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SONNENUNTERGANG AM GIANT’S CAUSEWAY
ОглавлениеGiant’s Causeway, County Antrim, Nordirland | 30. Mai | 21.37 Uhr
Manche Bilder brauchen Zeit – in diesem besonderen Fall eine ganze Menge Zeit. Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen hier einige Jahre.
Der Giant’s Causeway ist ein Küstenabschnitt in Nordirland, der aus Tausenden von Basaltsäulen besteht. Die Säulen ragen ähnlich einem Damm in den Nordatlantik und verschwinden nach einigen Hundert Metern unter den Wellen. Diese ungewöhnliche Landschaft entstand vor etwa 50 Millionen Jahren, als die Region von wiederholten Vulkanausbrüchen heimgesucht wurde, und dehnt sich unter der Meeresoberfläche bis nach Schottland aus, wo die Basaltsäulen auf der Insel Staffa wieder ans Tageslicht kommen. Bilder von dieser Hauptattraktion der nordirischen Küste gibt es mehr als genug, und es ist eine wahre Herausforderung, hier eine neue Interpretation zu finden.
Während meines ersten Besuchs war ich in erster Linie froh, dieses Wunderwerk der Natur endlich mit eigenen Augen zu sehen. Die Bilder, die dieser Besuch hervorbrachte, waren akzeptabel, unterschieden sich aber kaum von den Bildern, die man in diversen Büchern oder im Internet finden kann.
Canon EOS 1Ds III mit Canon 24 mm TS-E 24/3,5 | 24 mm | ISO 50 | f/22 | 20s | Polfilter, Grauverlauffilter, Graufilter
Im folgenden Jahr kehrte ich für einen längeren Aufenthalt nach Nordirland zurück und erforschte den Giant’s Causeway etwas genauer. Auf der Westseite des eigentlichen Giant’s Causeway erstreckt sich ein kleinerer Basalt-Damm. Zwischen den beiden liegt eine schmale Bucht, die mit einer Reihe von Basaltfelsen besprenkelt ist und deren Ufer von treppenartigen Basaltsäulen gebildet wird.
Der erste Versuch, diese Komposition in ein Bild umzusetzen, fand eines Sommermorgens kurz nach Sonnenaufgang statt. Das Ergebnis war wenig berauschend. Die Sonne braucht eine ganze Weile, um die ersten Strahlen über die hohen Klippen zu schicken, die den Giant’s Causeway umgeben. Ohne Licht wirkte die Komposition leblos. Als das Licht dann endlich erschien, kam es von einer Sonne, die bereits sehr hoch am Himmel stand und nur eine sehr harte, kontrastreiche Beleuchtung bieten konnte.
Nach diesem erfolglosen Morgen machte ich es mir mit meiner Tasse Tee noch eine Weile auf den Basaltsäulen gemütlich und wartete auf eine Eingebung, die schließlich auch kam. Mit der eigentlichen Komposition war ich zufrieden. Die Bucht mit ihren Felsbrocken leitete den Blick in das Bild und die verschieden geformten Felsen brachten Dynamik in die Komposition. Was fehlte, war nur ein wenig Licht und Farbe als Gegengewicht zu dem sehr dunklen Lavagestein. Eine untergehende Sonne, direkt am Horizont, würde beides mit sich bringen. Da der Giant’s Causeway genau nach Norden ausgerichtet ist, lässt sich ein Sonnenuntergang nur wenige Wochen um die Sommersonnenwende im Juni aufnehmen.
Sowohl mein dritter Besuch im Jahr darauf als auch der letzte ein Jahr später blieben erfolglos. Am letzten Abend dieses letzten Trips, nachdem ich schon fast alle Hoffnung aufgegeben hatte, bekam ich schließlich, was ich mir gewünscht hatte. Am Nachmittag war eine Wolkenfront hereingezogen, gegen Abend zeichneten sich aber im Norden einige Lücken in der Wolkendecke ab. Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang begann das bange Warten …
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang: Die Kamera sitzt auf dem Stativ und ist ausgerichtet. Zwanzig Minuten vor Sonnenuntergang: Eine der Wolkenlücken sitzt genau, wo ich sie gerne hätte. Zehn Minuten vor Sonnenuntergang: Ein Kollege baut sein Stativ genau in meinem linken Bildrand auf. Panik, Wedeln mit den Händen, um die Aufmerksamkeit des Kollegen zu erregen (leider vergeblich), und Fluchen folgen. Fünf Minuten vor Sonnenuntergang: Der Kollege zieht sich zurück. Vier Minuten vor Sonnenuntergang: Die Sonne verlässt die Wolkendecke.
Was folgte, waren vier Minuten hektisches Fotografieren, Grauverlauffilter anpassen, Belichtungszeit variieren – und ein aufgeregtes Glücksgefühl, das nur Landschaftsfotografen verstehen.