Читать книгу Familiengeheimnis - Catherine St.John - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеJohn blieb der Mund offen stehen, als Sebastian ihm in dürren Worten mitteilte, er habe sich mit Miss de Lys verlobt, werde in drei Tagen heiraten und brauche ihn, John, als Trauzeugen. Und jetzt werde er nach London fahren, um die Lizenz zu besorgen.
„Der Erzbischof ist ein Jugendfreund meiner verstorbenen Mutter. Ich sehe da keine Probleme.“
„Aber – Seb! Du kennst das Mädchen doch gar nicht!“
„Ein wenig schon. Ich finde sie nett, sie eignet sich bestimmt als meine Frau, und bei Lynet hat sie es doch nun wirklich nicht schön.“
„Das stimmt allerdings“, gab John zu, „also heiratest du sie aus Mitleid?“
„Nein, das ist es nicht. Aber ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich dir meine Gründe nicht genauer darlege.“
„Kennst du sie denn überhaupt selbst, deine Gründe?“
Sebastian lächelte schief, denn diese Spitze Johns traf sein eigenes Gefühlschaos recht genau.
„Und warum schon in drei Tagen?“
„Lynet wünscht es so – und mich stört es nicht. Entschuldige mich bitte bei deiner Familie – ich breche sofort auf.“
* * *
Während Sebastian in zügigem Tempo nach London fuhr (ein Pferdewechsel in der Gegend von Dartford genügte), saß Melly in ihrem Zimmer und versuchte, sich zusammenzureimen, was nun eigentlich geschehen war.
Wenn alles nicht ein verrückter Traum gewesen war, dann hatte der Mann, den sie einmal ganz flüchtig bei Tageslicht gesehen und mit dem sie sich gestern kurz in der Nacht unterhalten hatte - eher hatte sie ihm etwas vorgeweint -, bei ihrem Vater um sie angehalten.
Warum nur? Und wer war er eigentlich? Wie der angedrohte Landstreicher sah er nicht aus… außerdem kannte er Mr. Horbury.
Warum hatte sie zugestimmt? Nun, das war einfach zu beantworten: Ihr Vater hätte ein Nein ohnehin nicht akzeptiert und sie hätte sich nur Prügel eingehandelt.
Warum wollte dieser Mann, der unbestreitbar recht gut aussah, sie heiraten?
Der kleine Spiegel über dem Toilettentisch war schon etwas blind, aber sie konnte sich darin durchaus noch erkennen, das schmale Gesicht mit der kleinen Nase und dem etwas spitzen Kinn, die großen Augen mit undefinierbarer heller Farbe, etwas zwischen grün und blau… langweilig. Die blonden, leicht krausen Haare taten nie, was sie sollten, und waren deshalb am besten in einem festen Knoten aufgehoben. Ein Schreckmittel war sie nicht gerade – sie lächelte probeweise – aber wirklich schöne Frauen, die man als Beautés bezeichnen konnte, sahen doch ganz anders aus. Wie Lady Simon zum Beispiel. Oder Annabelle Horbury, seitdem sie nicht mehr so viel plapperte.
Konnte dieser Mann finstere Absichten haben? Wie in einem Schauerroman? Vielleicht entführte er sie in ein düsteres Gemäuer und opferte sie dort heidnischen Gottheiten – oder einem Ungeheuer, das dort in den Kellergewölben hauste?
Unsinn! Das hatte nur in diesem einen Roman gestanden, der auf einer italienischen Insel gespielt hatte. In England gab es keine Ungeheuer.
In Italien wahrscheinlich auch nicht.
In drei Tagen sollte sie also diesen Mann heiraten… sie kannte nicht einmal seinen Namen. Ihr Vater hatte ihn wohl nicht genannt, um ihr zu zeigen, dass er seine Drohung ernst gemeint hatte. Oder wusste er ihn selbst nicht? War sie ihm so egal?
„Er ist mir auch egal“, murrte sie vor sich hin. Sollte sie für die Hochzeit etwas Besonderes bereitlegen?
Nein. Zum einen hatte sie kein wirklich schönes Kleid, zum anderen wäre doch etwas Abgewetztes in trüber Farbe viel angemessener…
Den Mantelsack würde sie nicht mitnehmen! Lieber trug sie bei ihrem neuen Gemahl tagaus, tagein das gleiche schäbige Kleid. Bei dem Gedanken rümpfte sie selbst die Nase. Nun gut, noch eins zum Wechseln.
Sie inspizierte ihren Kleiderschrank. Das Graue vielleicht für die Hochzeit? Es war sogar frisch gewaschen und auch gebügelt. Die weißen Kanten am Kragen und den Handgelenken sahen eigentlich recht nett aus. Nicht so, als hätte sie sich absichtlich ein hässliches Kleid angezogen.
Und noch das Blaue. Es war ein wenig verschossen, aber ganz nett mit den aufgestickten Sternchen neben dem kleinen Spitzenkragen.
Ihr schönstes Kleid war das in rosa, das sie bei den Nortons getragen hatte. Sie nahm es aus dem Schrank und brachte es Jane, die es entzückt annahm: „Bis ich in Gesellschaft gehen darf, passt es mir sicherlich. Aber warum magst du es nicht mehr?“
„Ich heirate in drei Tagen, dann brauche ich es doch nicht mehr“, erklärte Melly so trocken, wie ihr Vater ihr ihre Heirat angekündigt hatte.
