Читать книгу Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer - Britta Assauer - Страница 8
ОглавлениеKapitel 4
Die schönen Erinnerungen sollten uns noch eine ganze Weile begleiten, auch wenn die Reise für Rudi körperlich sehr anstrengend war. Zurück zuhause hatte er alle Zeit, sich auszuruhen und neue Kraft zu sammeln.
Wir hatten meine Eltern schon so oft in Wegberg und Mönchengladbach besucht, dass es nun an der Zeit war, dass meine Familie zu uns nach Gelsenkirchen kam.
Rudi und meine Mutter verstanden sich bestens, auch wenn meine Mutter am Anfang doch Bedenken hatte, als ich Rudi kennengelernt hatte. Sie kannte ihn ja nur aus den Medien und hatte die Meinung, die alle hatten - Rudi ist ein arroganter Macho.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter sich zig-mal bei Rudi entschuldigte, für das, was sie jahrelang über ihn gedacht hatte. Sie stellte schnell fest, dass Rudi Assauer so herrlich offen, unkompliziert und lustig war.
Beim ersten Besuch meiner Schwester und meiner Mutter, war meine Mutter sehr begeistert von der nahezu spärlichen Einrichtung in unserem Haus. Rudi sagte zu ihr: „Seit Britta im Haus ist, wird es immer schöner. Es ist nicht mehr alles so voll und so bunt. Aber was jetzt noch da ist, ist von Britta.“ Meine Mutter hakte nach und fragte, wo denn die vorherige Ausstattung abgeblieben sei und die beiden verschwanden zu ihrem Rundgang durch das Haus. Später erzählte sie, dass Rudi ihr erklärt hatte, dass er den Billardtisch und den alten Ofen selbst an Freunde verschenkt hätte und, dass sich ansonsten recht viele an der Einrichtung bedient hätten. Verwandte und Freunde der Sekretärin und auch die Putzfrau hätten so einiges abgeholt.
An die Szenen, wenn wieder mal ein Lieferwagen vor der Türe stand, erinnere ich mich immer mit schwerem Herzen, denn für Rudi war das bizarr und verwirrend.
„Wer hat veranlasst, dass meine Hütte ausgeräumt wird.“, hatte er jedes Mal gefragt, wenn wieder Sachen aus dem Haus getragen wurden. Mir blieb immer nur zu sagen, dass eine Person in seinem Leben veranlasst und bestimmt und das war seine Sekretärin. „Ich hau die Dicke jetzt weg.“ sagte er dann wütend. Beim letzten Abtransport sagte er: „Ich muss sehen, dass noch was für dich übrigbleibt, sonst sitzt du auf dem Fußboden. Es reicht jetzt. Was jetzt noch hier drin ist, ist von dir.“
Ein Satz, den Rudi auch meiner Mutter beim Hausrundgang wiederholt hatte, wie ich später erfuhr.
Mehrere Räumen waren mittlerweile leergeräumt und auf diese Weise hatte meine Wohnungseinrichtung, die ich aus Freiburg mitgebracht hatte, Platz gefunden.
Bei den Besuchen meiner Familie präsentierte Rudi ihnen nach und nach sein Gelsenkirchen und selbstverständlich stolz sein zweites Wohnzimmer, die Veltins-Arena. „Das habe ich gebaut“ sagte er immer stolz. Wir saßen oft und lange im Café auf dem Schalke-Gelände und Rudi erzählte die tollsten Geschichten. Mir gefiel besonders, wenn er davon erzählte, wie sie beim Rohbau der Arena mit einem Schlauchboot durch die riesige Regenrinne gepaddelt waren. Typisch Rudi, immer einen Spaß auf Lager.
Wir gingen in seinen Lieblingsrestaurants essen und im Schloss Berge Park spazieren. Wenn wir bei meinen Eltern waren, saß er gerne im Garten. Wir sind nun mal eine ganz normale Familie und in dieser Familie fühlte sich Rudi immer sehr wohl.
Wenn wir mit meiner Familie unterwegs waren, hatte meine Mutter immer Wert daraufgelegt, dass sie die Café- und Restaurantrechnungen bezahlte. Für nichts in der Welt, wollte sie Rudi das Gefühl geben, dass es aus unserer Familie jemand auf sein Geld abgesehen hatte.
