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Der eine Ring (Blind Guardian: Lord of the Rings)
ОглавлениеDeutsch. Wirtschaftsgymnasium. Klasse elf.
Thema: Lyrik. Genauer gesagt, Symbolik in Liebesgedichten.
Sowohl bei mir als auch bei den maximal lyrisch desinteressierten Pubertären hinterlässt diese Thematik jedes Mal aufs Neue einen bitteren Nachgeschmack mit leichter Kotznote im Abgang. Das mag daran liegen, dass ich – wie mein Gatte nie müde wird zu bestätigen – romantisch bin wie Dosenbier. Dennoch hat er mich vor Jahren dazu bekommen, ihn zu ehelichen.
Schon sein Antrag war legendär und vor allem meiner würdig: »Du, lass doch demnächst heiraten.«
»Okay.«
Läuft! Zur Feier des Tages folgten Burger und Guinness im Pub. Welche Frau könnte da Nein sagen? Das ist mein Ding. Für alles Feinfühlige fehlt mir der Sinn. Schon immer. Bereits im zarten Teenageralter führten bei allen gleichaltrigen rosa Geschlechtsgenossinnen Filme wie Dirty Dancing zu Herzflattern und verfrühten Hormonschüben. Ich kuckte so lange lieber Mel Brooks’ Spaceballs oder Terminator. Und einige Jahre später, als Titanic gefühlt drei Jahre lang im Kino lief und ich mich auf dem schwindelerregenden Gipfel meiner Pubertät befand, war meines Erachtens die beste Szene im Film die mit der Schiffsschraube am Ende. Sie wissen, welche ich meine. Ich habe gebrüllt vor Lachen. Ob das nun Ursachen oder Symptome meiner ausgeprägten Unromantik sind, weiß ich jetzt auch nicht so genau.
Jedenfalls fand die Hochzeit ein Jahr nach dem Verlobungsburger statt. Jetzt stellen Sie sich mal vor, wie ich ein hübsches weißes Schulterfreies trage, so mit Schleier und allem Pipapo. Klappt nicht? Sie haben völlig recht.
Die Suche nach einem Hochzeitskleid gestaltete sich ausgesprochen einfach. Wir schrieben das Jahr 2002. Der zweite Teil der Herr-der-Ringe-Trilogie lief im Kino. Also die Verfilmung jenes literarischen Meisterwerkes, das ich im Alter von fünfzehn Jahren zu meiner neuen Religion (neben Metal) erhoben habe. Schon bei den ersten Trailern zu Peter Jacksons monumentalem Machwerk bin ich vor dem Röhrenfernseher auf die Knie gefallen und in Tränen ausgebrochen.
Ich sitze also mit meinem Freund im Kino – Herr der Ringe: Die zwei Türme – und sehe in der dreiundfünfzigsten Minute Éowyn von Rohan vor die goldene Halle Meduseld treten. Und sie trägt mein zukünftiges Hochzeitskleid! Darin habe ich meinen Freund dann auch geheiratet. Also, jetzt nicht genau den, mit dem ich damals im Kino war, sondern den, der danach kam.
Ich war dabei, Ihnen zu erläutern, wie unromantisch ich bin, also weiter im Text.
Ich heiratete stilbewusst im langen Dress, Éowyn-Style. Das war nicht nur Ausdruck meiner Tolkien-Gläubigkeit. Es war auch ein Kompromiss, meiner Unlust geschuldet, mir am Tag des hochzeitlichen Spektakulums das Dauerschleifen-Genöle meiner Mutter anzuhören, ich sähe mit meinen Tätowierungen aus wie eine asoziale Gangsterbraut (was wäre daran schlimm gewesen?). Auf die Kirche verzichteten wir einvernehmlich. Dort würde uns sowieso niemand mehr dulden. Das stumpfe standesamtliche Zeremoniell mit anschließendem Familien-Spießrutenlauf war Pflicht. Die Kür erfolgte zwei Wochen später, als wir mit unseren langhaarigen schwermetallischen Freunden eine gestandene Drecksau-Lagerfeuerparty veranstalteten. Metal, Bier, Jägermeister, Spanferkel – so stelle ich mir das Paradies vor. Meine Mutter nicht. Wie auch der Rest meiner Vorkriegsverwandtschaft.
Ich denke, ich habe den Beweis hinlänglich erbracht: Romantik und ich – passt nicht. Im Unterricht muss ich auf andere Möglichkeiten zurückgreifen, um bei den potenziellen Nachwuchsakademikern das Interesse für Bildhaftes zu wecken.
Ich pflückte meinen Ehering vom Spinnenfinger und packte ihn unter die Dokumentenkamera (Digitalisierung – sie lebe hoch!): »Kann mir jemand sagen, was das Ringsymbol im Zusammenhang mit Liebesgedichten bedeutet?«
»…«
Grillenzirpen. Ein Tumbleweed-Busch rollte gelangweilt durch den Klassenraum.
»…«
Schließlich meldete sich in der letzten Reihe Sebastian. Sein Gesichtsausdruck zeugte von hundertprozentiger Entschlossenheit, gleich die korrekte Antwort abzuliefern. Aufrecht und mit einer Stimme, die im Rahmen seiner Möglichkeiten tief und gewichtig klang, deklamierte er: »Ein Ring, sie zu knechten …«
Ich blickte abwechselnd auf meinen Ehering und in Sebastians Gesicht, zögerte aber nur einen winzigen Moment … »Völlig richtig! Danke, Sebastian.«
Ich brauche mir keine Sorgen zu machen. Liebeslyrik läuft.