Jane starrte sie an und Melly seufzte. „Vater hat doch gesagt, er gibt mich dem erstbesten Landstreicher – und dieser Mann sah eigentlich ganz ordentlich aus.“
„Wer ist er denn?“
„Das weiß ich nicht“, erklärte Melly und spürte, wie ihr dieser Gedanke auf eine seltsame Art und Weise zu gefallen begann. Aufregend war die Situation gewiss!
„Wenigstens seinen Namen wirst du doch kennen?“
„Nein. Ich frage ihn nach der Trauung.“
„Und was, wenn er Lucifer Evilheart heißt?“
Melly musste tatsächlich lachen. „Woher hast du denn diesen Namen?“
Jane zog einen abgegriffenen Band unter ihrem Kopfkissen hervor. „Ach ja, stimmt – Das Scheusal aus der Ruine. Jane, so heißt doch niemand in Wirklichkeit! Und wäre er wirklich Lucifer, würde ich ihn bitten, unseren Vater umgehend zu holen. Obwohl – lieber nicht, vielleicht müsste ich ja als des Teufels Gemahlin mit ihm in der Hölle leben, da möchte ich Vater nicht treffen.“
„Ich bewundere dich, Melly – wie du Vaters Willkür einfach so hinnimmst?“
„Was soll ich denn sonst tun? Ich habe vor einigen Tagen überlegt, zu Tante Amelia nach Andover zu fliehen, aber wie hätte ich das anfangen sollen?“
Jane nickte nachdenklich. „Wahrscheinlich geht es mir in einigen Jahren genauso…“
Melly umarmte ihre Schwester. „Nein. Du schickst mir dann eine Nachricht, und ich hole dich zu mir, wenn ich kann. Ich glaube, dieser Mann wird nichts dagegen haben. Und er sieht nicht aus, als sei er bettelarm. Mach dir da mal keine Sorgen, meine Süße!“
Während Melly ihre Zukunft durchdachte und Lady Lynet stirnrunzelnd die Vorräte durchsah und schließlich die Köchin bat, doch wenigstens einen bescheidenen Kuchen zu backen, fuhr Sebastian zügig nach London hinein.
Als er vor Herrion House anhielt und die Zügel dem herbeieilenden Stallburschen zuwarf, saß Lord Lynet in seinem Arbeitszimmer und gab sich süßen Träumen hin. Viertausend Pfund – in Staatspapieren hundertzwanzig Pfund pro Jahr. Damit könnten Margaret und Jane bescheiden leben… ach was! Mit etwas geschickter Spekulation oder etwas Glück konnte er die Summe sicher im Handumdrehen verdoppeln… nach der Hochzeit sollte er vielleicht tatsächlich wieder einmal nach London fahren. Jetzt schien ihm ja das Glück zu lachen!
Ob sich dieser Hertwood auf die Dauer als hilfsbereit erweisen würde? Wenn man an die steinerne Miene dachte, doch wohl eher nicht… nun, man würde sehen. Konnte er noch etwas vom Inventar verkaufen? Gab es nicht irgendwo noch ein Porträt seines Großvaters? Aber wer würde das schon haben wollen…
Margarets Schmuck? Davon war ohnehin nicht mehr viel übrig.
Nun, immerhin bekam er jetzt die viertausend Pfund. Und er war das Mädchen los. Dieses verhuschte Ding… er hatte sie noch nie gemocht, genauso wenig wie die Jüngere, Jane. Söhne hätte Margaret ihm schenken sollen, Söhne!
Er wusste zwar nicht allzu viel über Hertwood, aber arm war er offensichtlich nicht. Sollten doch er und Melinda zu gegebener Zeit Jane an den Mann bringen!
* * *
Sebastian hatte den Erzbischof in Lambeth Palace besucht und nach kurzer Erklärung der Sachlage eine Speziallizenz erhalten. Danach kehrte er – nach einem raschen Streifzug durch einige Geschäfte in der Bond Street - in sein Stadthaus zurück, ließ einen kleinen und einen größeren Koffer packen, instruierte seinen Kammerdiener, ließ im Stall einen geschlossenen Wagen vorbereiten und wies den Kutscher an, sich morgen in aller Frühe bereit zu halten. Er würde seine Frau in angemessener Art und Weise nach Herrion bringen und in einigen Tagen konnte Cecilia mit ihr nach Ascot zur Schneiderin fahren, um sie auszustatten.
Bei dem Gedanken an Lynet verzog er das Gesicht. Dieser Rabenvater dachte wohl, er würde das Mädchen – Melinda – einfach auf dem Land abladen, wo sie das Haus sauber halten und die Kinder großziehen konnte?
Nein, er wollte doch zumindest ein freundlicher Ehemann sein. Liebe – nun ja, Liebe konnte man wohl nicht immer erwarten, aber ein einigermaßen harmonisches Miteinander sehr wohl. Und Melinda war doch ein nettes kleines Ding…
Dazu kam noch der Effekt, dass Benedict zwar grinsen, aber seine Entscheidung gutheißen würde. Das mit den viertausend Pfund erzählte er ihm allerdings besser nicht, aber die würde Lynet schnell genug verschwendet oder verspielt haben…