Читать книгу Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten - C. M. Spoerri - Страница 13

Kapitel 5 - DAMARIS

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Wenn man stirbt, ist einem vor allem eines: hundeelend. Mein Magen rebelliert immer noch, als ich im Totenreich erwache. Da, wo ich nun für immer bleiben werde.

Ich liege auf einer Decke, starre zu den leuchtenden Sternen empor und neben mir brennt ein Lagerfeuer.

Eigentlich gar nicht so schlimm, wäre da nicht diese Übelkeit, die in mir nachhallt. Und der Schmerz an meinem Oberarm sowie quer über der Brust, der mich fast wahnsinnig macht.

»Da bist du ja endlich«, höre ich eine tiefe Stimme und fahre zusammen, als ich den Kopf drehe und ausgerechnet in das Gesicht schaue, das ich noch weniger sehen wollte als jenes von Cilian.

»Adrién«, murmle ich krächzend, da sich mein Hals rau anfühlt.

»Trink.«

Im nächsten Moment spüre ich, wie ein Wasserschlauch an meine Lippen gedrückt wird, und schlucke reflexartig die Flüssigkeit, die in meinen Mund fließt. Sie ist viel zu warm, aber es ist Wasser und benetzt meine trockene Kehle.

Dass ich wieder mal nicht tot bin, ist mir natürlich klar. Adrién muss mich vor diesem Wesen – was auch immer es war – gerettet haben. Wahrscheinlich ist er mir nachgeflogen, um mich zurück in den Zirkel zu bringen. Die Tatsache, dass Cilian nicht einmal die Eier hat, dies selbst zu tun, verpasst mir einen Stich in der Brust, der beinahe noch mehr wehtut als die Verletzung der Kreatur.

Aber wieso hat Adrién mich an den Strand gebracht und auf eine Decke gelegt, wenn er mich geradeso gut hätte zurückbringen können?

Ich richte mich ein wenig auf und spüre Schneeflocke schon in meinem Geist, ehe ich ihn neben dem Lagerfeuer liegen sehe. Er hat den Kopf gehoben und mustert mich mit seinen roten Adleraugen, bevor er ein leises Seufzen von sich gibt und mir das Bild einer Ente schickt zum Zeichen, was er davon hält, dass ich schon wieder ohnmächtig geworden bin. Beinahe kann ich ihn »Tollpatsch« murmeln hören. Aber ich kann ihm nicht böse sein, ich liebe ihn über alles und bin einfach nur froh, dass er unversehrt wieder bei mir ist.

Der Duft von frischem Braten dringt in meine Nase und als ich den Kopf wende, erblicke ich einen Hasen, der über dem Feuer gebraten wird. Schneeflocke war bei seiner Jagd also erfolgreich und Adrién hat dafür gesorgt, dass wir bald etwas zu essen haben.

Mein Magen wird flau, als ich an meinen blutverschmierten, zerrissenen Kleidern herunterblicke. Allerdings ist das Blut nun getrocknet und dadurch etwas besser zu ertragen.

Adrién hat sich inzwischen wieder erhoben und sticht gerade seinen Dolch in den Hasenbraten, um zu prüfen, ob das Fleisch schon durch ist.

»Wieso bin ich noch hier?«, frage ich, während ich seinen Rücken mustere.

»Weil ich dich gerettet habe«, antwortet er, ohne sich zu mir umzudrehen.

Ich hole leise Luft. »Ich meine … wieso bin ich am Strand und nicht im Zirkel? Du bist doch gekommen, um mich zurückzuholen, oder?« Ich versuche, das schmerzhafte Brennen meiner Verletzungen zu ignorieren, das entsteht, als ich mich etwas aufrechter hinsetze.

