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DAS SCHLOSS DER ZAUBERIN

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Leise Musik perlte süß wie Vogelgezwitscher und zart wie das Rauschen der Blätter im Wind durch den lichtdurchfluteten Saal in dem die Zauberin Xzatra in einem blütenförmigen, aus einer einzigen lilienweißen Schaumperle geformten Sessel saß. Auf ihrer Schulter hatte sich der edle Falke Xzerus niedergelassen, Xzatras treuester Freund und kluger Berater.

„Ich spüre Gefahr und Verrat, Herrin. Etwas Böses naht“, warnte der Falke.

Xzatra runzelte besorgt die Stirn. „Hoffentlich hat Teufat nichts von meinem Besuch bei Samiras bemerkt. Wir müssen sehr vorsichtig sein.“

„Vielleicht solltet Ihr noch einmal das Orakel befragen.“

„Das werde ich, Xzerus, denn ich sorge mich um Samiras. Sie hat die goldene Phiole vergessen, die ich ihr bei meinem Besuch gab. Ohne sie kann sie mich nicht zu Hilfe rufen, sollte sie in Not geraten.“

„Ihr möchtet, dass ich sie ihr bringe?“

„Ja, mein guter Xzerus. Aber beeile dich.“

Der Falke nahm mit dem Schnabel die Phiole aus ihrer Hand, breitete seine Schwingen aus und schwebte davon.

Die Zauberin aber raffte ihren kobaltblauen, mit goldenen Kolibris bestickten Samtumhang und erhob sich. Gestützt auf ihren Zauberstab aus Lapislazuli verließ sie den Raum und folgte dem sich in zahlreichen Windungen schlängelnden Flur. Vor einem von zwei goldenen Falken mit Diamantaugen flankierten Bronzetor blieb sie stehen. Wie von Geisterhand bewegt schwang es nach innen auf und die Zauberin trat in den dahinterliegenden Saal.

Langsam ging sie zu dem auf einem polierten Granitsockel thronenden Orakel, einer ovalen mannshohen Rispe aus feinstem weißen Marmor, gekrönt von einem geschwungenen Auge mit einer hühnereigroßen Pupille aus klarem Aquamarin, die Iris eine walnussgroße schwarze Perle, umrahmt von funkelnden Diamanten. Ihre schlanken Hände glitten sanft über den glatten Stein. Da ertönte eine wundersame Melodie, die das Auge des Orakels erst in intensivem Glanz erstrahlen und dann durchscheinend werden ließ. Gespannt beugte sich die Zauberin vor.

Doch diesmal war ihr das Orakel keine große Hilfe. Sie sah Teufat in seinem Labor regungslos vor einem übermannshohen Spiegel stehen und wie hypnotisiert in das nachtdunkle Glas starren, während das zweite Bild eine schwarze Krähe zeigte, die offenbar in großer Eile einem unbekannten Ziel zustrebte. Mehr zeigte das Orakel nicht. Die Pupille verlor ihre Durchsichtigkeit, wurde wieder aquamarinblau, und die zauberhafte Melodie verklang.

Xzatra setzte sich in einen Sessel, dessen Rückenlehne sich in Form einer Kobra emporschlängelte, und starrte nachdenklich vor sich hin. Der hohe Spiegel in Teufats Labor beunruhigte sie. Doch warum? Es war doch nur ein Spiegel. Nur ein dunkler Spiegel. Dunkel! Das war es! Das dunkle Glas hatte eine Jahrhunderte alte, verschüttete Erinnerung in ihr geweckt. Und diese Erinnerung beunruhigte sie zutiefst!

Währenddessen suchte Lestopoktus in seiner Krähengestalt verzweifelt nach dem Schloss der Zauberin, welches keinen festen Standort hatte, sondern schwebend durch die Wolken glitt. Ihm war nicht nur klar, dass Xzatras Schloss schwer zu finden sein würde, er wusste außerdem, dass ein Schleier undurchdringlicher Magie ein Eindringen unmöglich machte. Und doch gab es eine Möglichkeit hineinzugelangen; sein Meister hatte sie ihm genannt.

Also hoffte er auf das Schloss zu treffen, wenn der Falke unterwegs war. Nur dann, hatte Teufat erklärt, hebt die Zauberin für kurze Zeit den Bannspruch auf, damit Xzerus wieder hineingelangen kann.

Und das ist meine einzige Chance, dachte Lestopoktus, denn falls es mir nicht gelingt, werde ich ein weiteres Mal Teufats Unbarmherzigkeit zu spüren bekommen und ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertragen kann.

Er suchte weiter und passierte eine dichte Nebelwand. Und da war es! Xzatras Schloss! Er näherte sich vorsichtig einem offenen Fenster und äugte misstrauisch hindurch.

Sollte er es wagen? Er musste! Wer weiß, ob sich ihm jemals eine günstigere Möglichkeit bieten würde. Also fasste er sich ein Herz und flog hinein, wobei er ängstlich nach der Zauberin Ausschau hielt. Doch er hatte Glück. Das Zimmer war leer. Mutig geworden sah er sich um.

Zwei kunstvoll bemalte Lackschränke an der Wand weckten sein Interesse. Was da wohl drin war? Vielleicht etwas, das seinen Meister interessieren könnte? Er hätte gerne nachgesehen, doch da ihm sein derzeitiger Gastkörper keine Möglichkeit bot die Schränke zu öffnen und eine neuerliche Umwandlung zu anstrengend gewesen wäre, erlosch sein Interesse wieder. Aber er musste Teufat Informationen bringen, sonst erging es ihm schlecht!

Da vernahm er sich rasch nähernde Schritte auf dem Flur.

„Die Zauberin!“, stöhnte er entsetzt. Sein Blick hetzte durch den spärlich möblierten Raum, suchte verzweifelt nach einem Versteck. Der Paravent! Pfeilgeschwind schoss er darauf zu und verschwand im selben Moment dahinter, in dem sich die Tür öffnete. Der Formwandler hielt den Atem an. Hatte ihn die Zauberin gesehen? Doch auch diesmal war das Glück mit ihm. Xzatra bemerkte ihn nicht.

Der Zaubersamen

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