Читать книгу Wie man schreibt - Carsten Göttel - Страница 22

Je mehr Kritik, desto besser

Оглавление

Nun haben wir keine Zeit, um ein paar Jahre zu warten. Daher bleibt nur die Kritik von außen. So empfiehlt es sich durchaus, Ihre Idee zu pitchen. Aber tun Sie dies nicht nur einmal und werfen sie dann über den Haufen, sollte das Feedback negativ ausfallen. Stellen Sie sie mehreren Personen vor und versuchen Sie Parallelen zu finden. Wenn Ihnen 5 Leute sagen, dass Ihr Setting (Ort & Zeit) nicht zu Ihrer Geschichte passt, ist dies ein wertvolles Indiz, dass Ihre Kriminalgeschichte vielleicht nicht auf dem Mars im Jahr 3000 spielen sollte. Doch Kritik ist leider selten so auf den Punkt gebracht. Vielmehr wird es häufig ein Rätsel, was mit einer bestimmten Kritik eigentlich gemeint war z. B. »Ich mag den Charakter nicht«.

Warum mag diese Person ihn nicht? War es Ihr Ziel, dass dieser Charakter nicht gemocht wird?

Erinnert der Charakter diese Person, vielleicht durch ein Detail, an einen Menschen aus ihrem Umfeld, den Sie nicht mag? Kurz gesagt, was ist der Subtext für diese Kritik? Was wird eigentlich kritisiert?

Je qualifizierter die Kritik-gebende Person, desto geringer der Subtext und desto einfacher das Rätsel und desto weniger müssen Sie die eigentliche Kritik herausfiltern. Dennoch halten Sie sich nicht am Pitchen auf, sondern schreiben Sie Ihre Idee, SONST KOMMEN SIE NIE DAZU, demgemäß, dass Sie nicht einfach Ort & Zeit ändern und erneut pitchen gehen. Ihre Mitmenschen werden es Ihnen danken. Denn auch wenn »Fragen kostet nichts« eine viel zitierte Bauernweisheit ist, kennen die Befragten Ihre Idee dadurch bereits, wodurch zum einen der Überraschungseffekt verloren geht oder verwässert wird und zum anderen die Geduld eben jener auf die Probe gestellt wird, bis sich nach mehrmaliger Wiederholung automatisch schlechte Kritik ergibt, die durchaus ehrlicher Natur ist, aber nichts mehr mit der eigentlichen Idee zu tun hat, sondern der Vorgehensweise. Das heißt, wagen Sie den Pitch nicht leichtfertig. Prüfen Sie Ihre Idee zuvor, so gut es trotz Ihrer Subjektivität möglich ist, schreiben Sie sie auf, visualisieren Sie sie. Und wenn Sie merken, dass Sie auf der Stelle treten, pitchen Sie, wenn Sie möchten. Es spricht im Grunde nichts dagegen weiter im »Geheimen« an Ihrer Idee zu basteln, doch all zu häufig verlangt der Mensch nach Bestätigung, gerade wenn es ihm an Glauben an sich selbst oder seinen Entscheidungen mangelt. Doch ist es zugleich jener Mangel, der ihm auch den richtigen Umgang mit Kritik versagt.

So erwartet er sich Himmel oder Hölle und dabei insgeheim den Himmel. Jedoch wird er diese erhoffte Reaktion niemals erlangen, wenn er darauf achtet, wen er fragt. Das heißt, wenn wir uns auf die Suche nach konstruktiver Kritik begeben und demnach Kritik, die uns eine Verbesserung des Materials oder des Stoffes ermöglicht, werden wir zwangsläufig eine Kritik erhalten, die unseren Stoff ändern möchte und daher niemals die Antwort »So, wie es ist, ist es perfekt!«, die wir doch insgeheim gerne hätten.

Mit Obacht, sich nicht in eine Idee zu verrennen, ist es sogar ein enormer Vorteil im Geheimen zu arbeiten, auch wenn Mitmenschen Sie eventuell prüfen werden, in dem Sie danach fragen oder Sie konstant dem Reiz unterliegen, anderen von Ihrem Schaffen Bericht zu erstatten. Doch die Disziplin, dies nicht zu tun, zahlt sich in der Form aus, dass die Arbeit an ihrem Projekt zu einer spannenden Tätigkeit wird, bei der nur sie selbst entscheiden, wann sie den Augen oder Ohren eines anderen Menschen offenbart wird. Dies dient der Motivation bzw. dem eingangs erwähnten Momentum, denn sobald Sie ihr Geheimnis einmal lüften, gelangen Sie nie wieder an diesen Punkt zurück. Es ist vergleichbar mit dem kindlichen, spielerischen, offenen Modus, über den im letzten Kapitel gesprochen wurde, in dem Sie vollständige Freiheit besitzen, da nichts, was Sie tun, falsch ist.

Wie man schreibt

Подняться наверх