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Kapitel 6

Ich erhielt einen Anruf, in dem mir ein Termin in der Kanzlei von Rudis Rechtsanwalt mitgeteilt wurde. Es sollte nun endlich die Kündigung von Rudis Sekretärin besprochen werden. Weil mein Mann die Kündigung bereits unterzeichnet und zugestellt hatte, könnte er in Ruhe zuhause bleiben, hieß es.

Rudis uneheliche Tochter hatte zeitgleich angekündigt, dass sie ihn dann zum Mittagessen abholen würde und holte sich am Sonntagabend den Hausschlüssel ab.

Am Montag, dem 12.12.2011, frühstückten wir wie gewohnt und sprachen über den anstehenden Termin in der Kanzlei von Rudis Rechtsanwalt. Als es Zeit wurde aufzubrechen, wollte mein Mann mich doch lieber begleiten. Da er aber noch im Schlafanzug war und wir dachten, dass der Termin nicht lange dauern konnte, entschied er sich schweren Herzens zuhause zu bleiben.

An der Haustüre nahm er mich zärtlich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Mein Mann sagte zu mir: „Bleib nicht so lange weg. Du weißt ja, dass ich hier auf Dich warte.“

Dass wir uns nie wieder sehen würden, konnten wir nicht ahnen.

Noch heute stockt mir der Atem, wenn ich an diesen Schicksalstag denke.

Ich kam in der Kanzlei in der Overwegstraße in Gelsenkirchen an und wurde von fünf Personen erwartet. Anwesend waren Rudis Rechtsanwalt, dessen Kanzleipartnerin, Rudis Steuerberater und sein Sohn, der auch Rechtsanwalt ist, und ein Unternehmer aus Gelsenkirchen. Ich verstand die Menschenansammlung in diesem Büroraum nicht.

Ich wurde mit den Worten empfangen: „Du gehst.“ Ich verstand noch weniger, denn ich war ja gerade erst angekommen. Warum sollte ich gehen?

Ich hörte die Worte „Du gehst“ ein weiteres Mal und dann mit dem Zusatz „Und du siehst Rudi nie nie wieder.“

Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Ich war starr vor Schreck. Aber nur Sekunden später begriff ich, wozu diese Menschen fähig waren. Panik, pure Panik kam in mir auf. Was geschah zuhause? Was geschah mit Rudi? Ich wollte nur noch raus aus diesem Büro und nach Hause. Aber ich sollte eine Trennungsvereinbarung unterschreiben, doch ich weigerte mich. Raus da, dachte ich nur, raus… Nach Hause, nach Hause, das war mein einziger Gedanke. Doch ich wurde regelrecht festgesetzt.

Als ich telefonieren wollte, wurde mir das Handy aus der Hand gerissen. Als ich vorgab auf die Toilette zu müssen, versperrte man mir die Türe. Mir wurde unmissverständlich klar, dass ich ohne meine Unterschriften auf der vorbereiteten Trennungsvereinbarung und der Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht aus diesem Raum käme.

Rudi hatte damit nichts zu tun, das war mir sofort klar. Aber was passierte in unserem Haus? Mein Alarm in meinem Kopf sendete nur noch Rudi, Rudi, Rudi. Mein Mann war in Gefahr und ich unterschrieb dieses Blatt Papier, diese Trennungsvereinbarung. Da es keine Auftragsvollmacht von Rudi dazu gab, dachte ich auch nicht, dass diese Vereinbarung rechtens war. Mit den Worten, dass man sich gegenseitig bezeugen würde, dass man mich nicht unter Druck gesetzt hätte, wurde mir klar gemacht, dass es sinnlos war zur Polizei zu gehen.

Ich raste nach Hause und fand ein leeres Haus vor. Rudi war weg. Mein Mann, der auf meine Rückkehr gewartet hatte, war weg. Ich saß in der Küche regungslos auf dem Boden und schrie.

Dann ploppten Bilder in meinem Kopf auf. Szenen die sich plötzlich erklären ließen.

Der Anruf im Oktober, der klären sollte, ob wir tatsächlich zur UNESCO-Gala fahren würden, der Einbruch, bei dem sich nur an meinem Eigentum vergriffen wurde, die Voodoo-Puppe, die mich mürbe machen sollte, der Brief von Rudis Rechtsanwalt, dass wir uns aus der Öffentlichkeit fernhalten sollten und Rudis uneheliche Tochter, die sich den Hausschlüssel abgeholt hatte. Das alles lief in meinem Kopf ab wie ein Film. Aber es war kein Film. Es war die grausame Realität.

Rudi hatte sich für ein zurückgezogenes Leben mit seiner Ehefrau entschieden und das wurde nicht geduldet. Um Macht und Kontrolle über Rudi zu behalten, musste er weg von seiner Ehefrau, dachte ich. Unsere Liebe wurde für andere zur Gefahr und so wurden Rudi und ich Teil eines perfiden Plans.

Ich rief Rudis Arzt an und berichtete ihm, was passiert war. „Schalten Sie endlich einen Anwalt ein.“, hörte ich ihn sagen. Ich rief meine Eltern an und mein Vater suchte mit mir einen Rechtsanwalt auf. Wir erstatteten eine Vermisstenanzeige, denn wir konnten zunächst nicht beweisen, dass Rudi zu seiner unehelichen Tochter nach Herten gebracht worden war.

