Читать книгу Verräter - Can Dündar - Страница 7

2 Trennung

Оглавление

Wenn Sie mit jemandem, den Sie mögen, zusammengesessen und geplaudert haben, verabschieden Sie sich vielleicht mit den Worten: »Wir sehen uns!«

Aber Sie sehen sich nicht wieder.

Es ist das letzte Treffen, ohne dass Sie es ahnen.

Hätten Sie es gewusst, wären Sie vielleicht länger geblieben, hätten sich jedes Wort des anderen genau eingeprägt, seinen Duft in sich aufgenommen, ihn ausgiebig umarmt, wären womöglich gar nicht gegangen; doch es ist zu spät.

Das tut weh.

Als Dilek, unser Sohn Ege, der in England studiert, und ich am letzten Junitag 2016 in London zusammen waren, ahnten wir nicht, dass dies unser letztes Treffen vor einer sehr langen Trennung sein würde. Nach einem Interview beim Guardian machten wir es uns auf Liegestühlen draußen vor dem Zeitungshaus bequem, schauten den Enten auf dem Kanal zu und tranken unser Bier, während die zarte Londoner Sonne unsere Haut streichelte. Während meiner Haft hatten wir drei außer an wenigen offenen Besuchstagen nicht zusammen sein können. Nach unserem Treffen in London sollte es dann wieder nahezu unmöglich werden, zusammenzukommen.

Wir sprachen an jenem Tag nicht von der unerfreulichen Vergangenheit, von Haft und Trennung, sondern von der Zukunft, von der Lage in der Türkei und der Welt. Vermutlich waren wir aber alle in Gedanken bei anderen unerfreulichen Ereignissen, über die wir nicht reden wollten:

Die Polizei hatte plötzlich die Personenschützer abgezogen, die sie nach dem Attentat auf mich bewilligt hatte.

Meine Zeitung hatte mir ein Schloss vor die Tür gehängt: »Die Drohung ist ernst, wir müssen Maßnahmen treffen.«

Die Bank verkündete, der zuvor bewilligte Hauskredit werde vermutlich storniert werden. Wir saßen auf Schulden.

Von der Staatsanwaltschaft war die Vorladung zu einem neuen Prozess gekommen.

Die regierungsnahe Presse blies wegen Aussagen, die ich nach meiner Freilassung gemacht hatte, inzwischen zum Generalangriff.

Bei der Zeitung war es unterdessen zu einem Missklang gekommen. Mehrere mir sehr nahestehende Kollegen aus dem Hirn der Zeitung hatten gekündigt, obwohl ich gesagt hatte: »Mitten im Kampf schmeißt man nicht hin.«

Ich war erschöpft und bedrückt.

Von dem Gehetze von einer Einladung zur anderen, die nach meiner Haft aus Europa kamen, drehte sich mir der Kopf.

Die Strapazen der Haft waren noch nicht überwunden. Die Probleme stapelten sich.

Ich musste mich ausruhen, mich sammeln, am Strand liegen, Sonne tanken und mit der Lektüre für mein neues Buch beginnen. Möglichst weit entfernt von Telefonklingeln, Krisennachrichten, Drohungen, Ermittlungen, Leibwächtern, Pulverdampfgeruch und Gerüchten in der Zeitung musste ich neue Kräfte sammeln.

Ich bat die Zeitung und meine Frau um anderthalb Monate Urlaub. Am 7. Juli packte ich Bücher und Sommersachen in zwei Koffer und fuhr allein in Urlaub. Unruhig wie ein aus dem Käfig befreiter Vogel stieg ich ins Flugzeug nach Barcelona.

Verräter

Подняться наверх