber es ist auch eine Grundeinstellung: Die Sachen hinterfragen und sich engagieren.

B: Zum Thema Vorbilder fällt mir jetzt noch etwas ein: Günter Wallraff. Den finde ich auf jeden Fall super, gerade mit „Ganz unten“. Was er sich getraut hat, sich zu verkleiden und bei ganz miesen Lebensbedingungen Gefahren in Kauf zu nehmen, nur um an Informationen ’ranzukommen, um der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Da habe ich schon ganz großen Respekt davor.

Menschen. Medien. Macher.

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