Читать книгу Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer - Britta Assauer - Страница 11

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Kapitel 7

Nach außen bekam erstmal niemand etwas mit. Rudi war nicht mehr zu sehen, nicht einmal bei den Heimspielen von Schalke 04 in der Veltins-Arena. Und mir hatte man in besagter Kanzlei eine Strafe von 250.000 € angedroht, sollte ich öffentlich den Mund aufmachen, bevor Rudis Buch und die ZDF-Dokumentation öffentlich waren.

Dennoch rief ich Gerd Sch. an, der sich sofort sicher war, dass das nicht auf Rudis Mist gewachsen ist. Außerdem hatte auch er meinen Mann und mich unzählige Male zusammen erlebt und wusste, dass Rudi bei mir in den besten Händen war. Nirgendwo, wo Rudi und ich privat gemeinsam waren, bin ich auf Feindseligkeit gestoßen. Alle mochten mich sehr und waren froh, dass Rudi angekommen war. Mein Mann und ich waren das Paradebeispiel dafür, dass man auch in höherem Alter noch seinen Seelenverwandten finden konnte.

Jetzt saß ich allein in einem 330-qm-Haus und musste funktionieren. Es gab nur ein Ziel. Rudi musste gerettet werden. Ich versuchte diese Kraft aufzubringen und fand sie in meinem Herzen, als würde mein Mann mir diese Kraft schicken. Ich spürte seine Nähe, obwohl er kilometerweit entfernt war. Und ich spürte sein Leid, denn ich wusste, dass er in einer Umgebung und unter Menschen war, von denen er selbst immer sehr ablehnend gesprochen hatte. Niemals konnte er sich da wohlfühlen. „Das Herz wird nicht dement“ lautet die Aussage eines Arztes, der Demenz-Patienten betreut. Das Herz wird nicht dement bedeutet, dass man unter schwindender Geistesfähigkeit immer noch fühlen kann, ob man einen Menschen zuvor mochte oder nicht.

Obwohl mir an den Kopf geknallt worden war, dass man sich gegenseitig bezeugen würde, dass man mich in der Kanzlei nicht unter Druck gesetzt hatte, stellte ich

Strafanzeige wegen Nötigung. Mein Glaube in unserer Rechtsstaat und in unsere Justiz war groß, denn mein Vater war Polizeibeamter gewesen und vertrat diese Rechtsordnung. Aber die Staatsanwaltschaft Essen machte mir schon zu dem Zeitpunkt deutlich, dass meine Ausführungen sie so gar nicht interessierten.

Nicht eine Sekunde meiner Schilderungen hatte ich mir ausgedacht, aber warum fand ich kein Gehör? Mangelte es mir an guten Kontakten zu Justiz und Polizei?

Ich erinnerte mich wieder daran, dass Rudi erzählt hatte, dass in Justizkreisen zu seiner Zeit als Gegenleistung für Logenkarten von Schalke 04 wohl Akten spurlos verschwanden, wenn rund um den Verein etwas vorgefallen war.

Überall im Haus war mein Mann zu spüren. Seine Kleidung hing im Schrank, alles stand an seinem Platz. Es sah aus, als sei er nur kurz weg und käme bald nach Hause. Aber ich wusste, in wessen Händen er war und mir war bewusst, dass die ihn nicht nach Hause lassen würden. Er fehlte mir. Ich versuchte mit seinem Schlaf-Shirt einzuschlafen, doch ich konnte nicht aufhören zu weinen. Tagelang, nächtelang, wochenlang. Meine Augen schmerzten vor lauter Tränen.

Ich gab mir die Schuld, dass ich einen Moment nicht aufgepasst hatte, nicht auf meinen Mann aufgepasst hatte. Aber wie konnte ich ahnen, dass sein jahrelanges Umfeld zu solchen Handlungen fähig war.