Was meiner Mutter auffiel war, dass Rudi immer sofort nach mir fragte, wenn ich mal kurz nicht zu sehen war. Sie spricht noch oft über den Abend, als Rudi bei ihr geblieben war, weil ich zu einem Klassentreffen eingeladen war. Er war nervös und kaum zu beruhigen, weil er panische Angst hatte, dass ich nicht wieder kommen könnte. Selbstverständlich blieb ich nicht lange weg, denn solche Situationen machten uns deutlich, dass seine Alzheimer-Erkrankung seinen Lauf nahm. In Sekundenschnelle entspannte er sich, wenn er mich wieder vor Augen hatte. Ich war sein sicherer Halt!
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass es immer leicht war, Rudi diesen Halt zu geben. Besonders in der Öffentlichkeit kam alles auf mich an. Ich musste stets hellwach sein, um Rudi zu beschützen. Ich musste auf alles und auf jeden achten und immer zur Stelle sein, damit niemand Verdacht schöpfte, dass Rudi Alzheimer hatte.
Unsere Tribünen-Nachbarn in der Veltins-Arena hatten eine Ahnung und unterstützten uns. So konnten wir relativ problemlos die Heimspiele von Schalke erleben.
Die Fahrt zur Hochzeit einer lieben Freundin in Freiburg genoss Rudi sichtlich, hatte er doch an Freiburg schöne Erinnerungen aus seiner Managerzeit auf Schalke. Auf der Hochzeitsfeier waren alle so begeistert, dass Rudi Assauer da war, dass niemand auf den Gedanken kam, dass Rudi erkrankt sein könnte. Im Dreisamstadion erzählte Rudi, wie er Levan Kobiashvili an einem Sonntag persönlich abgeholt hatte, nachdem er ihn für Schalke 04 verpflichtet hatte. Wir trafen uns noch mit meinen Freundinnen Rita und Sandra und dann war das schöne Wochenende in Freiburg auch schon wieder vorbei und wir fuhren zurück nach Gelsenkirchen.
In Gelsenkirchen wurde es immer schwieriger für Rudi Termine zu buchen.
Wenn wir eingeladen waren und ich neben ihm sein konnte, war alles in Ordnung. Aber die Fußball-Talks gemeinsam mit Werner Hansch ließ Rudis Alzheimer-Erkrankung nicht mehr zu. Ich erinnere mich an den letzten Termin bei einer großen Immobilienfirma. Werner Hansch moderierte den Fußball-Talk und an Rudi Assauer konnte man Fragen rund um sein Fußballleben stellen. Rudi war nicht in der Lage auf die Fragen zu antworten. Ich saß im Publikum und weinte. Ich konnte es nicht ertragen, meinen Mann so zu sehen. Wie musste er erst leiden, wo alle Augen auf ihn gerichtet waren? Irgendwie gelang es, die Aufmerksamkeit von Rudi wegzubekommen und wir machten uns schnellsten auf den Weg nach Hause.
Später entschuldigte sich der Veranstalter bei uns und bis heute stehen wir in Kontakt. Woher sollte er damals wissen, was mit Rudi los war?
Rudis Sekretärin wusste aber, was mit Rudi los war. Wie konnte sie solche Termine für ihn noch betätigen? Musste Rudi weiterhin für Gagen sorgen, weil seine Steuerberater und Rechtsanwälte sein gesamtes Vermögen in Bauprojekte investiert hatten und liquide Mittel fehlten? Musste seine Sekretärin dafür sorgen, dass sie noch gebraucht wurde, um ihren Job zu sichern?
Der Stress setzte Rudi massiv zu und er zeigte erste Reaktionen, dass er nicht mehr ins Büro wollte. Der Stress setzte auch mir zu, denn Rudi war sehr unruhig, auch nachts. Ich bekam kaum Schlaf. Aber ich hielt durch.
In Absprache mit seinen Ärzten wurden Termin für sogenannte Erinnerungsgespräche
gemacht. Frühere Weggefährten saßen mit uns in der Klinik und es wurden alte Erlebnisse erzählt. An guten Tagen konnte Rudi selbst viel dazu beitragen. An schlechten Tagen hörte er nur zu.
Aber am liebsten war Rudi zuhause. Zuhause war ein sicherer Ort oder doch nicht?
