Читать книгу Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten - C. M. Spoerri - Страница 10
Kapitel 2 - DAMARIS
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Es kommt mir wie ein Traum vor, als ich gähnend erwache und die Sonnenstrahlen betrachte, die sich langsam in den Pavillon schleichen. Noch immer liege ich auf den Kissen und Decken, welche Cilian hier ausgebreitet hat, ehe er mich verführte.
Der gestrige Abend war wunderschön. Zuerst wurde ich offiziell in den Greifenorden von Chakas aufgenommen und dann … Bei der Erinnerung, wie Cilian meinen Körper erkundete, stoße ich ein wohliges Stöhnen aus. Er hat mir gezeigt, was Liebe wirklich bedeutet, und ich kann es kaum erwarten, das zu wiederholen, was wir in der vergangenen Nacht getan haben.
Ich strecke mich wie eine Katze und drehe mich zur Seite, um Cilian anzusehen. Allerdings liegt er nicht neben mir, und auch als ich mich umsehe, kann ich ihn nirgendwo entdecken. Stirnrunzelnd setze ich mich auf, streiche mein zerzaustes Haar zurück und reibe mir die Augen.
Wie immer ist es hier in Chakas bereits morgens schon so warm, dass ich keine Kleider bräuchte, aber ich wickle das Laken, mit dem wir uns in der Nacht zugedeckt haben, um meinen Körper, da ich nicht weiß, ob wir auf den Klippen wirklich allein sind.
Als Cilian mich gestern Abend, nachdem die Aufnahmezeremonie im Greifenorden vorbei war, hergebracht hat, konnte ich zwar keine weiteren Häuser erkennen, aber es könnte durchaus sein, dass er irgendwelche Diener anwies, im Haus nach dem Rechten zu sehen oder für uns ein Frühstück vorzubereiten.
Mein Blick wandert über die Klippe zum Meer und da entdecke ich ihn. Eine einsame Gestalt, die seinem schwarzen Greif zusieht, welcher am Himmel seine Kreise zieht. Anscheinend ist Mondsichel auf der Jagd, denn immer mal wieder stößt er zu den Wellen hinunter, um Fische zu fangen.
Cilian trägt nur das weiße Untergewand seines Burnus und es weht schlackernd um seinen schlanken Körper. Wie er so am Rande der Felsen steht, die braunblonden Locken vom Wind verwuschelt, hat der Anblick beinahe etwas Poetisches.
Einen Moment lang betrachte ich ihn, versuche zu begreifen, dass dieser Mann nun zu mir gehört. Zu meinem Leben. Schmetterlinge breiten ihre Flügel in meinem Bauch aus, tanzen ihren Reigen. Er ist mir so nah wie noch kein Mann zuvor und ich hoffe, dass es für immer so bleibt.
Ja, ich habe mich in den Ordensleiter von Chakas verliebt. Und ich bete zu den Göttern, dass es ihm mit mir genauso geht.
Leise setze ich mich in Bewegung, gehe den schmalen Pfad entlang, der zu Cilian führt. Dicht hinter ihm bleibe ich stehen und strecke den Arm aus, berühre ihn sanft an der Schulter.
Er zuckt zusammen und dreht sich zu mir um. Für den Bruchteil einer Sekunde erkenne ich die Wehmut in seinen azurblauen Augen, die wohl bis eben noch seine Gedanken beherrscht hat, dann wischt ein warmes Lächeln diese Regung weg und er zieht mich an sich.
»Damaris«, murmelt er in mein Haar.
Es ist nur ein Wort, nur mein Name. Aber darin liegen so viel Liebe und Zuneigung, dass mein Herz sich weitet. Ich schlinge die Arme um ihn, drücke mich fest an ihn und spüre, wie er mich auf den Scheitel küsst.
Eine Weile bleiben wir so stehen, bevor er sich wieder von mir löst und mich gedankenversunken mustert. »Hast du gut geschlafen?«, fragt er leise. »Ich wollte dich nicht wecken, du sahst so friedlich aus.«
Ich nicke lächelnd. »Ich habe hervorragend geschlafen.« Dann lege ich den Kopf schief und sehe dunkle Schatten unter seinen Augen. »Du nicht?«
Er schließt kurz die Lider, atmet tief ein und aus. »Doch … aber die Nacht war etwas kurz.« Ein entschuldigendes Lächeln legt sich auf seine Lippen. »In solchen Momenten wird mir bewusst, dass ich nicht mehr der Jüngste bin.«
»Ach komm.« Ich stupse ihn mit dem Zeigefinger gegen die muskulöse Brust. »Du bist nicht alt, nur etwas eingerostet.«
Sein Lächeln wird breiter und seine Augen beginnen zu funkeln. »Eingerostet, ja?«
Ehe ich michs versehe, hat er mich gepackt und über seine Schulter geworfen. Ich stoße ein Quieken aus, das in Lachen endet, als ich merke, dass er mich zurück zum Pavillon trägt. Mit den Händen trommle ich auf seinen Rücken in einem halbherzigen Versuch, mich zu befreien, und wackle mit den Beinen in der Luft. Aber er setzt mich erst ab, als wir zurück bei den Kissen sind, und zieht gleichzeitig das Laken von meinem Körper, sodass ich wieder nackt vor ihm stehe.
