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Der Übergang von der Bulimie in die Magersucht war fließend

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Im Sommer 1998, ich war gerade 18 Jahre alt geworden, waren meine Eltern in einem Vier-Sterne-Hotel im Restaurant beim Essen. Sie kamen auf die Idee, ich könnte doch Hotelfachfrau lernen. Als sie dann in diesem Restaurant waren, haben sie dort auch sofort nachgefragt und mit der Personalabteilungsleiterin gesprochen, ob ich noch in diesem Jahr mit der Ausbildung zur Hotelfachfrau beginnen könnte. Allerdings waren alle Ausbildungsstellen schon besetzt, aber ich sollte mich auf das kommende Jahr 1999 bewerben.

Freudestrahlend und guter Hoffnung kamen also meine Eltern wieder nach Hause, um mir diese angeblich gute Nachricht mitzuteilen. Ich dagegen war überhaupt nicht voller Begeisterung. Das hätte nämlich für mich bedeutet, dass das Erwachsenwerden für mich begonnen hätte. Was mit viel Verantwortung, Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit und, und, und verbunden wäre. Womöglich hätte ich noch ausziehen müssen, mein eigenes Leben leben. Aber warum? Ich hatte doch alles zuhause. Ich habe alles bekommen, was ich wollte, ich musste mich um nichts kümmern, meine Mutter hat für mich alles geregelt und mir alles abgenommen. Warum sollte ich dann also ausziehen, erwachsen werden und mein eigenes Leben leben? Ich wollte es einfach nicht, weil ich mich noch nicht reif genug dafür fühlte und weil ich es von zuhause aus auch nie gelernt habe, auf eigenen Beinen zu stehen, Eigenverantwortung zu übernehmen und selbstsicher und selbstbewusst in einer Situation aufzutreten. Darum lässt sich auch erklären, warum ich diese Situation nicht mit Worten oder Taten angepackt habe, sondern in Form einer Krankheit, der Anorexia nervosa, der Magersucht, aus dem Weg gehen wollte. Aber nicht nur aus diesem Grund. Ich hatte ja schon seit dem 13. Lebensjahr den Wunsch, an Magersucht zu erkranken, beziehungsweise zu sterben. Ich war einfach zu schwach, um zu leben. Die Medien haben auch einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich in eine Essstörung gerutscht bin.

Die prall gefüllten Frauenzeitschriften mit dem Übermaß an wunderschönen und erfolgreichen Frauen. Aufgrund meines mangelnden und schwachen Daseins habe ich mich natürlich zusätzlich davon beeinflussen lassen. Daher lebte ich in dem Glauben, nur wer so aussieht wie diese attraktiven Frauen, kann ein erfolgreiches Leben führen. Dem angeblichen Ideal entsprach ich nicht, deshalb wollte ich diesem Ideal immer näher kommen. Aber baue ich mehr Persönlichkeit auf, wenn ich abnehme? Sicherlich nicht. Es trägt natürlich einen Teil dazu bei, um etwas mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Aber diese Sachen sind nur Äußerlichkeiten. Wenn ich ein Problem habe und dieses nicht lösen kann, kann ich mich auch nicht hinstellen und sagen: "Ich kann das Problem nicht lösen, aber schau mich an, ich bin schön". Damit möchte ich sagen, dass allein das Schönsein einem im Leben nicht weiterhilft, es erleichtert zwar das eine oder andere, aber nur ein Stück weit. Der wahre Erfolg kommt von innen heraus.

Um noch einmal auf die Ausbildungsstelle zu kommen: In dem Hotel, das mir meine Eltern vorgeschlagen haben, habe ich mich also dann doch beworben und auch ein Vorstellungsgespräch bekommen. Aufgrund des Gesprächs habe ich dann auch den Ausbildungsplatz bekommen. Irgendwie habe ich mich schon etwas darauf gefreut, aber ein anderer Teil von mir wollte es unbedingt verhindern.

Diesmal war ich fest davon überzeugt, dass ich es schaffen würde. Ich musste unbedingt verhindern, die Ausbildung im Folgejahr anzutreten. Also habe ich alles gemacht, um weiter abzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt, im Sommer 1998, wog ich 58 Kilogramm. In den folgenden Monaten habe ich rapide abgenommen. Nun habe ich es tatsächlich geschafft, meine Magersucht auszuleben. Der totale Zusammenbruch war im April 1999. Wie sich das ganze nun entwickelt hat, mit seinen Symptomen und Hindernissen, werde ich im folgenden Kapitel erzählen.

Im Banne der Essstörung

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