Читать книгу Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer - Britta Assauer - Страница 7

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Kapitel 3

Auf Schalke gehörten mir längst die Sympathien. Die Zurückhaltung vom Anfang war verflogen und ich wurde herzlich aufgenommen. Den Ritterschlag der Fans bekam ich nach einem Spiel in der Veltins-Arena auf dem Weg zurück zum Auto. Rudi und ich flachsten wie immer wie zwei verliebte Teenager. Die Fans hinter uns amüsierten sich und wir hörten den Satz: „Rudi, Du hast einen guten Tausch gemacht.“ Ich fühlte mich geehrt und Rudi nickte den Jungs stolz zu.

Auch mit der Schalke-Führungsebene verstand ich mich bestens. Allen war klar geworden, dass ich völlig unkompliziert war und dass ich mich von alten Streitereien nicht hatte anstecken lassen. So kam es, dass ich viele interessante Gespräche mit tollen Menschen aus der Schalke-Führungsetage führte. Dabei war auch Rudis sogenanntes Ende auf Schalke im Mai 2006 ein Thema. Ich war und bin der festen Überzeugung, dass es die beste Lösung gewesen wäre, wenn Rudi seinerzeit das Präsidentenamt übernommen hätte. Rudi hätte Schalke behalten und Schalke hätte Rudi behalten. Nach dieser Aussage gehörten mir die Herzen der Schalke-Vertreter und mir wurde gesagt, dass man sich wünschen würde, dass ich damals schon in Rudis Leben gewesen wäre. Wow, was für eine Auszeichnung, dachte ich.

Von dieser idealen Lösung des Präsidentenamtes hatten Rudi seine damaligen Berater seinerzeit abgeraten. Warum seine Sekretärin, sein Rechtsanwalt und sein Steuerberater ihm das Drama des Rücktritts angetan hatten, kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Rudi hatte wegen des Verdachts auf Demenz bereits im Jahr 2004 Ärzte aufgesucht und der friedliche Übergang vom Manager zum Präsidenten wäre die stressfreie Lösung für ihn gewesen.

Der große Rudi Assauer, der zu 100 Prozent für den Fußball lebte, saß plötzlich allein daheim. Bei der Vorstellung darüber, wie unfassbar schrecklich das für ihn gewesen sein muss, überkommt mich bis heute ein beklemmendes Gefühl.

Bereits im Dezember 2010 hatte Rudis Sekretärin seinem Fahrer gekündigt. Der liebe Dieter, wie ihn alle nannten, war eine Seele von Mensch. Wir kamen eines morgens ins Büro und bekamen die Nachricht, dass die Sekretärin Dieters Minijob angemeldet hatte. Rudi verschlug es die Sprache, weil er nicht gefragt worden war.

Die Sekretärin begründete ihr Handeln damit, dass Rudi sich das Geld sparen könne, weil ich ihn ja chauffieren könnte. Interessant war die Darstellung des Sparens, denn die Sekretärin erhielt für ihre Halbtagsstelle ein Gehalt von 1.885 € netto und ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Ich meine, dass da die kleine Mathematik ausreicht, um festzustellen, dass Rudi besser auf seine Sekretärin hätte verzichten können anstatt auf seinen Fahrer.

Ich war also jetzt täglich mit im Büro. Ich hielt mich zurück und beobachtete das Geschehen. Rudis Büro war ein Zimmer im Firmengebäude des Steuerberaters. Ich hatte quasi einen Logenplatz. Rudis Schreibtisch stand auf der linken Seite und der Schreibtisch der Sekretärin auf der rechten Seite, direkt gegeneinander. Frontal dagegen stand Schreibtisch Nummer 3, was mein Logenplatz wurde. Auf diese Weise und durch meine tägliche Anwesenheit, bekam ich immer mehr mit. Befremdlich fand ich, dass Rudi Blanco-Schecks unterschrieb, mit denen der Steuerberater Bargeld abholen sollte. Rudi selbst bekam von seinem Steuerberater meistens 500 € übergeben und es sah immer aus, als würde Rudi Taschengeld bekommen. Unser Haushaltsgeld wurde von der Sekretärin mit 500 € pro Monat festgelegt und ebenfalls vom Steuerberater ausgehändigt. Eine EC-Karte hatte Rudi nicht.

