Читать книгу Familiengeheimnis - Catherine St.John - Страница 9
Kapitel 7
ОглавлениеEr hatte natürlich so ruhig geschlafen, als hätte er eine Heldentat vollbracht, stellte er am nächsten Morgen fest, als er sich so korrekt wie möglich ankleidete und John beim Frühstück einen guten Morgen wünschte. Dieser hatte heute allerlei mit der Verwaltung des Anwesens zu tun und gab der Hoffnung Ausdruck, Sebastian werde sich auch ohne ihn gut amüsieren.
„Mach dir keine Sorgen, ich weiß schon, was ich tun werde“, antwortete sein Freund und bat den Diener um eine ordentliche Portion Eier mit Schinken. „Ich wüsste ja gerne, was du vorhast, wenn du dich derart in Schale geworfen hast“, grinste John über den Tisch.
„In Schale geworfen?“ Sebastian sah betont verwundert an sich herunter und studierte dann auch noch aufmerksam seine Ärmel. „Nennst du das einen Gala-Aufzug? Ich wundere mich über deine Vorstellungen von eleganter Kleidung…“
„Du weißt, was ich meine! Gestern warst du weniger förmlich gekleidet. Wen könntest du denn besuchen wollen… Vincent? Aber für einen Herzog ist er eigentlich recht leger und würde wahrscheinlich sehr verblüfft reagieren, wenn Freunde ihn mit Euer Gnaden ansprechen. Und sonst? Die Wentworths und die Nortons pflegen ein ganz normales Landleben, wir ohnehin, Lynet empfängt so gut wie niemanden – und wer wollte auch zu ihm? Unangenehmer Kerl. Schlechte Manieren… Aber wenn du dich nur für Hasen und Rehe so hübsch gemacht hast, ist das natürlich deine Sache. Ich wünsche dir viel Vergnügen.“
„Herzlichen Dank“, antwortete Sebastian trocken und widmete sich wieder seinem Schinken. „Wenn ich dir aber später bei deinen Aufgaben behilflich sein kann, dann zögere nicht, es mir zu sagen.“
„Sofern ich dich nicht bei deinem geheimnisvollen Vorhaben störe, herzlich gerne.“
Sobald John das Speisezimmer verlassen hatte, zückte Sebastian seine Uhr, nickte befriedigt, verstaute sie wieder in der Westentasche und erhob sich, um zu den Ställen zu schlendern.
Dort ließ er zwei seiner gut zusammenpassenden Grauen vor seinen Wagen spannen und fuhr nach Lynet, wo er einem steinalten Butler mitteilte, er sei Lord Hertwood und wünsche Seine Lordschaft, den Viscount, zu sprechen.
Der alte Mann ließ ihn in der Halle warten, um nachzufragen. Dies war Sebastian durchaus recht, denn so konnte er sich einige Minuten ungehindert umsehen. Die Halle war einmal sehr schön gewesen, was man noch an den aufwendigen Intarsien des Marmorbodens erkennen konnte. Er schätzte diesen Boden auf ein Alter von etwas mehr als hundert Jahren ein. Er wirkte stumpf, aber sauber – und abgesehen von einem mäßig wertvollen Spiegel an einer Wand waren die Wände kahl. Schlecht beleuchtet war die Halle auch; sie hatte keine Fenster, da wirkten zwei – nein, vier - Talglichte etwas dürftig.
Er zog gerade daraus die ihm schon sattsam bekannten Rückschlüsse auf die Finanzlage Lynets, als der Butler zurückkam. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Mylord?“
Das Arbeitszimmer wirkte etwas luxuriöser als die Halle und der Mann in mittleren Jahren, der sich hinter dem Schreibtisch erhob, war durchaus elegant, aber dem Landleben noch entsprechend gekleidet. Er bot dem Besucher einen Cognac an und Sebastian akzeptierte.
„Was kann ich denn für Sie tun, Hertwood? Wollen Sie sich hier in der Gegend ansiedeln? Ich wüsste allerdings nicht, dass hier ein Landsitz zum Verkauf stünde…“
„Danke, ich bin mit Herrion, unserem Besitz in Berkshire, durchaus zufrieden. Nein, ich habe ein anderes Anliegen.“
Er warf seinem Gegenüber, der sehr wachsam dreinsah, während er an seinem Cognac nippte, einen leicht verlegenen Blick zu. „Hm… ich habe nun schon die Dreißig passiert, besitze Land und einen Titel, wie Ihnen ja bekannt sein dürfte -“
Lynet stellte das Glas ab und begann zu lächeln. „Darf ich eine Vermutung wagen? Ihnen ist klar geworden, dass Sie allmählich die Erbfolge sichern sollten.“
„Nun – äh, ja.“
„Also suchen Sie nach einer geeigneten jungen Dame, die sie als Ehefrau heimführen könnten.“
„Sie haben natürlich Recht, Sir.“
Eindeutig glaubte Lynet, die Situation zu beherrschen, und genau das wollte Sebastian auch, deshalb gab er den schüchternen Bewerber.
