Читать книгу Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten - C. M. Spoerri - Страница 15

Kapitel 7 - DAMARIS

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»War doch gar nicht so schwer, die richtige Entscheidung zu treffen, oder?«, ruft mir Adrién von Silbersturm aus zu, während er neben mir in Richtung Norden fliegt.

Ich brumme und starre nach vorn.

Die halbe Nacht habe ich kein Auge zugetan und mich von einer Seite zur anderen gewälzt. Die Entscheidung, zurück in den Zirkel zu gehen, fiel mir absolut nicht leicht.

Einerseits treibt mich alles von Chakas weg. Nein, nicht von Chakas. Cilian ist es, den ich nicht mehr sehen will. Ich kann nicht länger in seiner Nähe sein und wissen, dass ich nur die zweite Wahl in seinem Leben bin. Ein kleiner Zeitvertreib, den er sich gegönnt hat. Es macht mich unglaublich wütend, dass er so leichtfertig mit dem, was wir hatten, umgegangen ist.

Ja, ich bin gekränkt. Und ja, ich bin enttäuscht.

Dennoch nagt an mir das schlechte Gewissen. Hat es sich im ersten Moment gut angefühlt, ihm und seinem blöden Greifenorden den Rücken zu kehren und Letzterem damit den Todesstoß zu versetzen, so bin ich mir nun, nach dem Gespräch mit Adrién, nicht mehr sicher, ob das wirklich der richtige Weg ist. Denn wenn ich Chakas verlasse, bin ich keinen Deut besser als Cilian. Dann stelle ich ebenfalls mein Wohl über das anderer. Und bin vielleicht sogar mitverantwortlich dafür, wenn irgendwann wieder Normalsterbliche von Magiern unterdrückt werden.

Zudem war es noch nie meine Art, vor einer Herausforderung einzuknicken und davonzurennen. So bin ich nicht. War ich nie – und werde ich auch nicht wegen Cilian sein. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als über meinen Schatten zu springen und mit Adrién zusammen zurückzufliegen.

Als ich ihm heute Morgen die Entscheidung verkündet habe, hat er mich mit seinen unergründlichen grauen Augen gemustert und dann stumm genickt, ehe er die Sachen packte und sich auf Silbersturm schwang.

Schon hatte ich geglaubt, dass er den Triumph nicht auskosten würde – aber sein Spruch von eben belehrt mich eines Besseren. Doch wenn er denkt, dass ich ihm die Genugtuung gebe, dann hat er sich geschnitten.

Nach zwei Stunden erkenne ich die Landzunge mit der schneeweißen Stadt und beiße mir auf die Unterlippe, um keinen Fluch auszustoßen. Chakas ist mit seinem Hafen und den hellen Häusern wunderschön, keine Frage. Aber ich habe am eigenen Leib erfahren, dass eine schöne Fassade oft über hässliche Seiten täuscht. Cilian ist das beste Beispiel dafür.

Adrién fliegt mit mir zusammen zu den Greifenstallungen, wo er Silbersturm zurücklässt, bevor er Schneeflocke und mich in mein Zimmer begleitet.

»Ich will sicher sein, dass du es dir nicht doch noch anders überlegst«, ist seine knappe Antwort, als ich ihm sage, dass ich sehr wohl allein zurück in meine Gemächer finden werde.

Auralie erwartet mich dort bereits und schließt mich kurzerhand in die Arme, drückt mich fest an sich, ehe sie sich ihrem Bruder zuwendet. »Du hast sie tatsächlich zurückgebracht«, sagt sie. »Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Aber ich bin froh, euch beide wohlbehalten wiederzusehen.«

Ich nicke und senke den Blick. Auralie trifft es noch schwerer als mich, denn ihr Bruder wurde ja für den Wettkampf auserwählt. Ich habe keine Ahnung, wie lange die ganze Farce dauern wird, aber ziemlich sicher einige Wochen. Und in dieser Zeit muss sich Auralie ganz allein um Adriéns Zwillingsbruder Egon kümmern, dessen Geist von Cilians Vater ins Stadium eines Kleinkindes verfrachtet wurde.