Wenn Rudi realisierte, dass sein Haus zum Verkauf stand, saß er auf dem Sofa und weinte. Er fragte mich, warum er sein Haus verkaufen müssen, er wäre doch krank, wo solle er hin? Da ich mit den Finanzen und Geschäften nichts zu tun hatte, konnte ich nur auf seine Sekretärin, seinen Steuerberater und seinen Rechtsanwalt verweisen. Rudis Reaktion ließ mich stutzen, denn er sagte: „Die sind alle nicht koscher, aber mit mir trauen die sich das nicht.“ Gleichzeitig bat er mich, dass ich bei seinen sogenannten Beratern mal nachfragen sollte. Er sah sich solchen Diskussion gegenüber nicht mehr gewachsen. Rudi verließ sich auf mich. Er zögerte nie zu sagen: „Dir kann ich vertrauen. Du erzählst mir alles.“ und gleichzeitig meinte er: „Du musst bei mir bleiben. Du darfst mich nicht alleine lassen.“ Ich nahm ihn in den Arm und beruhigte ihn. Niemals hätte ich ihn alleine gelassen!
Ich wurde ein wenig misstrauisch, Rudis Beratern gegenüber. Sie nannten sich seine Freunde und brachten ihn in eine solche Situation? Ich hakte nach und plötzlich kippte die Stimmung gegen mich, von Freundlichkeit war keine Spur mehr. Um Rudi erstmal zu besänftigen, wurde ihm eine Vermögensaufstellung angefertigt. Er sah unterm Strich ein Reinvermögen von knapp 2,3 Millionen Euro und hörte auf Fragen zu stellen. Doch weiterhin sollte Rudi seinem Steuerberater Blanco-Schecks unterschreiben, womit der Steuerberater Bargeld für Rudi abhob, dass er ihm wie Taschengeld nach und nach auszahlte.
Wie schon erwähnt, blieben Honorare aus. Nicht nur für Rudi. Der Fußballtalk mit Werner Hansch fiel weg und damit auch die Honorare für Werner Hansch. So kam es eines morgens im Büro zu einem für Rudi folgenschweren Anruf von Werner Hansch.
Rudis Sekretärin nahm das Gespräch an und zog unvermittelt eine Schublade an ihrem Schreibtisch auf. Wir hörten sie sagen, dass man ja dann direkt auch das Buch vermarkten könnte. Rudi war mit seiner Zigarre beschäftigt und ich verstand gar nichts mehr.
Später erfuhren Rudi und ich, dass Werner Hansch einen Termin beim ZDF gehabt hatte und von einer Redakteurin auf Rudi angesprochen worden war. Die Redakteurin hatte Werner darüber informiert, dass in Medienkreisen gemunkelt würde, dass mit Rudi Assauer irgendetwas nicht stimmte. Die Redakteurin hätte vorgeschlagen, eine Reportage zu machen, falls Rudi über seine Erkrankung sprechen wolle. Diese Anfrage hatte Werner Hansch an Rudis Sekretärin weitergegeben, worauf sie die Schublade mit der Buchanfrage aufriss.
Rudi wurde überhaupt nicht gefragt. Was geht denn hier ab, dachte ich mir. Hat der „Chef“ in seinem eigenen Büro nichts zu sagen? Für Rudi war es das Schlimmste krank zu sein und dann auch noch mit Alzheimer-Demenz. Jetzt sollte das Ganze in die Öffentlichkeit? Die Menschen sollten den großen Macher so hilflos zu sehen bekommen? Rudi wollte das nicht. Zuhause zitterte er vor Angst. „Mach was dagegen.“ flehte er mich an. Aber die Vermarktungsmaschinerie war schon in Gang gesetzt. Seine Sekretärin machte Termine mit dem Buchverlag und der ZDF-Redaktion. Niemand achtete auf Rudis Tagesform. Es wurde ein Drehplan mit einer Protagonistenliste erstellt. Drehorte sollten, neben unserem Zuhause, sein Büro, die Veltins-Arena, der Katzenbusch in Herten, wo Rudis Fußballanfänge lagen, und die Klinik sein. Als Protagonisten waren neben uns, Rudis Sekretärin, seine Zwillingsschwester, seine Ärzte und Werner Hansch vorgesehen. Seine Kinder schienen für die Redakteurin keine Rolle zu spielen. Bezeichnend ist aber in dieser Aufstellung, dass Rudis Ärzte der Redakteurin erklärt hatten, dass ich der „positive Verstärker“ für Rudi sei, was bedeutete, dass ich ihm guttat und dadurch die Krankheit nicht so schnell fortschritt.