Kurz nachdem mein Mann aus unserem Haus verschwunden war, versuchten sich seine Sekretärin und seine uneheliche Tochter Zugang zum Haus zu verschaffen. Aus Angst hatte ich die Schlösser tauschen lassen und so klingelte es an der Haustüre. Ich konnte auf dem Monitor sehen, dass Rudis Sekretärin und Rudis uneheliche Tochter vor der Türe standen. Ich hatte Angst vor den Damen und öffnete nicht. Ich wurde aufgefordert Rudis Kleidung herauszugeben, doch ich weigerte mich. Ich sagte unmissverständlich, dass Rudi mir selbst sagen sollte, dass er sich trennen will, dann würde ich ohne ein Wort aus seinem Leben verschwinden. Nichts, aber auch rein gar nichts und schon gar nicht der letzte Kuss auf die Stirn, hatte darauf hingedeutet, dass Rudi mich nicht mehr wollte. Andere Menschen aus Rudis Umfeld wollten mich nicht mehr, dass hatte ich begriffen, doch wurden wir wirklich auseinandergerissen, um Macht und Kontrolle über Rudi zurückzubekommen?

Gewiss kann sich das an dieser Stelle noch niemand vorstellen, aber ich bin mir sicher, dass am Ende der Geschichte alle vor Entsetzen starr sein werden.

Rudi und ich durften uns weiterhin nicht sehen. Mein Mann hat mir nie gesagt, dass er sich trennen will. Nie!!! Warum auch? Wir waren Topf und Deckel, Arsch auf Eimer und der sichere Hafen füreinander. Es gab nicht einen Lebensbereich, bei dem wir nicht zusammengepasst hätten. Und so wehrte ich mich weiterhin gegen die Versuche aus Rudis Umfeld mich zu vertreiben.

Das Haus stand zwar zum Verkauf, aber noch war es Rudis gewohntes Zuhause. Auch das schien Rudis Umfeld nicht zu interessieren, denn der Verkauf wurde vorangetrieben, aber ich verteidigte Rudis Hab und Gut. Dann wurde ich über einen Termin informiert, bei dem Bankvertreter und ein Immobilienmakler angeblich den Wert des Hauses ermitteln wollten. Auf keinen Fall durfte ich diesen Termin alleine wahrnehmen und bat meine Eltern, als Zeugen dabei zu sein.

Als die Entourage vor der Haustüre stand und ich öffnete, stellte meine Mutter die uneheliche Tochter von Rudi zur Rede. Meine Mutter fragte die uneheliche Tochter, ob sie noch in den Spiegel schauen könnte, beim dem was sie angerichtet hatte. „Das ist noch nicht alles. Zieht Euch warm an.“, bekam meine Mutter ins Gesicht gebrüllt. Was stand da für eine Person vor uns? Die hatte so gar nichts von Rudi Assauer, dachten wir uns. Nie im Leben würde Rudi so mit Menschen umgehen.

Nicht mit seiner Ehefrau, nicht mit meinen Eltern, mit Niemandem.

Rudi selbst war nie zu sehen, Rudi selbst sprach kein Wort und trotzdem wurde von seinem Umfeld immer und immer wieder erzählt, dass alles nach seinem Wunsch ginge. Ich konnte nicht ertragen, was für einen grausamen Menschen die aus meinem Mann machten. Wann hatte Rudi Assauer jemals ein solch gruseliges Handeln an den Tag gelegt? Nie!

Dass Rudi mit all dem Geschehen nichts zu tun hatte, wurde immer klarer und der Immobilienmakler erklärte meiner Mutter, dass sie die uneheliche Tochter doch verstehen müsse, weil diese jetzt endlich ihren Vater für sich hätte. Meiner Mutter stand das Entsetzen im Gesicht geschrieben. Ging es hier um verletzte Eitelkeiten und gar nicht um Rudis Wohl?

Einer der Teilnehmer dieses Termins war ein Angestellter der Steuerberater-Kanzlei von Rudis Steuerberater. Dieser Angestellte war sich sicher, dass das, was passierte nicht Rudis Handschrift war, sondern das alles nach Methode von Rudis Rechtsanwalt aussah und der hätte guten Einfluss auf die Gerichte.

Meine Mutter weinte und fragte sich, in welches Haifischbecken ich da hineingeraten war.

Und dann geschah Anfang Februar das Unfassbare! Ich bekam einen Hinweis, dass ich mir die Bildzeitung holen sollte. Ich fuhr zur Tankstelle und ehe ich die Bildzeitung überhaupt erblickte, fragte mich der Tankstellenpächter: „Was macht Rudi bei der Schwatten? Mit der wollte er doch nichts zu tun haben. Hol den da weg.“ Offensichtlich war stadtbekannt, dass Rudi nicht zu seiner unehelichen Tochter stand…

Dann sah ich die Schlagzeile in der Bildzeitung. Es kam mir vor wie ein Rundumschlag. Nicht nur Rudis Alzheimer-Erkrankung wurde wie eine Bombe platzen gelassen, sondern auch noch die Behauptung, dass die Ehe daran zerbrochen wäre. Gleichzeitig wurden Buch und ZDF-Doku vermarktet.

