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EIN SELTSAMER ALTAR

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Währenddessen hatte sich bei Danina und Ephlor auch so einiges getan. Wie geplant, hatte die Katze Kassandra sie zu dem versteckten schmalen Eingang der Höhle geführt, die tief im Innern eines Bergmassivs lag.

Durch einen langen tunnelartigen Gang gelangten sie in eine gewaltige Höhle, nicht von Menschenhand errichtet, sondern ein Werk der Natur. Die Wände waren von Löchern und Rissen durchsetzt, und von ihrem Dach stachen zahllose spitze Stalaktiten.

An der linken Wand türmte sich ein Berg von Felsbrocken, vielleicht durch einen Erdrutsch aufgeworfen.

Inmitten der Höhle stand ein Altar mit einem zylinderförmigen Aufsatz aus Glas, in dem eine schwarz glänzende, undefinierbare Flüssigkeit brodelte. An dem Gefäß, bis hin zum Altar an dessen Seiten es heruntergeflossen war, klebte eine schleimige, jetzt erstarrte Masse.

Ephlor tastete nach seinem Medaillon, welches er an einer Kette um den Hals trug. Er hatte es von seiner Zauberin Beruna erhalten. Das Medaillon half ihm Magie aufzuspüren, aber auch selber Magie zu weben.

„Hier knistert es ja geradezu vor Magie“, sagte Ephlor zu Danina, die wachsam neben ihm stand. „Du weißt, was das ist?“, fragte er auf den Zylinder zeigend. Danina sah ihn verständig an. „Was für eine dumme Frage! Natürlich weißt du es“, lächelte Ephlor. „Die Flüssigkeit in dem Zylinder muss eine Verbindung zu dem Dämon sein. Durch diese vermochte er mit der Hexe zu kommunizieren. Jedenfalls nehme ich das an.“

Sehr richtig erkannt, Elfenkönig“, dachte Danina. „Aber das ist noch nicht alles. Mit Hilfe der Flüssigkeit konnte der Dämon von sich ein Abbild entstehen lassen. Das Resultat daraus, ist die erkaltete Masse.“

Ein klägliches Fiepen riss die beiden aus ihrer Betrachtung. Sie drehten sich um. Kassandra hatte sich vor einem Steinsockel niedergelassen, auf dem ein Käfig stand. Das jammervolle Fiepen kam von der darin eingesperrten Fledermaus. Wäre dieses klägliche Geräusch nicht gewesen, hätten sie den Käfig vielleicht gar nicht bemerkt. Schnell liefen sie hinüber. Kassandra sprang auf und sah sie auffordernd an. Doch auffordernd wozu?

„Das ist keine Fledermaus“, sagte Ephlor und griff an sein Medaillon. „Könnte das die verwandelte Schwester von Kassandra sein?“

Als der Name Kassandra im Raum schwebte, wurde das Fiepen noch herzzerreißender.

„Sie ist es. Was meinst du, Danina?“

Die Pantherin sah ihn starr an und dann … nickte sie mit dem Kopf. „Ja, es ist die Schwester“, dachte sie. „Nur, wie erhalten beide ihren menschlichen Körper zurück?“

„Zuerst einmal holen wir die Fledermaus aus dem engen Käfig heraus“, sagte Ephlor energisch. Das war leicht getan, denn er brauchte nur einen schmalen Riegel zurückzuschieben. Die Fledermaus flatterte unbeholfen heraus und klammerte sich an einen herabhängenden Stalaktiten.

Und was jetzt? dachte Ephlor gerade, als plötzlich der Boden unter ihm wankte. Es gelang ihm gerade noch, sich an dem Steinsockel festzuhalten, auf dem der Käfig stand. Danina hatte sich flach auf den Boden gelegt. Mein Gott, was ist das? dachte Ephlor. Ein Erdbeben? Oder weil wir den Käfig geöffnet haben? Schaudernd dachte er an die spitzen Stalaktiten über sich. Wenn die herunterkamen, würde nicht viel von ihnen übrigbleiben, woran man sie erkennen könnte.

Ein schriller Schrei über ihm riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Wer hat da geschrien, dachte er verwirrt. Ich war es jedenfalls nicht. Als er hoch sah, glaubte er zu träumen. Das gab es doch nicht!

Über ihm hing eine junge Frau in einem weißen Kleid, das sich um ihren schmalen Körper bauschte. Sie hing etwa acht Fuß über ihm und krallte sich ängstlich an einen zapfenähnlichen Tropfstein.

„Wir müssen sie da runterholen“, sagte eine weiche Stimme hinter Ephlor. Erschrocken fuhr er herum. „Das glaube ich einfach nicht“, flüsterte er verwirrt. Er starrte die Frau an, als sei sie ein Wesen aus einer anderen Welt. Dabei war sie doch nur eine hübsche junge Frau mit langen, blonden Haaren. Fast ein Duplikat der Frau über ihm.

„Kassandra?“, fragte er entgeistert. Sie nickte lächelnd. „Wir müssen Aglajah herunterholen“, bat sie.

„Natürlich, aber was ist passiert? Wieso habt ihr eure Gestalt wieder?“

Ephlor konnte es einfach nicht fassen. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht ist die Hexe tot?“

„Holt mich endlich herunter, bevor der Stalaktit abbricht“, rief Aglajah von oben. Und die leichte Hysterie in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Ephlor überlegte krampfhaft; und Danina fiel auch nichts ein. Wenn Aglajah sprang, konnte sie sich auf dem harten Felsboden schwer verletzen. Und sie hatten nichts dabei, um den Aufprall zu mildern. Na ja, dachte Danina fatalistisch. Notfalls muss sie eben auf mir landen. Meine Knochen heilen ja wieder. Doch soweit sollte es nicht kommen.