Aber Rudi musste für die Vermarktung seiner Alzheimer-Demenz funktionieren. Ich musste funktionieren. Rudis Ärzte fragten, ob mich nicht jemand aus der Familie unterstützen könnte. Hilfe bekamen wir von meiner Familie, aber die war nicht in Gelsenkirchen. Und wieder kam im Büro das Gespräch auf Rudis uneheliche Tochter Betty. Rudi lehnte wütend ab. War es nicht besser, wenn Frieden zwischen Rudi und dieser Betty herrschte? Ein Stressfaktor weniger, dachte ich und versuchte zu vermitteln. Keine Chance. Rudi bat sogar meine Mutter um Unterstützung. Er sagte zu ihr: „Britta soll die Betty aus dem Haus lassen. Die baut nur Scheiße und ich kann das wieder bezahlen.“
Rudis uneheliche Tochter Betty begegnete uns immer öfter. So viel Zufälle konnte es nicht geben. Der ganze Stress rund um Buch, Reportage und Kliniktermine hinterließen bei Rudi deutliche Spuren. Ich glaube irgendwann hatte er keine Kraft mehr, sich gegen den Anblick seiner unehelichen Tochter zu wehren.
Warum sollte ich eingreifen, wenn Familie wieder zusammenfindet, dachte ich mir.
Außerdem hatte ich selbst erfahren, wie es ist, wenn sich eine Tochter nicht mehr rechtzeitig mit ihrem Vater versöhnen kann. Mein Stiefvater hatte sich entschieden sein Leben zu beenden. Im Beisein meiner Mutter hat er sich erschossen. Ich muss sicher nicht erklären, wie unfassbar schrecklich dieses Ereignis für meine Mutter, meine Schwester und mich war. Besonders tragisch war, dass eine Tochter meines Stiefvaters es nicht geschafft hatte, einen Streit rechtzeitig beizulegen und musste damit leben lernen.
Rudi und ich ließen Betty also rein. Natürlich glaubten wir, dass wir ihr trauen konnten. Schließlich war ihr Vater unheilbar krank. Wir versuchten einen normalen Umgang und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass Betty eigentlich ganz nett ist. Wir nahmen sie sogar mit zu Besuchen bei meiner Mutter. Es kam mir alles harmonisch vor. Bis wir Rudis uneheliche Tochter während eines Besuchs bei meiner Familie sagen hörten: „Wenn das Buch von Papa rauskommt, dann komme ich auch endlich ganz groß raus. Dann weiß endlich jeder, wer ich bin und alle kriege eins in die Fresse.“
Die Situation wurde irgendwie befremdlich. Ich kam mir vor, wie von Rudis unehelicher Tochter entmündigt. Ich hatte in der Veltins-Arena Rudi Assauer mit Peter Neururer versöhnt, was Peter kaum fassen konnte und was für Rudi weiteren Frieden darstellte. Allerdings wurde ich dafür massiv attackiert. Rudi wechselte sein Rasierwasser und auch dafür wurde ich verbal aggressiv angegriffen. Durfte der große Rudi Assauer nicht selbst entscheiden mit wem er sprach und wonach er duften wollte. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Meiner Mutter hatte immer das Gefühl, als wäre man Gast im eigenen Haus, wenn Betty sich breit machte.
So fühlte es sich auch bei der Erstellung von Rudis Buch an. Er sprach kaum selbst.
Für die Drehtage riss er sich zwar zusammen, doch war deutlich zu spüren, dass er den ganzen Firlefanz um seine Alzheimer-Erkrankung ablehnte. Rudi war der Meinung gewesen, dass er einmal sagt, dass er krank ist und dann alle darüber schreiben könnten. Auf diese Weise hätte er in drei Tagen wieder seine Ruhe.
Stattdessen wurden ihm durch seine Sekretärin Termine verpasst, ohne zu fragen, ob es ihm dafür gut genug ging. Rudi war Profi und sammelte all seine Kraft zusammen. Zum Drehtag in der Veltins-Arena war plötzlich auch seine uneheliche Tochter Betty anwesend.
Rudi sollte durch den Spielertunnel auf die Rasenfläche. Zitternd sagte er zu mir: „Da darf ich doch nicht mehr hin.“ Ich beruhigte ihn und erklärte ihm, dass er in der Arena wieder überall hindürfe. Ich kann nicht sagen, was in ihm vorgegangen ist, als er diesen Weg nahm. Er hatte auch kaum Zeit darüber nachzudenken, denn die nächste „Regieanweisung“ folgte bereits. Rudi sollte allein aufs Spielfeld - zum Mittelpunkt.