Jetzt wirft er mir doch noch einen Blick über die Schulter zu. »Wieso glaubst du das?«

»Weil du mir gefolgt bist, vielleicht?« Ich verdrehe die Augen und keuche, da ich mich aus Versehen auf dem verletzten Arm abstütze. »Könntest du mich mal bitte heilen? Und ehe du rumnörgelst – ich habe das ›Zauberwort‹ benutzt.«

Er wendet sich mir zu und verschränkt die Arme vor der Brust. »Erstens wäre ein ›Danke‹ angemessener, als mich dumm anzumachen, denn ich habe dir das Leben gerettet. Zweitens bin ich dir nicht gefolgt, um dich zurückzuholen, sondern um dafür zu sorgen, dass du nicht hirnlos in der Gegend rumfliegst, nur weil dir dein kleines Herzchen gebrochen wurde. Und drittens kann ich das da …« Er deutet auf meinen Oberkörper. »… nicht heilen, solange du das Oberteil anhast. So ausgefeilt sind meine Heilkünste dann auch wieder nicht. Und wenn ich es dir ausgezogen hätte, während du bewusstlos warst, hättest du mich danach verdroschen, oder?«

Ich verenge die Augen und mustere ihn mit mindestens so einem finsteren Blick wie er mich. »Erstens: Stimmt, ein bisschen Dankbarkeit wäre durchaus angebracht. Also: Danke. Zweitens: Ich brauche keinen Beschütz…« Adrién hebt beide Augenbrauen. »Gut, das nehme ich zurück. Aber dass dieses … Ding … mich angriff, hat nichts damit zu tun, dass ich ›hirnlos‹ rumgeflogen bin. Und drittens: Ich hätte dich nicht nur verdroschen, sondern dir die Eier abgeschnitten. Mit einem stumpfen Messer.«

Adrién stößt ein kehliges Lachen aus, ehe er in die Hocke geht und mit mir auf Augenhöhe ist. »Schade, dass dir das ›Ding‹ nicht deine Kratzbürstigkeit herausgeschnitten hat.« Ich schnaube entrüstet, was ihn schmunzeln lässt. »Da du jetzt wach bist, kann ich dich heilen.« Er macht eine kunstvolle Pause, und sein Blick gleitet über mein Gesicht nach unten zu meinem Oberkörper. »Dir ist klar, dass ich gleich deine Brüste sehen werde?« Das Funkeln, das in seinen Iriden aufleuchtet, als er mir wieder in die Augen sieht, bereitet mir eine Gänsehaut. Ob von der guten oder schlechten Sorte, kann ich nicht sagen, denn dafür bin ich zu sehr von dem Grinsen abgelenkt, das sich auf seine Lippen legt. »Zieh dich aus. Dann werde ich mir deine … Wunden genauer ansehen.«

»Du genießt das, oder?«, knurre ich, bevor ich beginne, mein Hemd aufzuschnüren.

Adrién legt den Kopf schief. »Ja«, sagt er freiheraus und grinst dreist weiter.

Immer noch knurrend streife ich mein Oberteil über den Kopf und sehe den schwarzhaarigen Greifenreiter herausfordernd an. Anders als erwartet lenkt er seinen Blick nicht direkt auf meinen nackten Oberkörper, sondern sieht mir weiterhin in die Augen.

»Das war verdammt knapp«, murmelt er, ehe er die Hand hebt und wie beiläufig meinen gesunden Arm berührt. »Du solltest dringend besser auf dich achtgeben.«

»Jaja«, murre ich und weiche seinem Blick aus. »Jetzt mach schon, es ist nicht gerade angenehm, so entblößt dazusitzen.«

»Dem muss ich widersprechen«, entgegnet Adrién schmunzelnd. Dann wird er wieder ernst. »Also, das könnte jetzt etwas brennen, ich muss zuerst die Wunden reinigen.«

Ich beiße die Zähne zusammen, als er beginnt, mit Meerwasser, das er aus einem Becher holt, meine Brust abzutupfen. Das Salz brennt wie Feuer, aber ich gebe nur ein leises Zischen von mir. Nachdem er mit dem Oberkörper fertig ist, folgt der Arm und ich frage mich, woher er eigentlich den Becher hat. Hat er etwa mit einer längeren Reise gerechnet?