Rudis Wohnhaus war, wie ich mitbekam, mit einer Bürgschaft belastet, um damit einen Kredit abzusichern, der Mr. Chicken für den Bau ihres Headquarters zukam.

Weil ich mich nirgendwo einmischte, war ich in den Büroetagen stets willkommen.

Rudi entschied sich hin und wieder für die Teilnahme an einer Veranstaltung, wie z.B. den Steiger-Award 2011, was aber eher selten der Fall war. Seine Besuche zu den Heimspielen ließen wir nicht aus. Ich hatte es geschafft, dass sich Rudi mit Schalke versöhnt hatte und so konnte er wieder unbeschwert und mit voller Freude in die Veltins-Arena gehen, in sein sogenanntes Wohnzimmer.

Privat kam etwas Trubel auf, als Rudi zuhause feststellte, dass er seit meinem Einzug im Dezember 2010, nichts mehr von seiner ehelichen Tochter gehört hatte. Da sie sehr engagiert in Ihrem Beruf war, versuchte ich ihn zu beruhigen und sagte ihm, dass sie viel arbeitete. Alles war gut, bis er am nächsten Morgen im Büro seine Sekretärin fragte, ob sie etwas von ihr gehört hätte. Was dann passierte, kam mir vor wie Hetze. Es kam die Frage auf, warum er für seine unzuverlässige Tochter Versicherungen in Höhe von über 700€ zahlen würde. Das könne er sich doch sparen. Rudi wurde plötzlich wütend und meinte, dass er nicht mehr für alle der Dukaten-Esel sein wolle und die Sekretärin kündigte daraufhin die Versicherungen.

Kurz darauf, meldete sich Rudis eheliche Tochter und versuchte, dass er die Zahlungen wieder übernahm. Sie rief häufig an und er nahm das Telefon nicht ab. Wenn ich rangehen wollte, wehrte er ab. Er sei enttäuscht und das solle sie nun merken.

Auf einem Monitor im Haus, konnten wir sehen, wer vor der Haustüre stand. Selbst dann wollte er seiner Tochter nicht die Türe öffnen. Ich bemerkte, dass er sich bedrängt, fühlte durch die plötzlich häufige Kontaktaufnahme, aber ich respektierte zunächst seine Entscheidung. Klar war aber auch, dass wieder Frieden hermusste. Langsam war es genug. Ich erreichte bei ihm die Vereinbarung, dass er beim nächsten Mal die Türe öffnen würde. Auf das nächste Mal, mussten wir auch nicht lange warten. Ich war oben im Haus und hatte zunächst gar nicht bemerkt, dass Rudis Tochter im Haus war. Ich machte eine flapsige Bemerkung, dass es jetzt wieder Dauerzustand sei, dass sie vorbeikam. Eigentlich war ich der Annahme, dass der Streit zwischen Rudi und seiner Tochter vorbei war, aber offensichtlich hatte Rudi sich weiter geweigert die Zahlungen für die Versicherungen wieder zu übernehmen. Befremdlich war für mich, dass das ganze Theater mir von Rudis Tochter in die Schuhe geschoben wurde. Was hatte ich mit Rudis Entscheidungen und Rudis Finanzen zu tun? Nichts!

Als sie sich dann mir gegenüber im Ton vergriff und meinte, dass ich ja aufpassen solle, forderte Rudi sie auf das Haus zu verlassen. Er sagte: „Lass Britta in Ruhe, die hat Dir nichts getan.“ Er blieb stur und meinte: „Jetzt kann die mal warten, bis ich mich melde.“ Selbst zu ihrem Geburtstag wollte er nicht fahren, auch wenn ich alles versucht habe, die Wogen zu glätten.

