Читать книгу Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer - Britta Assauer - Страница 9
ОглавлениеKapitel 5
Ein fester Termin in Rudis Kalender war seit Jahren die UNESCO-Gala. Für das Engagement von Ute Ohoven war er immer gerne bereit gewesen, der Einladung zu folgen. Im Oktober 2011 war es wieder so weit. Die Einladung zur UNESCO-Gala für Rudi und mich traf im Büro ein, aber was sollten wir tun? Rudi hatte Alzheimer, aber niemand wusste davon. Sollten wir daheimbleiben und Spekulationen freien Lauf lassen oder sollten wir die Einladung annehmen? Rudi entschied sich dafür die Einladung anzunehmen. Irgendwie würden wir schon hinbekommen, dass seine Alzheimer-Demenz nicht auffliegen würde. „Ute rechnet mit mir.“, sagte er. Selbst hier zeigte sich mal wieder, welch treue Seele er war. Er ließ sogar das Heimspiel von Schalke 04 dafür sausen.
An dem Nachmittag erhielten wir einen Anruf vom Sohn des Steuerberaters mit der Frage, wo wir denn bleiben würden. Alle wären schon in der Arena und man würde auf uns warten. Eigentlich gab es keinen Grund für diesen Anruf, denn es stand seit längerem fest, dass wir an dem Samstag zur UNESCO-Gala nach Düsseldorf fahren würden. Dennoch dachten wir nicht weiter über den merkwürdigen Anruf nach.
Als wir auf der UNESCO-Gala ankamen, mussten wir durch das Blitzlichtgewitter. Für einige Fotos blieben wir stehen, aber wir beeilten uns und hielten nicht für Fragen an. Der rote Teppich war geschafft, ohne dass Rudi in Bedrängnis gekommen war.
Trotzdem konnten wir nicht aufatmen, denn ihm wurde schlecht. Ich glaube, dass ihn das viele Aufflackern der Blitze an den Kameras irritiert hatte. Ich wollte nach Hause fahren, aber er wollte bleiben, damit keine Fragen entstehen. Ich versuchte das Personal zu bewegen, uns vorab in den Saal zu lassen, damit Rudi sich wenigstens setzen konnte. Leider ließ man uns nicht in den Saal. Rudi meinte, dass er das schon schaffen würde und wollte immer noch nicht nach Hause.
Am Tisch saßen wir u.a. gemeinsam mit Katja Burkhart. Rudi war ruhig und konzentriert. Ich war immer wachsam. Gegen Fotos hatte Rudi nichts einzuwenden, aber Interviews lehnte er ab. Wenn ich mal zur Toilette musste, sagte ich allen am Tisch Bescheid und dass ich gleich wieder zurück wäre. Ich wusste, dass Rudi fragen würde, wenn er mich nicht in Sichtweite hatte. Alles verlief ohne Komplikationen.
Gegen 1:00 Uhr fuhren wir nach Hause. Als wir dort ankamen, trauten wir unseren Augen nicht. Das ganze Haus war durchwühlt. Wir riefen die Polizei, die kurze Zeit später eintraf. Mit dem Kripobeamten gingen wir durch das ganze Haus und dabei fiel auf, dass dem Raubzug nur Stücke meines Eigentums zum Opfer gefallen waren. Mein Laptop war weg, aber Rudis Mont Blanc Stift lag noch da, mein Portemonnaie war weg und mein Handy. Dokumente und Unterlagen aus meinem Schreibtisch waren ebenfalls verschwunden. Der Kripobeamte war verwundert und sagte: „Wer bricht denn in die Villa von Rudi Assauer ein und entwendet nur Dinge seiner Ehefrau?“ Zudem stellte er fest, dass es keinerlei Einbruchspuren gab und so äußerte er den Verdacht, dass sich jemand mit einem Schlüssel Zutritt zum Haus verschafft hatte. Rudi hatte dem Kripobeamten einen klaren Verdacht und meinte: „Das traue ich der Dicken zu.“ Dem Kripobeamten erklärte er noch die näheren Umstände zu seinem Verdacht und der Kripobeamte wunderte sich, dass Rudi bei solchen Gedanken diese Person überhaupt beschäftigte. Als wir wieder allein im Chaos waren, habe ich alle „Tatorte“ mit Fotoaufnahmen belegt und dem Kripobeamten ins Präsidium gebracht. Er hatte schon viel in seiner Laufbahn erlebt, aber dass in Rudis Haus eingebrochen worden war, um dem Anschein nach mich zu schädigen, hielt er für eine persönliche Attacke. Er fragte mich, ob ich jemandem aus Rudis Umfeld auf die Füße getreten war.
