Читать книгу Keiner zwischen uns - Carolin Hristev - Страница 9

3 MARIE

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»Marie!! Aufstehen! Sonst kommst du zu spät!«

Ich drehe mich zur Wand.

»Mach schon, Marie!« Die Ungeduld in der Stimme meiner Mutter nimmt zu, und schließlich schäle ich mich resigniert aus der Decke. Ach ja. Jeden Morgen dasselbe.

Gülcan wartet schon, als ich aus der Haustür komme. »Hallo, Marie!!«, quietscht sie freudig, und wie immer umarmen wir uns fest und lange. Hätte ich in meiner neuen Klasse nicht Gülcan kennengelernt, dann wäre mein Leben komplett unerträglich.

»Alles klar?«, frage ich, denn irgendwie sieht sie bleich aus.

»Wir schreiben heute Mathearbeit«, seufzt Gülcan.

Man könnte meinen, das würde ihren sicheren Tod bedeuten. Mit Grabesstimme fährt sie fort: »Ich und Mathe, das ist wie Tolga und Hochsprung.«

»Ha ha! Oder wie Ibo und Fegen.«

»Wie Herr Zimmermann und cool.«

Wir biegen in den kleinen Weg durch die Grünanlage ein, die sich vor unserem Schulgebäude befindet, und stoßen auf Alex und Julius.

»Na, Streberin?«, sagt Julius beiläufig, als er mich sieht.

Ich versuche, darüber hinwegzuhören. Wie genau habe ich das eigentlich hingekriegt, in meiner neuen Klasse innerhalb kürzester Zeit zur Zielscheibe des Spotts zu werden?

Ibo und Tolga tauchen auf. »Hey, die Streberin!«, sagt Ibo grinsend. »Englisch macht dieser Einschleimerin jetzt bestimmt richtig Spaß, endlich ein Lehrer, der genauso langweilig ist wie sie selbst.«

Gülcan zieht mich ins Schulhaus und zum Klassenzimmer. Die Jungs laufen in einigem Abstand hinter uns her. »Streberin, Streberin«, kommt ein heiserer Singsang aus Ibos Kehle. Mit brennendem Kopf stelle ich meine Tasche ab und setze mich auf meinen Platz. Warum musste ich ausgerechnet auf diesem Planeten geboren werden? Wiegt die sauerstoffangereicherte Atmosphäre Mitschüler wie Julius und Ibo auf?!

Ich komme gerade aus dem Bad, als meine Mutter von der Arbeit kommt, sodass wir uns im Flur begegnen. Seit meine Eltern sich vor einem halben Jahr getrennt haben, ist unser Verhältnis, gelinde gesagt, gespannt.

»Hallo Marie!«, sie gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Wie ist das eigentlich mit deiner Klassenfahrt?«, flötet sie, während sie sich die Schuhe auszieht.

»Welche Klassenfahrt? Habe ich jemals irgendetwas von irgendeiner Klassenfahrt gesagt?«

Sie richtet sich auf und schaut auf den Infozettel, der an der Pinnwand hängt. »Das ist doch bald so weit – am neunzehnten Mai soll’s losgehen, in drei Wochen schon!«

»Ich fahre da ganz bestimmt nicht mit.«

Meine Mutter schaut mich an, als hätte ich einen geschmacklosen Witz gemacht. »Was ist denn das jetzt schon wieder?«

»Ein deutscher Aussagesatz, und die Aussage ist, dass ich nicht auf irgendeine Klassenfahrt fahre.«

Vielleicht würde eine andere Mutter fragen, warum ich nicht mitfahren werde. Aber meine Mutter ist keine andere Mutter. Meine Mutter sieht mich genervt an. »Immer deine Aktionen!« Sie lässt ihre Tasche fallen und geht in die Küche. Ich höre, wie sie herumhantiert und die Mikrowelle zuklappt.

Und jetzt fragt sie doch: »Gibt es dafür irgendeinen Grund?«, ruft sie mir aus der Küche zu. Der Tonfall impliziert, dass es für die Dinge, die ihre Tochter tut, nie einen Grund gibt. Die Frage ist rein rhetorisch.

Was soll ich sagen – in meiner neuen Klasse bin ich nur als Streberin bekannt? Die Jungs verachten mich, die meisten Mädchen halten Abstand? Und das Schlimmste – ich bin hoffnungslos verliebt in jemanden, der um Welten zu cool für mich ist?

Bin nicht sicher, dass meine Mutter dafür Verständnis hätte.

Ich habe einen Moment zu lange gewartet.

Die Mikrowelle piept, meine Mutter öffnet sie, und das Zeitfenster für »Mit meiner Tochter über ihre Probleme reden« schließt sich.

»Du fährst mit, und Punkt. Thomas und ich wollen schließlich auch mal Zeit für uns haben.«

Keiner zwischen uns

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