Im Büro erinnerte seine Sekretärin Rudi daran, dass Betty auch noch da sei. Betty kannte ich persönlich nicht. Über sie wurde auch nie gesprochen. Ich bemerkte aber, dass Rudi genervt reagierte und zu seiner Sekretärin meinte, dass sie endlich aufhören solle und dass sie wisse, dass seine unehelichen Tochter Betty für ihn kein Thema sei.

Plötzlich tauchte überall, wo wir eingeladen waren, Betty auf. Meist in Begleitung eines Immobilienmaklers aus Gelsenkirchen. Rudi wendete sich stets ab, wenn er sie sah und fragte mich, was die denn dort mache. Ich konnte diese Fragen nie beantworten und sagte ihm, dass nur eine Person, nämlich seine Sekretärin, seine Termine plante und über die Daten Bescheid wusste. Er wurde richtig wütend und sprach davon seine Sekretärin zu kündigen.

Zu einer Veranstaltung im Bochumer Stadion hatten uns Rudis Ärzte einmal begleitet. Sie wollten sich ein Bild davon machen, wie es ihm auf solchen Events ging. Als er dort seine uneheliche Tochter sah, wollte er die Veranstaltung sogar verlassen. Für seine Ärzte blieb bei dieser Reaktion kein Zweifel an der Ablehnung seiner unehelichen Tochter.

Aber warum tauchte sie immer in unserer Nähe auf? Zog irgendjemand die Strippen?

Hatte man erfolgreich einen Keil zwischen Rudi und seine geliebte Tochter Katy getrieben, um seine unbeliebte uneheliche Tochter in seinem Leben zu platzieren?

Für Rudi bedeutete das puren Stress und ich konnte sehen, wie ihm das zusetzte.

Was sollte ich tun? Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf.

Zum Glück gab es Fußball. Die Heimspiele genoss er wieder sichtlich in seiner Arena und die Auswärtsspiele sahen wir gemütlich daheim. Rudi war begeistert, dass ich auch so „fußballbekloppt“ war, dass ich so viele Spieler und so viele Namen kannte und - dass ich „Abseits“ kannte. Manchmal ging mir das Getrippelt vor dem Tor auf die Nerven und ich sagte: „Man kann auch aus 32 Metern Tore schießen.“ Wenn es tatsächlich mal ein solches Tor gab, sagte ich immer: „Siehste, meine Fußballschule.“ Wir hatten so viel Spaß!!!

Was die Heimspiele von Schalke betrifft, entwickelte sich auch ein sogenannter „Insider“. Bis in die 2. Halbzeit eines Spiels wollte einfach kein Tor fallen. Als ich dann mal zur Toilette musste, hörte ich auf dem Weg plötzlich riesiges Gejubel. TOR für Schalke. Von da an war es Standard, dass mein Tribünennachbar Michael H., mich zur Toilette schickte, wenn partout kein Tor für Schalke fallen wollte. Und? Ja, TOR für Schalke. Der Witz zieht sich bis heute hin und sorgt immer noch für Gelächter.

Rudi und Schalke hatten Frieden geschlossen und so erreichte uns die Einladung zum DFB-Pokalfinale 2011 in Berlin. Rudi freute sich und für mich war es unfassbar, das erleben zu dürfen. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn am Folgetag im Büro brach der große Krach aus. Seine Sekretärin fuhr ihn an, dass er da nicht mitfahren könne, ob er vergessen hätte, was die ihm angetan hätten und und und.

Es fielen üble Worte und Beschimpfungen gegen die Führungsebene von Schalke.

Rudi war völlig verstört. Wir fuhren nach Hause und er wollte die Einladung ausschlagen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass es doch schön wäre, dass er wieder mittendrin ist und er solle das genießen. Frieden ist Frieden und Rudi ist niemand, der dann wieder nachtritt. Und Frieden bedeutete Ruhe für Rudi.