„Ich bin gerade bei den Horburys zu Besuch – und John Horbury hat mir berichtet, Sie hätten eine reizende Tochter…“
Das Lächeln wurde zum Strahlen. „Oh ja – Sie meinen sicher unsere Melinda. Sie ist neunzehn. Ein liebes, braves Mädchen und in allen hausfraulichen Fertigkeiten ausgebildet. Möchten Sie sie sehen?“
„Nun, das sollte ich wohl. Es könnte ja auch sein, dass Ihre Tochter gar nicht mit meinem Vorschlag einverstanden ist?“
Lynets Gesicht verschloss sich. „Das Mädchen wird tun, wie ihr geheißen.“
„Sie geben ihr kein Mitspracherecht?“
„Wo kämen wir denn da hin! Ein Mädchen hat erst den Eltern, dann dem Ehemann zu gehorchen – basta. Diese modernen Sitten kann ich gar nicht billigen. Ich hoffe, Sie haben nicht vor, ein nachgiebiger Ehemann zu sein?“
„Gewiss nicht“, versicherte Sebastian lügnerisch. „Schön, dass wir da einer Meinung sind.“
Bei diesen Worten entspannte Lynet sich wieder; er stürzte seinen Cognac herunter und eilte zur Tür, wo er in den Gang hinausbrüllte, Miss de Lys möge sich sofort zum Arbeitszimmer bemühen.
Sebastian registrierte im Stillen die schlechten Manieren seines Gastgebers, er konnte nur hoffen, dass seine Zukünftige davon noch nicht angesteckt war… aber dann würde er wirklich so streng sein, wie sein unsympathischer Schwiegervater es wünschte.
Dieser musterte ihn taxierend und fragte dann: „Wieviel?“
„Wieviel?“, wiederholte Sebastian töricht, dann wurde ihm klar, was Lynet meinte, und er lachte auf. „Das hörte sich eben an, als wollten Sie Ihre Tochter verkaufen! Aber es geht um Nadelgeld und Wittum, nicht wahr? Nun, ich dachte an tausend Pfund Nadelgeld und ein entsprechendes Wittum, außerdem das Wohnrecht im Dower House von Herrion Estate. Sollten wir Nachkommen haben, könnte sich dieses Witwengeld noch beträchtlich erhöhen. Das war es wohl, was Sie wissen wollten?“
„Nun… ja. Allerdings hat die Erziehung des Mädchens natürlich einiges gekostet, nicht wahr…“
Sebastian konnte kaum glauben, was er da hörte: „Sie wollen Ihre Tochter also tatsächlich verkaufen? Sir, ich muss mich doch sehr wundern!“
„Nur meine Unkosten!“, winselte Lynet förmlich. „Der Besitz ist nicht schuldenfrei – und ich habe noch eine Tochter unterzubringen. Fünftausend Pfund?“
Unverschämtheit, fand Sebastian. Bevor er aber ungehalten reagieren konnte, öffnete der alte Butler die Tür und ließ Miss de Lys eintreten, die vor ihrem Vater ängstlich knickste.
Sebastian beobachtete sie genau und spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg, als er sah, wie sehr sie sich vor ihrem Vater fürchtete und wie verächtlich er das arme Mädchen behandelte. Sicher, sie war nicht gerade eine beeindruckende Persönlichkeit und auch nicht übermäßig hübsch, aber durchaus ein nettes kleines Ding.
„Ich hatte dir ja gesagt, dass ich einen Mann für dich finden würde“, verkündete Lynet kalten Tons.
Finden? Lynet hatte doch gar keine Mühe darauf verwendet?
„J-ja, Vater.“ Miss de Lys starrte zu Boden, nur einmal riskierte sie einen scheuen kurzen Blick auf Sebastian, schien ihn aber gar nicht zu erkennen. Nun, bei ihrem letzten Treffen hatte der klägliche Halbmond nicht gerade für Beleuchtung gesorgt…
„Du wirst also so schnell wie möglich heiraten.“
„J-ja, Vater.“
Vor einem solchen Vater würde er wohl auch in die erstbeste Ehe flüchten…
Lynet sah Sebastian eindringlich an. „Sie besorgen eine Lizenz?“
„Haben Sie es so eilig?“, konnte der Bräutigam sich nicht verkneifen.
„Wozu noch warten? Wenden Sie sich am besten an den Erzbischof.“
„Einverstanden. Miss de Lys?“
Sie hob - offenbar nicht ohne Mühe – den Blick und nickte knapp.
„Du kannst wieder gehen“, verfügte ihr Vater. „Was jetzt kommt, geht dich nichts an.“
Das Mädchen knickste wieder und verschwand eilig aus der Bibliothek. Gesagt hatte sie gar nichts. Ob das eine interessante Ehe würde? Einen Moment lang fragte Sebastian sich wieder, ob er völlig den Verstand verloren hatte… andererseits zog ihn etwas Unbekanntes zu diesem scheuen kleinen Ding hin. Nun, jetzt konnte er ohnehin nicht mehr zurück, heiraten musste er zweifelsfrei – also warum nicht Miss de Lys, die aus einer recht vornehmen Familie stammte? Sollte sich keine Liebe einstellen – nun, so gab es auch noch Mätressen. Friedlich zusammenleben konnte man mit dem Mädchen bestimmt - und die nötigen Erben würden sie gemeinsam ja wohl in die Welt setzen können… also weiter!