In diesem Zeitraum erhielt ich anonym eine Voodoo-Puppe per Post. Die Voodoo-Puppe war mit einer Nadel im Herzbereich und einer Nadel im Unterleib versehen.
Auch das brachten wir zur Anzeige. Von dem Polizeibeamten, der die Anzeige aufnahm, bekam ich den Hinweis, dass die Kordel, die diese Figur um den Hals hatte, eine eindeutige Drohung sei und er fragte mich, ob ich jemandem im Weg stehen würde.
Rudi verließ sich auf mich. Ich musste für uns beide Kraft aufbringen. Ich war 24/7 mit Rudi alleine und er musste miterleben, wie ich tyrannisiert wurde. Er nahm mich in den Arm und sagte, dass er alle weghauen würde. Meiner Mutter sagte er, dass sie sich keine Sorgen machen solle, denn solange ich bei ihm wäre, würde er dafür sorgen, dass mir nichts passiert.
Meinem Mann setzte der Stress und die Angst aus Buchproduktion, Drehterminen für die ZDF-Dokumentation und nun auch noch den vermehrten Anfeindungen gegen mich unendlich zu. Er saß weinend auf seinem Sofa und fühlte sich hilflos, dass er mich nicht beschützen konnte. Noch heute fühle ich diese unzerstörbare innere Nähe zwischen uns beiden.
Ich erhielt auch eine Postkarte aus Freiburg mit dem Text: Es grüßt Dich Deine Vergangenheit. Unterschrieben waren diese Zeilen von Sabine und Bettina. Da es aber nichts, rein gar nichts gab, was mich aus meinen schönen Jahren in meinem geliebten Freiburg verunsichern konnte, legte ich diese Karte beiseite.
Für Rudi aber war klar, wer hinter diesem, wie wir meinten, Psychoterror, steckte und jetzt war er sich sicher, dass er richtig lag mit seinem Verdacht zum Einbruch am Tag der UNESCO-Gala. Nur beweisen konnten wir das nicht.
Es stand der nächste Termin in der Klinik an und dort vertraute sich Rudi seinen Ärzten an. Auch sie bemerkten, dass Rudi unter der Situation litt, vor allem, weil Rudi mich nicht beschützen konnte. Die Ärzte rieten ihm, nun endlich die Sekretärin zu kündigen. Es wäre schon genug passiert.
Im Bürogebäude von Rudis Steuerberater waren auch einige Rechtsanwälte vertreten. Rudi ließ sich für die Kündigung des Arbeitsverhältnisse seiner Sekretärin beraten und das entsprechende Schreiben wurde aufgesetzt. Rudi unterschrieb. Danach schien er erleichtert zu sein, weil er auch dachte, dass endlich Ruhe einkehren würde.
Am folgenden Tag wollte er die Kündigung der Sekretärin überreichen, doch die war merkwürdiger Weise nicht im Büro. Rudi beschloss später, die Kündigung persönlich zuzustellen. Wir fuhren am 30.11.2011 zur Wohnung der Sekretärin in Gelsenkirchen-Bismarck. Zur Sicherheit hatte uns eine weitere Zeugin begleitet. Wir fragten Rudi mehrmals, ob er sich sicher wäre, seine Sekretärin zu kündigen und er sagte nur: „Ist die dann endlich weg.“ Da niemand auf unser Klingeln reagierte, warfen wir die Kündigung der Sekretärin in deren Briefkasten und dokumentierten das mit Fotoaufnahmen. Die anwesende Zeugin bestätigte mit ihrer Unterschrift die Zustellung der Kündigung um 13:10 Uhr. Es war vorbei. Wir informierten Rudis Ärzte und alle dachten erleichtert, dass nun Frieden und Ruhe für Rudi einkehren würde. Aber weit gefehlt.
Nur wenige Tage später erreichte uns ein Schreiben mit Datum 01.12.2011 aus einer Anwaltskanzlei aus Essen. Rudis Sekretärin ließ anwaltlich mitteilen, dass Rudi zu krank sein, um sie zu kündigen.