Ich schiele zu seiner vollgepackten Satteltasche, die neben Silbersturm liegt, welchen ich erst jetzt bemerke. Adriéns Greif hat sich gegenüber von Schneeflocke ans Lagerfeuer gelegt und döst vor sich hin.

»So, das wäre geschafft«, sagt Adrién und lenkt damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Als ich den Blick nach unten richte, erkenne ich, dass er alles Blut weggewaschen hat, sodass nun tiefe Kratzspuren quer über meine Brüste sowie an meinem Arm zu erkennen sind. Beinahe hätten die Klauen Rahrins Anhänger erwischt, den er mir gestern geschenkt hat und den ich immer noch um den Hals trage. Zum Glück ist dem Schmuckstück nichts passiert.

Einen Moment lang verliere ich mich in dem Gedanken, dass ich mich von meinem Nachhilfelehrer und Freund hätte verabschieden müssen. Aber nun ist es zu spät dafür.

Als ich Adrién wieder ansehe, merke ich, dass er mich gemustert hat. Allerdings wieder nicht meine Brüste, sondern mein Gesicht.

»Was ist?«, frage ich. »Wieso heilst du mich nicht?«

Adrién schüttelt leicht den Kopf, als wollte er ebenfalls einen Gedanken loswerden, dann nickt er und deutet mit der Hand auf meinen Oberkörper. »Ich werde dich jetzt da berühren«, sagt er und ich bin erstaunt, dass seine Stimme belegt klingt, was er schnell korrigiert, indem er sich räuspert. »Wehe, du schlägst mich dafür.«

Ehe ich antworten kann, spüre ich seine Hand, die sich fest über meine rechte Brust legt, und dann eine wohlige Wärme, die sich von meiner Haut durch den Körper ausbreitet. Reflexartig schließe ich die Augen und genieße das Gefühl, das seine heilende Magie in mir auslöst. Die Schmerzen weichen und werden durch ein angenehmes Kribbeln ersetzt. Ein leises Seufzen entfährt mir, während er zu meiner anderen Brust wechselt.

»Damaris, hör auf damit«, knurrt er leise.

»Entschuldige«, murmle ich und reiße die Augen auf, schaue direkt in seine.

Die grauen Iriden sind fast nicht mehr zu sehen, denn sein Blick hat sich verdunkelt. Noch immer hält er die Hand auf meiner Brust, obwohl seine Magie versiegt ist.

Doch die Wärme hält weiter an und ich fühle, wie sein Daumen sanft über meine Brustwarze streicht. Nur ganz kurz, nur federleicht, doch ich erschaudere unter der Berührung.

Er räuspert sich erneut, ehe er den Blick von mir abwendet und sich meinem Oberarm widmet. Aber ich starre ihn dennoch unverwandt an.

Was sind das für verwirrende Gefühle, die er gerade in mir hervorgerufen hat? Wieso habe ich das Bedürfnis, seine Lippen zu betrachten, die er konzentriert zusammenpresst?

Ich schüttle den Kopf, um meine Befangenheit loszuwerden.

Als Adrién fertig ist, sind nur noch Narben auf meiner Haut, die zwar etwas rötlich wirken, jedoch hoffentlich bald verblassen werden.

Der Greifenreiter richtet sich auf, sodass er vor mir kniet, und sieht auf mich herunter. Dann, ohne Vorwarnung, streift er sein eigenes Oberteil ab und ich schnappe leise nach Luft, als sich sein muskulöser Oberkörper gegen den Feuerschein hinter ihm abzeichnet. Ich bin sicher, dass er gerade mit mir spricht, aber meine Augen haften an den definierten Bauchmuskeln, die er mir in Augenhöhe präsentiert.

»Damaris!«, reißt er mich aus den Gedanken.