Sein Blick wird dunkel, als er mich voller Begierde betrachtet, und ich schaudere wohlig unter seiner Musterung. Gestern noch war es mir unangenehm, mich nackt vor ihm zu zeigen, aber heute erscheint es mir das Natürlichste der Welt.
Ich schlinge die Arme um seinen Nacken und er gibt nach, als ich ihn nach unten auf die Kissen ziehe. Unsere Lippen verschmelzen zu einem hungrigen Kuss, ehe er beginnt, meinen Körper zu liebkosen.
Ich schließe seufzend die Augen, gebe mich seiner Zärtlichkeit hin. Von ihm begehrt zu werden, ist so schön. So wunderschön. Und ich würde alles dafür tun, dass es niemals aufhört.
Als wir verschwitzt nebeneinander im Pavillon liegen, streichelt er mein Gesicht, zeichnet mit dem Finger die Konturen nach.
»Damaris, egal was geschieht, ich möchte, dass du weißt, wie viel du mir bedeutest«, murmelt er, während er mich liebevoll betrachtet.
»Ich glaube, das hast du mir gerade gezeigt.« Ich grinse ihn an.
Er schüttelt den Kopf, sodass seine Locken wippen, und senkt den Blick. »Damaris, ich muss dir etwas sagen, es hat …«
»Cilian!« Der Ruf einer männlichen Stimme, die vom Haus zu uns herüberdringt, lässt uns beide zusammenfahren und gehetzt einander anstarren.
»Verdammt, wer …« Cilian setzt sich auf und verengt die Augen, um besser sehen zu können, wer sich uns nähert. »Bleib unten«, sagt er leise und ich gehorche ihm ohne Widerspruch, während er aufsteht und rasch sein Untergewand überstreift.
Auch wenn ich es am liebsten in die ganze Welt hinausschreien möchte, dass Cilian und ich zusammen sind, so respektiere ich, dass er es anscheinend langsamer angehen will.
Ich beobachte, wie er den Pavillon verlässt und dem Neuankömmling entgegengeht. Bald schon kann ich ihn nicht mehr sehen, also erhebe ich mich nun doch ein wenig, da ich neugierig bin, wer uns in dieser Abgeschiedenheit aufsucht. Ich muss die Augen verengen, um gegen das Sonnenlicht anzublinzeln, dennoch erkenne ich den jungen rothaarigen Greifenreiter, mit dem ich gestern Abend nach meiner Aufnahme in den Greifenorden von Chakas getanzt habe. Serge hieß er, wie mir jetzt wieder einfällt.
Was tut er hier?
Cilian hat ihn inzwischen erreicht und Serge erzählt ihm etwas. Dabei gestikuliert er wild, was Cilian dazu bringt, sich mit einer Hand an den Hinterkopf zu greifen. Er wirft einen Blick zum Pavillon, sieht daraufhin den Greifenreiter wieder an und nickt. Dieser nickt ebenfalls, ehe er seinen Greif herruft und sich auf dessen Rücken in die Luft erhebt.
Der besorgte Ausdruck auf Cilians Gesicht, als er zum Pavillon zurückkommt, gefällt mir gar nicht.
»Was ist los?«, frage ich, nachdem er wieder bei mir angekommen ist.
»Zieh dich an, wir müssen zurück«, sagt er kurz angebunden und sucht mein Kleid unter den Kissen hervor, das er mir zuwirft. Der Stoff ist zerknittert, aber das ist mir im Moment gleichgültig.
»Rede mit mir«, fordere ich, während ich versuche, die Stoffbahnen um meinen Leib zu schlingen.
Cilian tritt zu mir und hilft dabei – er scheint Übung darin zu haben, denn er hat das Kleid im Handumdrehen um meinen Körper drapiert. Eine Tatsache, die mir einen kleinen Stich verpasst und mich daran erinnert, dass er zwar der erste Mann in meinem Leben, ich aber definitiv nicht die erste Frau in seinem bin.
Wieso wird mein Herz gerade schwer?
Da Cilian immer noch nichts sagt, als ich angezogen bin, halte ich seine Hand fest und zwinge ihn, mich anzusehen. »Was ist los?«, wiederhole ich meine Worte von vorhin. Dieses Mal eindringlicher.
