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Jung und motiviert (Guns N’ Roses: Welcome to the Jungle)

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Als angehender Staatsdiener braucht man dringend einen Hang zum Fatalismus. Denn aus der geradezu heldenhaft anmutenden Opferbereitschaft, die das Einstellungsverfahren fordert, nach dem Prinzip: »Wir schicken dich dorthin, wo du am meisten gebraucht wirst! Gehe hin und tue Gutes!«, wird schnell: »Aha … ländlicher Raum.« Jou. Gegenwehr? Zwecklos, wir sind ja Beamte!

In meinem Fall war die Bezeichnung »ländlicher Raum« eine nette Untertreibung. Es verschlug mich, zusammen mit einigen anderen jungen und (noch) hochmotivierten Kollegen, im Jahr 2011 an eine berufliche Schule in der baden-württembergischen Provinz.

Seltsam, denn noch einige Wochen zuvor, am Tag meines Vorstellungsgesprächs, war mein erster Gedanke beim Betreten des klassisch-tristen Siebziger-Jahre-Gebäudeblocks: Boah, NÄ! Never ever! Ich drehe um, fahre nach Hause und warte weiter auf den Brief aus Hogwarts, den eine Eule sicher vor siebzehn Jahren verbummelt hat!

Ich weiß nicht, was mich damals am meisten abschreckte: die fröhlichen Wandfarben, Edition Körperflüssigkeiten? Jetzt mal im Ernst! Was haben sich die Architekten ihrerzeit bloß gedacht?

»Farbkonzept Schule – Idee?«

»Komm, lass uns die Wände in einem fröhlichen Morgenuringelb machen, passend zu den Akzenten von kotzgrünem Linoleum und kackbraunen Fensterrahmen. Stahlträger in der Farbe von geronnenem Blut runden das Ganze fein ab. Das sieht auch in vierzig Jahren noch aus wie neu und saugt jedem schon beim Betreten des Gebäudes alle Fröhlichkeit aus den Adern! Pädagogisch astrein!«

Oder waren es doch die zwei sich kloppenden, kastenförmigen Halbstarken, die urplötzlich aus einem Raum gespuckt wurden, als der stellvertretende Oberzampano mich durchs Gebäude führte? Er wollte wohl einen guten Eindruck hinterlassen und pries gerade die technische Ausstattung der Räumlichkeiten. Wahrscheinlich, um vom Rest abzulenken. Jetzt wirkte er leicht verzweifelt: »Keine Angst, das sind unsere Lager-Jungs! Die kriegen Sie erst mal nicht!«

»Aha! Gut«, antwortete ich. Schaute mich aber dennoch jedes Mal hektisch um, sobald sich irgendwo eine Tür öffnete. Memo an mich damals: Beim Versicherungsfutzi anklingeln, ich würde gerne noch mal die Berufsunfähigkeitsgeschichte durchsprechen. Nun ergab auch das Farbkonzept Sinn. Nee, nee, berufliches Schulwesen war nix für mich. Noch dazu mit Schwerpunkt Wirtschaft. Ich hatte schließlich Ideale!

In anderthalb Jahren Referendariat hatte ich mich schon mit den kleineren Gören arrangiert. Mit zehn sind die meisten immerhin stubenrein und ganz leicht zu dressieren. Was man von den beiden Evolutionsverweigerern von gerade eben eher nicht behaupten konnte.

Zudem sprachen die hier in einem Dialekt, der klang, als würde man einem Frosch beim Artikulationsversuch den Hals zudrücken. (Noch heute graust es mich, wenn ich morgens durch die Flure laufe und mir bildhübsche junge Mädchen quakend einen gutturalen »Gudn Morrrgggn« wünschen.) Also, nix wie weg und zurück zum Online-Bewerbungsverfahren.

Doch dann sprach das Regierungspräsidium den magischen, unverzeihlichen Fluch aus, den alle Referendare am meisten fürchteten: Einstellungsstopp! Gedachte Fußnote dazu: »Was studierst du auch so Nullachtfuffzehn-Fächer, du Idiotin?«

Fuck … fuck, fuck, fuck, fuck. FUCK!

Nächster Tag am Telefon: »Ja, ich nehm die Stelle gern an. … Ja, ich freu mich auch. Natürlich. Wird sicher fantastisch. Ja. Bis dann. Danke schön.«

Seitdem unterrichte ich beinahe jedes Jahr eine Klasse Lager-Jungs. Meine Versicherung habe ich deswegen noch nicht gebraucht. Allerdings oft meine Lachmuskeln.

Und der Dialekt – na ja, der ist gar nicht so schwer zu lernen.

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