Читать книгу Licht, Farbe und Form in der Landschaft - Carsten Krieger - Страница 26
SOMMERMORGEN IN GLENDALOUGH
ОглавлениеUpper Lake, Glendalough, County Wicklow, Irland | 12. August | 6.10 Uhr
Glendalough, das Tal der zwei Seen, scheint für Fotografen wie geschaffen zu sein und genießt so etwas wie Kultstatus. Der Upper Lake ist einer der beiden Seen und liegt am Ende des weiten Tales, eingerahmt von steilen, teilweise bewaldeten Berghängen. Ein Kieselstrand am östlichen Ende des Sees und ein kleiner Bach, der hier den See verlässt, runden ein perfektes Motiv ab. Das einzig Negative, was man über Glendalough und den Upper Lake sagen könnte, ist, dass sich das Tal in östliche Richtung öffnet. Das heißt, die besten Fotomöglichkeiten ergeben sich früh am Morgen, was wiederum – besonders im Sommer – sehr frühes Aufstehen bedeutet.
Da Glendalough eine bekannte und beliebte Attraktion und außerdem einfach zu erreichen ist (vom Parkplatz bis zum See ist es ein gemütlicher 5-Minuten-Fußmarsch), war ich an diesem klaren Sommermorgen nicht allein. Drei weitere Fotografen hatten offensichtlich die Wettervorhersage gehört, die einen nebligen Morgen, gefolgt von einem klaren, sonnigen Tag versprach. Die Erwartungen waren also hoch.
Und tatsächlich hätten die Bedingungen nicht besser sein können. Nebelschwaden waberten über dem Wasser, und einige Nebelfetzen hingen geheimnisvoll über dem Ende des Tals. Das erste Morgenlicht verlieh den Berghängen einen roten Schimmer, und der Morgentau akzentuierte das üppige Grün der Vegetation.
In den meisten Bildern des Upper Lake wird der weite Kieselstrand als Vordergrund genutzt oder der Fotograf konzentriert sich, falls es die Bedingungen erlauben, auf die Reflexion der Berge im See. Mein Ziel war es allerdings an diesem Morgen, einen anderen Blickwinkel auf den beliebten See zu finden. Der kleine Bach, den ich bei allen vorherigen Besuchen ignoriert hatte, entpuppte sich schließlich als das Ziel meiner Suche.
Der Bach, gesäumt von hohen Gräsern, bietet ein klassisches Kompositionselement und leitet den Blick in das Bild. Der Rest der Komposition ergab sich von selbst: Ich musste nur noch die beschauliche Morgenstimmung einfangen. Der Nebel spielte hier die Hauptrolle. Um den Nebel aber perfekt abzubilden, war eine bestimmte Belichtungszeit notwendig: zu kurz, und es würden nur schwache und vereinzelte Nebelfetzen im Bild erscheinen; zu lange, und der Nebel würde ganz verschwinden. Knappe zwei Sekunden stellten sich schließlich als perfekt heraus. Diese Belichtungszeit verlieh auch dem aus dem See fließenden Wasser einen weichen Effekt. Ein Polfilter erhöhte außerdem den Kontrast zwischen dem Nebel, der Wasserfläche und dem Hintergrund.
Leider verschwand der Nebel schneller als erwünscht. Ich hätte etwas mehr Morgenlicht auf den Bergen im Hintergrund bevorzugt, um die doch etwas kühle Stimmung des Vordergrundes auszugleichen. Als die Sonne endlich hoch genug stand, um die gesamte Bergkette auszuleuchten, hatte sich der Nebel leider in Wohlgefallen aufgelöst. Umgekehrt waren die Nebelverhältnisse nur wenige Minuten perfekt, bevor die ersten Sonnenstrahlen auf die Berge fielen. In gewisser Weise ist dieses Bild also ein Kompromiss – allerdings einer, mit dem ich sehr gut leben kann.