Ich hebe den Blick und sehe ihn blinzelnd an. »Hä? Hast du was gesagt?«

Er verdreht die Augen, ehe er mit seinem Oberteil vor mir herumwedelt. »Ich sagte: Zieh das an und hör auf, mich wie ein verliebtes Reh anzuglotzen«, knurrt er mürrisch. »Ich wasche dein Oberteil und hänge es zum Trocknen über das Feuer.«

Ohne abzuwarten, ob ich es auffange, wirft er mir den Stoff zu, sodass mein Kopf darunter vergraben und mir die Aussicht auf seinen Körper genommen wird. Sein Geruch nach frisch gefälltem Holz dringt mir in die Nase und ich halte unwillkürlich die Luft an, bevor ich rasch sein Oberteil überstreife.

Adrién ist inzwischen zu einem Fluss gegangen, der etwas entfernt von uns ins Meer fließt, und ich kann seine Silhouette in der Dunkelheit kaum mehr ausmachen. Worüber ich aber auch nicht unglücklich bin, denn diese Anziehung, die ich mit einem Mal zu ihm spüre, verwirrt mich zugegebenermaßen. Und wenn ich etwas nicht gebrauchen kann, dann ist es Chaos in meinem Herzen, das gerade erst von Cilian auf derart gemeine Weise gebrochen wurde.

Als er zurück ans Lagerfeuer kommt, hängt er mein Hemd wortlos an drei Ästen auf, die er fachmännisch zu einer Art Gestell zusammenbaut und in den Sand rammt.

»Der Hase ist fertig«, sagt er, ohne mich anzusehen.

Ja, auch er hat die Veränderung zwischen uns wahrgenommen …

Da es mir wieder besser geht, helfe ich, den Hasen zu zerteilen, und setze mich neben Adrién, während wir unser Mahl stumm verschlingen. Dann starren wir in die Flammen und keiner scheint zu wissen, was er sagen soll.

»Es ist deine Schuld, dass es jetzt so komisch zwischen uns ist«, murmle ich schließlich, ohne ihn anzuschauen. »Du wolltest unbedingt meine Brüste sehen.«

Ich höre ihn leise schnauben, eine Regung, die mir schon fast ein Schmunzeln beschert, ist sie doch so typisch für ihn. »Ich hätte deine Brüste nicht sehen ›wollen‹, hättest du dich nicht in Gefahr gebracht und wieder mal geheilt werden müssen«, knurrt er ungehalten.

»Als ob ich das absichtlich gemacht hätte!«

»Ich hab das Gefühl, dass es dir regelrecht Freude bereitet, ohnmächtig und von irgendjemandem gerettet zu werden«, entgegnet er. »Vorzugsweise von einem attraktiven Mann – gut, dass ich gerade in der Nähe war.«

»Ha! Als ob ich dich attraktiv fände«, stoße ich hervor und beiße mir selbst auf die Zunge für diese Lüge.

»Und ob du das tust«, kommt prompt die Antwort. »Sonst könntest du mich ansehen, ohne wie ein kleines Mädchen zu erröten, nur weil ich kein Oberteil trage.«

»Sagt der Heiler, der keine Brüste anfassen kann, ohne wuschig zu werden.«

»Ich bin nicht …« Er unterbricht sich und seufzt. »Okay, das wäre eine Lüge.«

»Stimmt, und du lügst ja nie, oder?« Nun wende ich ihm doch noch meinen Kopf zu und konzentriere mich extra darauf, nicht auf seinen nackten Oberkörper, sondern nur in seine Augen zu sehen, die mich nachdenklich mustern.

»Lügen führt nie zu etwas.« Ich vermeine, einen Schatten zu erkennen, der über sein Gesicht gleitet. »Aber manchmal fällt einem das Leben damit leichter.«

»Bist du jetzt unter die Philosophen gegangen?« Ich hebe die Augenbrauen.

Er schnaubt erneut. »Du hast das Feingefühl eines Trampeltiers, Damaris.«

»Ris«, korrigiere ich ihn. »Nenn mich bitte Ris.«

Er wirft mir einen schiefen Blick zu. »Nennt dich Cilian so?« Stumm schüttle ich den Kopf, was ihn nicken lässt. »In Ordnung, dann nenne ich dich so.«

Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten

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