Dennoch lächelt mich die Dienerin gerade an und zeigt mir mit dieser selbstlosen Geste auf, wie egoistisch und kindisch ich mich verhalten habe, als ich einfach abgehauen bin.

»Was wird mit Egon geschehen, wenn Adrién wegmuss?«, frage ich leise.

»Ich darf in der Zeit, in welcher der Wettkampf stattfindet, in der Stadt wohnen«, antwortet Auralie lächelnd. »Ich erhalte sogar weiterhin meinen Lohn, sodass es uns an nichts mangeln wird.«

Das beruhigt mich ein wenig.

»Ich werde Cilian Bescheid geben«, meint sie und streicht mir sanft über den Arm. »Heute Abend findet auf dem Zirkelplatz eine Versammlung statt, bei der die Auserwählten vorgestellt und die Aufgaben erklärt werden.« Sie verzieht ihren Mund und nun hat sie tatsächlich Ähnlichkeit mit ihrem Bruder. »Wenn ihr mich fragt, ist das Ganze vollkommen sinnlos und unnötig.«

»Dem stimme ich zu, Schwesterchen«, brummt Adrién, der in der Tür stehen geblieben ist und die Arme vor der Brust verschränkt hat. »Aber es bringt nichts, sich gegen die Machenschaften der Magier aufzulehnen.« Sein Blick streift mich. »Das führt nur dazu, dass es einem am Ende noch dreckiger geht.«

Auralie seufzt und lächelt mir noch einmal zu, bevor sie raschen Schrittes mein Zimmer verlässt.

»Kann ich dich allein lassen, oder wirst du erneut mit deinem Greif das Weite suchen?«, fragt Adrién mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Ich bleibe hier«, brumme ich. »Wenn ich schon in ein paar Tagen in die Wüste muss, werde ich noch einmal ein ausgiebiges Bad nehmen und mir so richtig Schlaf gönnen. Den Unterricht schwänze ich heute – der kann mir gestohlen bleiben.«

Einen Moment lang mustert er mich stumm, ehe er nickt. »Bis heute Abend.«

»Bis dann.« Ich warte, bis er die Tür zugezogen hat, bevor ich mich auf mein Bett setze und zu Schneeflocke sehe. Er hat es sich wieder in seinem viel zu kleinen Sessel gemütlich gemacht. »Wo sind wir da nur hineingeraten?«, murmle ich.

Den Nachmittag verschlafe ich tatsächlich, nachdem ich wie geplant gebadet habe. Dabei versuchte ich, nicht zu sehr auf die Narben zu starren, die vom Angriff dieses schwarzen Wesens zeugen. Allein bei der Erinnerung schaudere ich und hoffe, dass sie rasch verblassen werden.

Ich liege auf dem Bett, als es an meiner Tür klopft. Müde blinzle ich und wische mir über die Augen. Draußen ist bereits die Dämmerung hereingebrochen und ich bin erstaunt, dass ich gar keinen Hunger verspüre. Womöglich liegt es daran, dass mit dem Erwachen auch die Nervosität vor heute Abend wiederkommt, welche mich während des Badens unvermittelt übermannt hat.

Auralie war so lieb und hat mir dennoch ein Tablett mit Essen hingestellt. Ein paar Früchte und etwas Brot. Ein leerer Teller zeigt mir, dass da noch weitere Köstlichkeiten auf mich gewartet hätten, aber so zufrieden wie sich Schneeflocke gerade in seinem Sessel rekelt, sind sie meinem Greif zum Opfer gefallen.

Erneut klopft es und ich erhebe mich seufzend vom Bett.