„Fünftausend?“ Lynet fixierte ihn.
Sebastian starrte unbeweglich zurück.
Lynet seufzte. „Vier fünf. Sie können im Gegenzug das Nadelgeld halbieren, Melinda braucht nicht so viel. Sie wird ja wohl auf dem Land leben… Berkshire, sagten Sie, nicht?“
Wollte er jetzt Interesse vortäuschen?
Sebastian schwieg weiter, nun mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann nahm er eine kleine Prise, klappte die Dose mit einer eleganten Handbewegung wieder zu und heftete seinen ruhigen grauen Blick wieder auf Lynet, bis dieser einen ärgerlichen Laut von sich gab.
„Gut, viertausend. Und das Mädchen kann seine Garderobe mitnehmen.“
„Viertausend ist in Ordnung. Die Garderobe kann sie hierlassen, vielleicht passt sie ja eines Tages der Jüngeren. Schließlich werden Sie wohl kaum vorhaben, in die Zukunft ihrer Jüngeren Geld zu investieren, nicht wahr? Ich werde Miss de Lys ausstatten lassen, wie es einer Lady Hertwood zukommt.“
„Sie ist nicht verwöhnt. Und wer wird sie auf dem Land schon sehen…“
„Hier hat man sie doch auch gesehen?“
„Doch nur, um sie unterzubringen! Das dürfte sich jetzt ja wohl erledigt haben.“
Mit diesem Schwiegervater würde er keinesfalls ein herzliches Verhältnis pflegen!
„Würden Sie mich auch noch Lady Lynet vorstellen?“
„Wozu das?“
„Ich möchte gerne auch meiner künftigen Schwiegermutter meine Aufwartung machen“, erläuterte Sebastian, nun nicht nur leicht gereizt. „Ich denke, das ist unter wohlerzogenen Menschen so üblich.“
„Zeitverschwendung“, murmelte Lynet. „Na gut, kommen Sie mit.“
Er führte ihn in den Salon, wo Lady Lynet, eine immer noch gut aussehende Frau, hastig eine Näharbeit verschwinden ließ und zu einem Stickrahmen griff. Sie warf ihrem Gemahl einen Blick zu, der keinerlei Zuneigung erkennen ließ, und lächelte dem Besucher dann reserviert zu.
„Hertwood wird Melinda heiraten“, verkündete Lynet dann in barschem Ton.
„Ah ja?“
„Lady Lynet, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Seien Sie versichert, dass ich Melinda ein angenehmer Gatte sein werde.“ Sebastian beugte sich über die Hand seiner Schwiegermutter und hauchte den korrekten Kuss darauf.
„Mir scheint, ich kann mich für Melly freuen“, murmelte die Viscountess und vermied den Blick ihres Gemahls, der abfällig schnaubte. Dies wiederum quittierte Sebastian mit hochgezogenen Brauen.
„Sagen wir, heute in drei Tagen findet die Hochzeit statt“, verfügte Lynet. „Sie besorgen die Lizenz, meine Frau informiert den Pfarrer. Gäste brauchen wir wohl nicht einzuladen – das kostet nur unnötig. Hertwood, unsere Vereinbarung wird am Hochzeitstag fällig.“
„Ich gebe Ihnen die entsprechenden Papiere“, antwortete dieser. „Und ich möchte einen Trauzeugen haben.“
„Wozu? Das kann ich auch tun.“
„Ohne Sie kränken zu wollen, Sir – aber ich hätte gerne einen Trauzeugen meines Vertrauens.“
Der Viscountess entfuhr ein amüsierter Laut, aber schnell täuschte sie vor, mit ihrer Stickerei beschäftigt zu sein. Der Blick, den ihr Gemahl ihr zuwarf, gefiel Sebastian nicht.
„Meinetwegen“, brummte Lynet. „Wen möchten Sie denn noch dazubitten?“
„John Horbury.“
„Ausgerechnet… nun, wenn es sein muss… ich denke, wir haben dann alles geklärt, nicht? In drei Tagen, am frühen Abend, sagen wir, fünf Uhr.“
„Zur Teezeit?“, spottete Sebastian.
Der Viscount runzelte die Stirn, als befürchte er, den Bräutigam und seinen Trauzeugen womöglich noch zu einer Tasse Tee einladen zu müssen.
Sebastian grinste spöttisch, verbeugte sich knapp, bevor er sich erneut über die Hand der Viscountess beugte und dabei murmelte: „Sie und ihre kleine Tochter sind in Herrion stets willkommen.“
Das trug ihm ein winziges, aber eindeutig dankbares Lächeln ein.