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1 Das Flugzeug

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Ich sitze im Flugzeug.

Zum ersten Mal seit Monaten.

Ich lasse vom Himmel den Blick über die Erde schweifen und erinnere mich an die Zeit vor drei Monaten:

Von einem Gefängnishof schaute ich zu den Flugzeugen am Himmel auf. Wie hoch und groß wirkte die Mauer, wie fern und klein das Flugzeug!

»Ob ich je wieder im Flugzeug sitzen und in die Ferne fliegen kann?«, seufzte ich damals.

Gezählte Tage vergehen, schlimm aber ist die Ungewissheit. Ein Lebenslänglicher kommt womöglich nie wieder frei.

Nun aber schaue ich aus dem Flugzeug auf die Landschaft unter mir. Ich halte Ausschau nach Silivri, nach dem Land der Gefangenschaft, in dem ich drei Monate logierte. Aus der Luft wirkt die Mauer niedrig und klein, das Flugzeug, in dem ich sitze, dagegen groß.

Schauen wohl jene, die jetzt dort im Gefängnis auf einem der Betonhöfe von vier mal acht Schritt stehen, zum Himmel hinauf?

Ob sie das Flugzeug sehen und dabei seufzen?

Im Grunde ist weder das Flugzeug extrem fern noch die Mauer extrem hoch.

Glauben und Hoffnung bestimmen unsere Wahrnehmung von Dimensionen.

Ohne Glauben und ohne Hoffnung kommen einem die Mauer höher und die Freiheit ferner vor, als sie tatsächlich sind.

Hoffnung indes verkürzt die Ausmaße der Mauer, die Entfernung des Himmels, den Weg zur Freiheit.

Der Glauben überwindet die Mauer und rückt die Ferne näher.

Und eines ist sicher:

Was dich nicht umbringt, macht dich stark.

Verräter

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