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Die Trennung zwischen Materie und Geist

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Ich fragte Senge, wie er die Trennung von Geist und Materie und Materie in Bezug auf unsere Arbeit mit Gruppen und Organisationen sieht. »Im Grunde genommen gestalten wir Organisationen wie Materie. Damit meine ich, dass Organisationen eine scheinbar unabhängige Existenz außerhalb von uns annehmen und wir dann Gefangene dieser Organisationen werden.«

Organisationen sind von Menschen geschaffen, aber wenn sie zum »System« werden, das Probleme verursacht, werden Organisationen zu einer rein äußerlichen Angelegenheit. »Der Gedanke schafft Organisationen, und dann halten Organisationen die Menschen als Gefangene«, oder, wie der Quantenphysiker David Bohm bemerkte: »Der Gedanke schafft die Welt und sagt dann: ›Ich war’s nicht!‹«

»Für mich«, so Senge weiter, »ist dies der Kern systemischen Denkens. Anstatt die Organisation als etwas zu sehen, das ›mir etwas antut‹, beginnen die Beteiligten, die Frage zu stellen, wie ihre eigenen Denkmuster und ihr Handeln das Ganze hervorbringen. Und dann vervollständigen sie diese Rückkopplungsschleife. Das sind für mich die intensivsten Momente in Veränderungsprozessen, wenn Teilnehmende plötzlich so etwas sagen wie: ›Oh, Mann! Seht nur, was wir uns selbst antun!‹ Oder: ›Wenn ich sehe, wie wir handeln, verwundert es mich nicht, dass wir nicht weiterkommen.‹ Und was für mich in diesen Momenten wichtig ist, ist dieses wir. Nicht ›du‹, nicht ›sie‹, sondern ›wir‹ … Eine gute Systemphilosophie schließt die Rückkopplungsschleife zwischen den Beteiligten, ihrer Realitätserfahrung und ihrer Teilnahme an diesem Zyklus von Wahrnehmung und Handeln.«

Zum Zeitpunkt dieses Interviews mit Peter hatte ich viel über organisationales Lernen und Systemdenken gelesen, aber es war mir noch nie so klar vorgekommen: Das Wesentliche des Systemdenkens besteht darin, Menschen dabei zu helfen, die Rückkopplungsschleife zwischen dem Handeln des Systems und dessen unsichtbaren Ausgangspunkt von Bewusstsein und Gedanke zu schließen. Senge meinte dazu leise: »Ja, ich glaube nicht, dass ich vorher so darüber gedacht habe.«

Nach dem Gespräch war ich ein anderer Mensch. Irgendetwas in mir hatte sich verschoben und neu geordnet. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich irgendwie einem wesentlichen Aspekt meiner eigenen Frage begegnet. Ich konnte die Frage nicht formulieren, aber ich konnte sie fühlen. Es war eine deutliche körperliche Empfindung, die vielleicht eine Woche anhielt (vgl. Gendlin a. Wiltschko 2004). Als dieses Gefühl nachließ, begann ich, darüber nachzudenken, was die tieferen Aspekte der sozialen Realität, die tieferen Bedingungen sind, aus denen heraus soziale Handlungen entstehen. Mir wurde deutlich, dass diese Ausgangspunkte oder tieferen Feldbedingungen, aus denen heraus wir handeln, genau das sind, was wir oft nicht sehen. Vielleicht ist dies der wichtigste blinde Fleck unserer zeitgenössischen Sozial- und Systemtheorie.

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