Um mich von Beginn an zu diskreditieren, wurde ich mit einem falschen Nachnamen betitelt und es wurde behauptet, dass ich psychisch überfordert gewesen wäre, weil ich selber psychische Probleme hätte. Ich erinnerte mich an den Brief von Rudis Sekretärin an meine Eltern, in dem ich auf die gleiche Art verleumdet worden war.

Ich stand starr da und weinte. Der Tankstellenpächter erkannte sofort, welche Qual ich ausstand und ich erzählte ihm was passiert war. Mit diesen Schlagzeilen war

meine Schweigepflicht ja vorbei. Der Tankstellenpächter war fassungslos und forderte mich erneut auf, Rudi da rauszuholen.

Jetzt durfte ich meinen Mund aufmachen und ich würde alles daransetzen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Die Menschen mussten wissen, was mit Rudi und mir geschehen war, dass unsere Ehe weder an der Krankheit noch überhaupt gescheitert war. Die Wahrheit ist doch alles, was zählt, war ich mir sicher. Und Journalisten würden doch die Wahrheit schreiben. Die sind doch verpflichtet, die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren, sagte ich zu meiner Familie und meinen Freunden.

Aber mir sollte schnell klar werden, dass ich im Umgang mit diesen Medien völlig unerfahren war und mit meinem guten Glauben in den Sog eines Pressestrudels geriet.

Am darauffolgenden Tag legte die Bildzeitung nach und ich traute mich nicht mehr aus dem Haus. Ich saß total gedemütigt zuhause und hatte gleichzeitig wahnsinnige Angst um meinen Mann. Ich stand immer noch unter Schock, weil er aus dem Haus geholt worden war und vermisste ihn so sehr. Er fehlte mir und ich wünschte, dass er mit einem Schlag gesund sein würde, denn dann würde die Welt sehen, was die Wahrheit ist. Er würde allen, wie er immer sagte, in den Arsch treten.

Für den Abend war die ZDF-Dokumentation angekündigt, doch ich schaffte es nicht, mir diese anzusehen. Ich war mir sicher, dass ich Bilder von meinem Mann in Herten sehen würde, bei dem sein Unmut, ja, sogar seine Angst, deutlich in seinen Augen zu sehen sein würden.

Öffentlich schien der erste Schreck über Rudis Alzheimer-Erkrankung verarbeitet worden zu sein, denn jetzt stand ich im Fokus. Weil ich den ganzen Presseanfragen nicht gewachsen war, verließ ich mich auf wenige Journalisten, bei denen ich das Gefühl hatte, ihnen vertrauen zu können. Ich sollte es nicht bereuen, denn diese Journalisten blieben an meiner Seite im Kampf für die Wahrheit.

Nach der Ausstrahlung der ZDF-Dokumentation erreichten mich viele Anrufe von besorgten Menschen, die die Dokumentation angeschaut hatten. Es herrschte großes Entsetzen über Rudis Verhalten in dem Reihenhaus in Herten. Er würde vollkommen irritiert und verwirrt durch dieses Haus laufen, als wisse er nicht, wo er ist und bei wem er ist. Auf den Bildern von uns beiden würde er so glücklich aussehen und alles wäre hell und bunt. Aber auf den Bildern in diesem Haus in Herten würde er nur unglücklich aussehen und alles wäre dunkel und grau.

Rudi hätte in der ZDF-Doku nicht einmal gewusst, bei wem er da wohnte. Er hätte immer nur gesagt: „Bei der einen da.“

Es brach mir das Herz. Meine Gedanken schwirrten durch meinen Kopf.

Jetzt hatten es doch alle gesehen, dachte ich. Alle hatten sehen können, wie unglücklich mein Mann war und dass er nicht wusste bei wem er leben musste.

Wer sollte jetzt noch glauben, dass er sich das ausgesucht hatte und dass er das alles so wollte. Niemand würde das noch glauben, war ich mir sicher.

Jetzt hat das Theater ein Ende, jetzt kommt mein Mann nach Hause, dachte ich mir.

Tatort Assauer - Vom Fußballmanager zum Betreuungsopfer

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