Wörtlich heißt es in diesem Schriftstück: „Wie Sie wissen, ist Ihr Ehemann nicht mehr in der Lage für sich allein rechtsgültige Erklärungen abzugeben. Die Kündigung ist daher bekanntlich unwirksam.“ Der Rechtsanwalt drohte mit einer Kündigungsschutzklage und einer einstweiligen Verfügung, die, so wörtlich, „unserer Mandantin mindestens das monatliche Gehalt sichert.“ und dass man sich „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen“ würde.
Rudi Assauer war schwer und unheilbar krank. Rudi Assauer kündigte ein Arbeitsverhältnis mit seiner Sekretärin. Was trieb diese Sekretärin dazu, Rudi quasi für entmündigt zu erklären? Wo blieb ihre Rücksicht für Rudi wegen seiner Alzheimer Erkrankung? Warum tat sie meinem Mann diesen Stress an?
Gleichzeitig erhielten meine Eltern einen Brief von Rudis Sekretärin, in dem diese mich verunglimpfte. Die Sekretärin ernannte sich quasi selbst zur Psychologin und maßte sich an, mir Merkmale wie z.B. Neurosen, Paranoia, Aufmerksamkeitsdefizit und Wahrnehmungsstörungen zu diagnostizieren. Wörtlich schrieb sie meinen Eltern: „Ihre Tochter ist eine Bedrohung für sich selbst und für andere Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung.“ Dieser Brief ist unterschrieben mit Sabine Söldner.
Zum Glück kannten uns die Menschen in Gelsenkirchen. Sie erlebten uns beim Einkaufen, beim Spaziergang und beim Fußball. Diese bösartigen Anschuldigungen, konnte niemand nachvollziehen.
Meine Mutter schickte eine Kopie dieses Briefes an den Sohn von Rudis Steuerberater, doch nichts geschah. Wir bekamen keine Hilfe, keine Unterstützung.
Im Gegenteil. Von Rudis jahrelangem Rechtsanwalt in der Overwegstraße erhielten wir ein Schreiben, dass wir uns nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen sollten. Insbesondere nicht bei Heimspielen in der Veltins-Arena. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Sportsender Sky womöglich Rudis Alzheimer-Demenz verbreiten wollte.
Rudis uneheliche Tochter stellte sich vermeintlich auf unsere Seite und es hatte den Anschein, dass sie uns unterstützte. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass eine Tochter, wenn auch unehelich, nichts Gutes mit ihrem Vater im Sinn hatte.
Sie versuchte zu diesem Zeitpunkt wieder einmal beruflich Fuß zu fassen und brauchte dafür plötzlich 100.000 €. Rudi wollte gar nicht wissen wofür, denn er hatte schon vor langem beschlossen, dass er ihr in einer solchen Situation nie wieder unter die Arme greifen würde. Das Geld brauchte sie für die Übernahme des Brauereihotels in Gladbeck, wie sie uns trotzdem erklärte, aber Rudi blieb stur. Mein Mann hatte schon so oft erzählt, dass er schon zig Mal versucht hatte, seiner unehelichen Tochter eine Existenz aufzubauen. Alle ihre Projekte waren wohl nach kurzer Zeit wieder gescheitert und sie wieder pleite.
Schon ihre Ausbildung muss ein reines Desaster gewesen sein. Aus einem Schreiben des Parkhotel Landhaus Syburg vom 18.12.1986 geht hervor, dass Rudis uneheliche Tochter von 250 Pflichtarbeitstagen insgesamt 118 Tage nicht erschienen ist und dies eine Fehlzeit von 47,2 % bedeute. Anscheinend zur Absicherung hatte Rudi seinerzeit eine Kopie dieses Briefes per Post erhalten.
Wenn diese ganzen Anfeindungen, die ich wie Attacken empfand, für mich schon nicht zu ertragen waren, wie sollte es Rudi damit gehen. Er saß weinend neben mir und hielt meine Hand. „Was machen die da? Was machen die mit Dir?“, fragte er wieder und wieder völlig hilflos. Es setzte ihm so zu, dass er nicht mehr schlief. Er war in ständiger Alarmbereitschaft, dass mir etwas zustoßen könnte. Rudis Ärzte schlugen uns vor Gelsenkirchen zu verlassen, weil das Haus ohnehin zum Verkauf stand. Wir überlegten, ob wir nicht nach Freiburg ziehen könnten. Dort waren liebe Menschen, die uns in jeder Situation geholfen hätten, ohne auch nur ein einziges Mal über ihren eigenen Nutzen nachzudenken.
Aber zu einem Umzug nach Freiburg sollte es nicht mehr kommen.