Seine Sekretärin bekam den Auftrag, unsere Teilnahme für die Fahrt nach Berlin zu bestätigen. Was dann geschah, würde ich nicht glauben, wenn ich nicht meinen Logenplatz im Büro gehabt hätte.

Die Sekretärin, die über ihren Mann (Angestellter bei Schalke), ebenfalls eingeladen war und unter keinen Umständen mit den Arschlöchern, wie sie die Schalke-Führung betitelte, nach Berlin fahren würde, nahm das Telefon in die Hand und rief bei Schalke an. Sie verlangte ein Zimmer neben unserem im Hotel in Berlin. Schalke musste alles auf den Kopf stellen, denn Rudis Sekretärin hätte eigentlich im Mitarbeiter-Hotel im Zimmer ihres Mannes übernachten sollen.

So kam es, dass wir gefühlt eine Gouvernante bei uns hatten. Was für ein Zirkus.

Wollte Rudis Sekretärin alte Zeiten nachleben, oder warum ließ sie die Eheleute Assauer nicht allein. Es war doch eine private Reise.

Vor dem Spiel am Abend besuchten wir die Innenstadt von Berlin. Ich hatte überhaupt keine Chance Rudi zu beschützen. Hatte die Sekretärin vergessen, dass Rudi krank war? Sie hakte sich auf dem Ku-Damm bei ihm ein und an der anderen Seite eine der Sekretärin nahestehende Angestellte von Schalke namens Steffi und so zogen sie mit meinem Mann davon. Ich konnte nur hinterherlaufen und hörte Passanten sagen: „Typisch Assauer. An jeder Seite eine Alte.“ Warum schütze diese Sekretärin Rudi nicht? Warum ließ sie die Assauers nicht in Ruhe?

Sie klebte an uns, beim Spiel, im Gastronomiebereich des Olympiastadions, auf der Siegesfeier, im Hotel. Fehlte nur noch, dass sie sich zwischen uns ins Bett legte, dachte ich mir.

Rudis Sekretärin hatte selbst mal erzählt, dass jede Frau, die Rudi kennenlernte, über ihren Schreibtisch muss und dass sie schon so einige, wie sie selbst betonte, „entsorgt“ hätte, wenn sie ihr nicht passten. Eigentlich hatte ich, bis zu diesem merkwürdigen Verhalten der Sekretärin in Berlin, das Gefühl, dass ich den Test bestanden hätte. Schließlich hatte sie sogar unsere Hochzeit vorbereitet. Was also geschah jetzt?

Am nächsten Morgen beim Frühstück stand der Pokal da. Was für ein Anblick. Was durfte ich da erleben. Rudi saß mit Peter Peters am Tisch, hielt den Pokal in der Hand und strahlte. Mir wurde der Pokal in die Hand gedrückt und es wurde ein Foto gemacht. Ich war überwältigt. Aber das sollte nicht das größte Erlebnis mit dem DFB-Pokal sein. Später auf der Rückfahrt im Zug war auch die Mannschaft dabei.

Die meisten hatten den großen Erfolg über Nacht durchgefeiert. Auch Manuel Neuer. Manuel kam mit dem Pokal zu Rudi ins Abteil und die beiden nahmen einen Schluck aus diesem Pott. Ich war glücklich Rudi wieder mittendrin und glücklich zu erleben.

Manuel schüttete sein Bier in den Pokal und sagte zu mir: „Trink!“. Ich sagte verlegen, dass ich keinen Alkohol trinken würde und er meinte: „Jetzt schon.“ So kam es, dass ich aus dem DFB-Pokal trank. Ich kann es bis heute nicht fassen. Es ist für mich ein so unfassbar schönes Erlebnis, für dass ich Manuel ewig dankbar sein werde.

Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass sich auf Schalke bis heute an die tollen Momente erinnert wird, bei denen Rudi und Schalke 04 in Frieden vereint den DFB-Pokal im Mai 2011 nach Hause holten.

Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer

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