„Hallo! Da wären wir“, sagte Samiras. Gefolgt von Osiac und Tolkar kam sie näher. „Nanu? Wen haben wir denn da?“, fragte sie verblüfft. Doch sie begriff schneller als der Elfenkönig. „Kassandra? Und das da oben dürfte dann wohl deine Schwester sein.“

Kassandra nickte. „Das ist Aglajah. Wir wissen nicht, wie wir sie da herunterholen sollen“, klagte sie.

„Kein Problem“, brummelte Tolkar. Er stellte sich unter Aglajah, die ihn erschrocken anstarrte. „Du bi … bist ein Troll“, stotterte sie ängstlich.

„Ja, aber ein netter“, knurrte Tolkar und pflückte sie wie eine reife Frucht herunter. Vorsichtig stellte er sie auf den Boden.

„Du brauchst keine Angst zu haben“, beruhigte Osiac die zitternde junge Frau. „Tolkar ist unser Freund und der netteste Troll der Welt.“

Das wischte die Furcht aus Aglajahs Gesicht.

„Ich danke dir, Tolkar“, sagte sie leise. Und dann fiel sie ihrer Schwester um den Hals.

„Wieso sind sie … na ja, du weißt schon“, fragte Ephlor noch immer ein wenig verwirrt.

„Die Hexe ist tot. Der Dämon hat dafür gesorgt, dass sie lichterloh brannte. Nur etwas Asche blieb von ihr übrig, aber die trug eine Windböe davon“, erwiderte Samiras gelassen. „Ihr Tod machte ihre Zauber unwirksam, so dass Kassandra und ihre Schwester ihre normale Gestalt zurückerhielten.

Den Fremden, den wir befreiten, hielten unsichtbare magische Fesseln. Doch auch die vergingen nach ihrem Tod. Doch ihn hatte sie außerdem noch mit Lederschnüren an Händen und Füßen gefesselt.

Ohne unsere Hilfe hätte er sich wohl nicht befreien können. Hätte Kassandra uns nicht auf ihn aufmerksam gemacht, wären er und sein Pferd, das in dem alten Stall untergebracht war, wohl elendig verhungert und verdurstet.

„Weiß er, dass die Katze Kassandra in Wirklichkeit eine verzauberte Frau ist?“, fragte Kassandra etwas verlegen.

Samiras stutzte zuerst, doch dann begriff sie. Kassandra hatte sich wohl in den Fremden verliebt. „Nein“, erwiderte sie. „Wir haben kaum mit ihm gesprochen. Er hatte es sehr eilig, genauso wie wir.“ Sie drehte sich zu ihren Gefährten um. „Seid ihr bereit? Hier können wir nichts mehr erfahren. Die Schwarze Hexe ist tot. Kassandra, Aglajah und der Fremde sind gerettet. Zeit nach Arakow aufzubrechen.“

„Ich möchte mit euch kommen“, sagte Aglajah leise. „Ich weiß, dass ihr den Perlmuttbaum ein zweites Mal retten wollt. Ich war hier, als der Dämon mit der Hexe sprach. Ich möchte euch dabei helfen. Ich bin genauso wie meine Schwester eine Weiße Hexe. Meine Fähigkeiten als Weiße Hexe könnten für euch nützlich sein. Bitte, lasst mich euch begleiten“, bat sie.

Samiras sah sie nachdenklich an. War es Zufall? Oder hatte wieder einmal jemand das Schicksal gelenkt? Allerdings konnten sie wahrlich Hilfe gebrauchen. Sie kannte nicht alle Fähigkeiten der Weißen Hexen, aber sie wusste, dass viele von ihnen hervorragende Heiler waren; und das alleine war ja schließlich auch schon was. Sie entschied sich dafür. Aber wie immer, würde sie sich nach der Mehrheit richten.

Ihre Gefährten überraschten sie, denn alle waren dafür, obwohl sie Aglajah nicht kannten. Selbst der zurückhaltende Elfenkönig hatte sich dafür ausgesprochen.

Also kehrten sie zu dem Haus zurück, das ja den Schwestern gehörte. Kassandra wollte bleiben. Vielleicht hoffte sie, dass der Fremde, den sie so mochte, zurückkehren würde. Samiras glaubte zwar nicht daran. Aber das behielt sie lieber für sich.

Aglajah packte eilig ihre Sachen zusammen, während Osiac ihr Pferd sattelte, das auch in dem alten Stall untergebracht war. Jetzt standen nur noch Kassandras Wallach und ein Maultier darin. Auch die Tiere hatte Lestizia verwandelt und auch sie hatten nach ihrem Ableben ihre natürliche Gestalt wieder erhalten.

Einzig dem Hengst Wotan hatte die Hexe nichts Böses zugefügt. Zwar hatte sie ihn nicht gerade verwöhnt, doch angetan hatte sie ihm nichts.

Warum sie ihn verschont hatte, würde man nun nicht mehr erfahren. Vielleicht hatte sie geglaubt, den Mann Rowan damit zu quälen oder gefügig machen zu können, indem sie ihm drohte, das Pferd zu töten. Wer weiß! Doch hätte es ihr möglicherweise gelingen können!

Knapp eine halbe Stunde später befanden sich Samiras und ihre Gefährten auf dem Weg nach Arakow, zu Esmahel, dem Kind des Lichts.

Der Kristall

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