Vielleicht schöne Ideen einer Redakteurin, aber Rudi hatte Alzheimer. Ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendjemand darauf Rücksicht nahm. Er wurde auf frühere Ereignisse rund um Schalke und Fußball angesprochen und wenn ihm die passenden Antworten nicht einfiel, schaute er hilfesuchend zu mir. Aber alle meine Sorge und Einwände blieben bei der Produktion der ZDF-Doku komplett ignoriert.
Als wir an den Logen vorbeikamen, wurde es zu viel. Er fragte mich, wer denn veranlasst hätte, dass er mit der Kamera verfolgt würde. Ich konnte nur auf seine Sekretärin hinweisen, die alle Termine verhandelte und uns lediglich zur Kenntnisnahme mitteilte. „Jetzt haue ich die Dicke endgültig weg.“ hörte ich Rudi wütend sagen. „Wenn die Leute mich so krank im Fernsehen sehen, lachen die wieder alle über mich.“ äußerte er seine Ängste. Ich stand da und sah in fassungslos an. Ich kämpfte mit den Tränen und musste gleichzeitig für Rudi stark bleiben.
Er konnte diese ganzen Drehszenen nicht wirklich verarbeiten und war völlig irritiert.
Mir brach es das Herz, ihn so leiden zu sehen. Was ich auch versuchte, es gab keine Gnade für Rudi und es wurden weiterhin Termine zwischen Sekretärin und ZDF-Redaktion vereinbart.
Mir gegenüber stieg regelrecht der Hass auf, weil ich alles versuchte, um Rudi den ganzen Stress zu ersparen. Zu groß war meine Angst, dass der Druck einen weiteren Demenzschub bei ihm auslösen könnte. Rudi war zuhause völlig verwirrt. Er konnte zwischen den aktuellen Drehszenen und alten Erinnerungen rund um sein Fußballleben und Schalke 04 nicht mehr unterscheiden. Er saß nachts um halb 4 im Anzug und mit Aktentasche im Wohnzimmer und fragte, wann ihn der Fahrer denn abholen käme. Oder er sah Menschen im Garten auf dem Rasen laufen und tanzen, obwohl niemand da war. Mein Mann wurde mehr und mehr in die Alzheimer-Demenz getrieben, weil es Menschen gab, die sich mit einer Fernseh-Dokumentation profilieren wollten. Mein Mann brauchte und – vor allem – wollte das nicht. Ich konnte regelrecht seine Angst sehen und spüren und wollte der ganzen Show einen Riegel vorschieben. So kam es, dass ich bei den Terminabsprachen immer mehr und mehr ausgegrenzt wurde. Rudi wurde ohnehin nicht gefragt. Mir wird heute noch schlecht, wenn ich daran denke, dass diese Dokumentation als sein Engagement und sein Wille „verkauft“ wurde. Durch diesen permanenten Stress fehlte meinem Mann jede Energie. Das Einzige, was er wollte war seine Ruhe! Doch meine Hilferufe wurden ignoriert!
Neben dem aufkommenden Hass gegen mich wurden zu dem Zeitpunkt bereits Gerüchte über mich in Gelsenkirchen verbreitet. Es wurde behauptet, dass ich psychisch überfordert sei. Das war natürlich großer Blödsinn. In meiner Verzweiflung vertraute ich mich Rudis Ärzten an. Beim nächsten Termin in der Klinik rieten die Ärzte Rudi, dass er sein Büro schließen solle. Sie sagten ihm, dass er krank sei und nichts als Ruhe brauche. Ein Büro bräuchte er nicht mehr und auch keine Sekretärin. Aus dem plötzlich gesteigerten Hass gegen mich, zogen sie den Verdacht der Eifersucht von Rudis Sekretärin. Die Ärzte meinten sogar, dass die Sekretärin alles versuchen könnte, um mich, die Ehefrau, loszuwerden. Wenn sie sich ihr halbes Leben lang über Rudi Assauer identifiziert hätte, würde sie nicht ertragen können, dass sie in seinem Leben keine Rolle mehr spielte. Rudi sollte seine Sekretärin am besten kündigen und sich in sein Privatleben zurückziehen.
Alles was zählte war Rudis Gesundheitszustand. Doch kündigte er seiner Sekretärin nicht. „Was glaubst Du, was dann los ist?“, fragte er mich. Ich hatte den Eindruck, als hätte er regelrecht Angst vor seiner Sekretärin. Den Mut sie zu kündigen fand er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.