»Ich … erkläre es dir, sobald wir im Zirkel sind«, weicht er aus. Er kann mich dabei nicht ansehen, was mich noch misstrauischer werden lässt. »Hier ist nicht der richtige Ort dafür und wir müssen zurück.«
Bevor ich etwas entgegnen kann, stößt er einen schrillen Pfiff aus und im nächsten Moment landet Mondsichel neben uns. Cilian greift nach seinem Burnus, wirft ihn über und deutet dann auf seinen Greif.
»Bitte steig auf, Damaris«, sagt er in ruhigem Tonfall, der nicht zu seinem aufgewühlten Blick passen will.
Ich zögere, nicke dann aber. Wenn er mir nicht sagen will, was los ist, bringt es nichts, es aus ihm herauskitzeln zu wollen. Mit einem flauen Gefühl im Magen schwinge ich mich auf den schwarzen Greif und warte, bis Cilian sich hinter mich gesetzt hat.
Den ganzen Flug zurück überlege ich, was es sein könnte, das ihn derart beunruhigt hat. Was hat ihm Serge gesagt? Wieso brechen wir Hals über Kopf auf, um in den Zirkel zurückzukehren?
Doch meine Fragen werden immer noch nicht beantwortet, als wir auf dem Balkon meiner Gemächer landen. Nur am Rande fällt mir auf, dass meine Dienerin Auralie anscheinend die Blumen, welche Cilian mir gestern Abend als Geburtstagsgeschenk ins Zimmer stellte, wieder weggeräumt hat. Viel mehr ist mein Blick auf den Ordensleiter gerichtet, der sich gerade fahrig mit der Hand durch die Locken streicht und mir nicht in die Augen sehen kann.
»Damaris … Lass mich noch kurz etwas klären, dann komme ich zu dir und erzähl dir alles, in Ordnung?« Er sieht mich flehend an.
Ich nicke langsam, auch wenn ich diese Geheimniskrämerei kaum aushalte. Er drückt mir einen raschen Kuss auf den Mund, ehe er sich wieder auf Mondsichel schwingt und davonfliegt.
Das leise Knurren, das hinter mir erklingt, lässt mich zusammenschrecken, doch dann merke ich, dass es Schneeflocke ist, der auf dem Bett liegt, und entspanne mich. Nur um im nächsten Moment erneut zusammenzufahren, denn die Tür meines Zimmers wird kurzerhand aufgerissen, und als ich den Mann sehe, der dort im Türrahmen steht, wird das flaue Gefühl in meinem Magen zu einem regelrechten Krampfanfall.
Es liegt nicht an der Art, wie er mich ansieht. Ich kenne dieses düstere Funkeln inzwischen. Auch nicht daran, dass sein einst langes schwarzes Haar nun kurz geschnitten ist, was seine kantigen Züge noch stärker betont. Nein, es ist die Tatsache, dass er überhaupt da ist. Im Zirkel. Obwohl Cilian ihm verboten hat, diesen zu betreten. Nicht nur das, der Ordensleiter hat ihn in die Stadt verbannt und von seinem Greif Silbersturm getrennt.
»Adrién«, hauche ich.
Sein Blick gleitet hinter mich, aber es ist unmöglich, dass er Cilian noch gesehen hat. Dann schaut er mich wieder an und stößt das Schnauben aus, das ich bereits von ihm gewohnt bin.
»Was hast du hier zu …«
»Suchen?«, unterbricht er mich und tritt nun endgültig in mein Zimmer, schließt die Tür hinter sich.
Schneeflockes Knurren wird lauter, da der Greif meine Anspannung spürt, und ich gebe ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er das lassen soll.
»Ich dachte, du lebst in der Stadt und …«
»Habe ich auch«, fällt er mir erneut ins Wort. »Doch jetzt bin ich wieder hier. Und ich wollte sehen, ob es wirklich stimmt, was meine Schwester Auralie mir erzählt hat.«
»Was stimmt?«, frage ich verwirrt.
»Du hast immer noch keinen Plan, oder?« Seine Mundwinkel heben sich zu einem arroganten Grinsen. »Bist Greifenreiterin, schläfst mit dem Ordensleiter und trotzdem bist du die Letzte, die es erfährt.«
»Was erfährt?!«, fahre ich ihn an. So langsam habe ich die Schnauze wirklich voll davon, dass sogar Adrién über etwas Bescheid zu wissen scheint, was Cilian mir nicht sagen wollte.