Die Kriminalpolizei durchsuchte routinemäßig zuerst unser Wohnhaus und wollten sich dann auf den Weg nach Herten machen, um zu überprüfen, ob meine Vermutung, dass mein Mann dort bei der unehelichen Tochter sei, stimmte.

Ich schrieb ein paar liebevolle Zeilen auf die Rückseite eines Fotos von Rudi und mir und erklärte meinem Mann darin, dass ich zuhause war und auf ihn wartete. Die Kripobeamten nahmen das Bild und wollten meiner Bitte folgen, Rudi das Foto zu geben. Mein Mann musste wissen, dass ich da war.

Später wurde ich darüber informiert, dass Rudi in dem Haus der unehelichen Tochter aufgefunden worden war. Unser Bild hatten die Kripobeamten Rudi, womöglich auf Hinweis der unehelichen Tochter, nicht gezeigt. Ich verstehe bis heute nicht, warum die Kripobeamten die Ermittlungen rund um Rudi so einseitig führten und anscheinend den Vorgaben der unehelichen Tochter folgten.

Laut der ominösen Trennungsvereinbarung sollte ich innerhalb von drei Tagen, also am 15.12.2011, das Wohnhaus an der Cranger Straße verlassen. Auf Anraten meines Rechtsanwaltes blieb ich. Rudis Sekretärin kündigte bei der Emscher Lippe Energie GmbH (ELE) die Strom- und Gasanschlüsse, obwohl sie keine Einzelvollmacht hatte. Ich hatte unsere deutsche Rechtsordnung immer so verstanden, dass man nur mit einer gültigen Vollmacht für eine andere Person handeln kann. Die sogenannte ELE hat anscheinend ihre eigenen Gesetze. Die ELE erklärte, dass sie die Rufnummer von Rudis Sekretärin zurückgerufen hatten und weil diese tatsächlich am anderen Ende ans Telefon ging, würden sie das als Legitimation annehmen.

Ich erhielt von der ELE ein Begrüßungsschreiben als neuer Nutzer der Anschlüsse, ohne jemals einen Vertrag mit dem Energieversorger unterschrieben zu haben.

Alle Einwände gegen die, meiner Meinung nach, rechtswidrige und sittenwidrige Kündigung der Gas- und Stromanschlüsse wurde seitens der ELE abgeschmettert.

Ich hatte alle ungenutzten Stromquellen abgeschaltet, doch der Stromverbrauch von über 1000 € im Monat änderte sich nicht. Die ELE behauptete, dass in Rudis Haus schließlich ein Schwimmbad wäre, was den Verbrauch erklären würde.

In unserem Haus ist nie ein Schwimmbad gewesen. Woher die ELE die falschen Informationen hatte und warum sie diese nutzten, weiß ich nicht.

Ich blieb im Haus und verteidigte Rudis Zuhause. Mein Mann litt an schwerer Alzheimer-Demenz und wurde aus seinem geräumigen hellen Zuhause in ein kleines dunkles Reihenhaus nach Herten verbracht. Was sind das für Menschen, die ihm so etwas antaten, fragte ich mich. Wie bösartig konnten Menschen sein?

Eines war mir von Beginn an klar. Ich würde für die Wahrheit kämpfen und mich nicht einschüchtern lassen. Rudi durfte diesem Schicksal nicht ausgeliefert bleiben.

Und als wäre es nicht genug, bekam ich die Kündigung bei Mr. Chicken.

Mein Mann wurde aus dem Haus geholt, als ich weg war, ich sollte aus unserem Haus ausziehen und ich hatte keine Arbeit mehr.

Mann weg, Zuhause weg, Job weg – das roch nach System.

Und wieder hieß es, dass Rudi das alles so wollte. Nur Rudi sprach kein Wort. Wir wurden voneinander ferngehalten und durften uns nicht sehen. Ich habe nie von Rudi selbst gehört, dass er sich trennen wollte, dass er die Scheidung wollte und dass er mich nicht mehr sehen wollte. Das Letzte, was ich von meinem Mann hatte und habe, ist der Kuss auf die Stirn und seine lieben Worte, dass er auf mich wartete. Welche Ehefrau würde daraus einen Trennungs- und Scheidungswillen schließen? Keine! Denn den gab es auch nie. Ganz im Gegenteil!

Rudi und ich hatten uns geschworen füreinander da zu sein – für immer und unter allen Umständen!

Gerne erzähle ich hier eine lustige Situation, die so typisch Rudi Assauer ist und die mich auch heute noch zum Lachen bringt, wenn ich mir die Szene bildlich vorstelle:

Wenn mich mal wieder mein angeborenes Rückenleiden plagte, sagte mein liebevoller Mann zu mir: „Ich fahre dich, wenn du im Rollstuhl landest.“ und ich antwortete: „Toll, wenn du dann den Weg nicht mehr kennst, verfahren wir uns.“ Wir mussten beide so lachen, dass es bestimmt die Nachbarn noch gehört haben. Aber eins war uns immer klar, wenn wir nur zusammen sein würden, wäre uns jeder Ort der Welt recht.

Unsere Liebe wurde zu einer verbotenen Liebe erklärt und mein Mann wurde aus unserem Haus verbracht. Wir mussten auf grausame Art und Weise lernen, was es bedeuten kann, wenn man aus Gutgläubigkeit die falschen Menschen ins Leben lässt.

Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer

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