»Komm ja schon«, murmle ich und öffne – nur um die Tür gleich wieder zuzuschmeißen. »Hau ab!«, blaffe ich das vergoldete Holz an, hinter dem der Mann steht, den ich bis vor zwei Tagen als neuen Mittelpunkt meiner Welt angesehen habe.

»Damaris«, ertönt Cilians gedämpfte Stimme. »Bitte lass uns reden.«

»Nein«, erwidere ich und verschränke die Arme vor der Brust, auch wenn er das nicht sehen kann.

»Ich würde dir gern erklären, wieso …«

»Du musst mir gar nichts erklären!«, fauche ich. »Für mich ist alles sonnenklar!«

»Bitte. Ich wollte dir nie wehtun. Ich liebe dich.«

»Ha!«, entgegne ich. »Du hast doch keine Ahnung, was Liebe ist! Das Einzige, was du liebst, sind du selbst und deine verfluchten Greife. Alle anderen sind dir egal!«

Als daraufhin Stille herrscht, denke ich schon, er wäre gegangen, aber dann wird die Tür von außen geöffnet und ich verfluche mich, dass ich nicht abgeschlossen habe.

Ich weiche einen Schritt zurück, während Cilian ungebeten mein Zimmer betritt und hinter sich die Tür schließt. Ein Schauer fährt mir über den Rücken, als ich in seine azurblauen Augen blicke, die nun wild wie ein Sturm auf dem Meer sind.

»Ich will nicht, dass du jemals wieder so etwas über mich sagst oder denkst.« Seine Stimme ist zwar ruhig, aber die Stärke, mit der er spricht, lässt mich erbeben. »Du bist verdammt wichtig für mich und ich wollte nie zwischen dir und dem Greifenorden wählen müssen. Aber die Zirkelräte haben mich dazu gezwungen.« Er kneift die Augen ein wenig zusammen, sodass sein Blick noch dunkler wird. »Dass ich mich für den Greifenorden entschied, ändert nichts an meiner Liebe zu dir. Du bist seit Jahrhunderten die erste Frau, die ich in mein Herz gelassen habe, und der Platz, den du dort erobert hast, gehört dir und wird dir immer gehören – sofern du ihn noch haben möchtest.«

Während er sprach, habe ich ihn atemlos angestarrt. Nun hole ich Luft und blinzle ungläubig. »Du glaubst, wenn du mir deine Liebe erklärst, wäre alles wieder gut?«, erwidere ich scharf. »Du hast dich noch nicht einmal entschuldigt!«

Sein Blick ist weiterhin auf mich gerichtet und ich kann in seinen Augen Schmerz aufflackern sehen. »Das, was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen. Das könnte und möchte ich nicht von dir verlangen.«

Ich nicke und wende den Kopf etwas zur Seite, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen. »Dann hast du ja deine Antwort«, sage ich und spüre, wie etwas in mir zerbricht.

Er bleibt noch ein paar Sekunden regungslos vor mir stehen, ehe seine Schultern merklich absacken. Sein Mund öffnet sich und es wirkt, als ob er mir noch etwas sagen möchte. Doch dann presst er die Lippen zusammen und wendet sich ohne ein weiteres Wort ab, öffnet die Tür.

Bevor er mein Zimmer verlässt, dreht er sich noch einmal zu mir um. »Hier, das wollte ich dir wiedergeben.«

Ich erkenne, wie er die Münze des Greifenordens auf die Kommode neben der Tür legt, dann verlässt er wortlos meine Gemächer. Als das Holz hinter ihm ins Schloss fällt, zucke ich bei dem Geräusch zusammen und spüre einen scharfen Schmerz, der durch mein Herz schießt. Meine Beine geben einfach unter mir nach und ich sacke in die Knie. Tränen rinnen über meine Wangen und ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.

Liebe ist so etwas Beschissenes! Ich hasse sie! Und ich hasse mich dafür, dass ich das Gefühl habe, soeben falsch gehandelt zu haben.

Damaris (Band 2): Der Ring des Fürsten

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