»Dein werter Ordensleiter hat dich ans Messer geliefert.« Der Tonfall, in dem Adrién das sagt, lässt alles in mir gefrieren, noch ehe ich die Worte richtig begriffen habe. »Hast du wirklich geglaubt, du bedeutest ihm mehr als der Orden? Dass es reicht, die Beine für ihn breit zu machen, um …«
Weiter kommt er nicht, denn ich bin zu ihm getreten und verpasse ihm eine Ohrfeige, die so laut klatscht, dass selbst ich zusammenzucke.
Adrién greift mit der Hand an seine Wange, und sein Blick wird noch düsterer als ohnehin schon. »Das ist eine Angewohnheit, die du dir dringend wieder abgewöhnen solltest«, knurrt er. »Gewalt ist nie eine Lösung.«
»Aber sie bringt dich wenigstens zum Schweigen!«, erwidere ich nicht minder finster.
»Trotzdem ändert es nichts an den Tatsachen.« Er beugt sich zu mir herunter und ein paar seiner schwarzen Strähnen, die jetzt etwa noch so lang wie mein Daumen sind, fallen ihm in die Stirn.
»Du lügst doch, wenn du den Mund aufmachst!«, schreie ich ihn an.
»Ach, hab ich dich schon jemals angelogen?«, fragt er mit hochgezogenen Augenbrauen und beantwortet seine Frage direkt. »Hab ich nicht, denn das habe ich nicht nötig.«
Ich hole erneut aus, aber dieses Mal fängt er meinen Arm in der Luft ab, hält mein Handgelenk fest.
»Lass mich los!«, rufe ich erbost und Schneeflocke hinter mir knurrt wieder.
»Nein«, entgegnet er und seine grauen Iriden blitzen. »Du hast keine Ahnung, wo du da hineingeraten bist, und es ist an der Zeit, dass dir jemand die Augen öffnet.«
»Was verdammt noch mal ist los?«, will ich wissen und spüre, wie die Kraft, die mich eben noch durchflutet hat, aus meinem Körper weicht. »Was … sollen deine Worte … wieso hat Cilian … wie …« Dass Tränen meinen Blick verschleiern, fällt mir erst auf, als Adriéns Gesicht vor mir verschwimmt.
»Cilian hat eingewilligt, eine Art Wettkampf zwischen Greifenreitern und Magiern zu veranstalten«, erklärt er. Noch immer hält er mein Handgelenk fest, aber sein Griff lockert sich ein wenig. »Daher hat man mich in den Zirkel zurückgeholt, denn auch ich habe das Vergnügen, eine Marionette zu spielen. Ebenso wie du.«
»Was … bedeutet das?«, frage ich verstört.
»Das bedeutet, dass wir wieder einmal für die Machenschaften der Magier unsere Köpfe hinhalten dürfen«, antwortet er und lässt mich endlich los. »Sie wollen Beweise, dass der Greifenorden seine Daseinsberechtigung hat, und wir sollen sie liefern. Aber nicht in einem einfachen Zweikampf. Nein. Das wäre ja zu langweilig.« Er stößt ein Knurren aus, das jenem von Schneeflocke verdammt nahe kommt. »Wir sollen in die Wüste und dort irgendwelche Aufgaben erledigen.«
»In die Wüste?«, hake ich nach.
Ich begreife gar nichts mehr … Wann hat Cilian das entschieden? Gestern? Hat er es schon gewusst, als ich in den Greifenorden aufgenommen worden bin? Als er mit mir auf den Klippen die Nacht verbracht hat?
Wieso verdammt hat er mir nichts gesagt?!
Mein Kopf schwirrt vor Gedanken und ich gehe wie betäubt zu meinem Bett, setze mich darauf.
Adrién verschränkt die Arme vor der Brust. »Scheiße, du hattest wirklich keine Ahnung, oder?«, fragt er und sein Tonfall klingt fast schon mitleidig.
Mechanisch schüttle ich den Kopf, starre auf einen Punkt am Boden.
»Tut mir leid für dich«, murmelt er und ich spüre, wie sich die Matratze neben mir senkt, als er sich ebenfalls hinsetzt. »Aber ich habe dich gewarnt. Cilian …«
»Kannst du bitte damit aufhören?«, frage ich ihn matt. »Ich … ertrag das gerade nicht.«
Er stößt leise die Luft aus, sagt jedoch nichts mehr.
Eine Weile bleibt er noch neben mir sitzen, bevor er sich erhebt. »Ich weiß, wir sind keine Freunde oder so, aber wenn du jemanden zum Reden brauchst …«
Ich nicke, ohne ihn anzusehen.
Adrién zögert sichtlich, dann spüre ich seine Hand auf meiner Schulter. »Tut mir wirklich leid für dich«, wiederholt er, ehe er seufzt. »Ich schick meine Schwester zu dir, sie kann so was besser als ich …«
Nachdem er gegangen ist, lasse ich meinen Tränen freien Lauf.