Читать книгу Shirley (Deutsche Ausgabe) - Charlotte Bronte, Шарлотта Бронте - Страница 4

II – Die Wagen

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Der Abend war pechschwarz, Sterne und Mond waren hinter grauen Regenwolken erloschen – grau würden sie bei Tag gewesen sein, bei Nacht aber sahen sie schwarz aus. Malone war kein Mann für Beobachtungen der Natur. Ihre Veränderungen gingen größtenteils unbemerkt an ihm vorüber. Er konnte meilenweit an einem unbeständigen Apriltag gehen und nie das schöne Getändel von Erde und Himmel sehen, nie bemerken, wie jetzt ein Sonnenstrahl die Spitzen der Hügel küsste und sie im grünen Licht lächeln ließ und dann ein Regenschauer über ihnen weinte und ihre Gipfel mit den tief herabhängenden, zerstreuten Locken einer Wolke bedeckte. Es fiel ihm daher nicht ein, den Himmel, wie er jetzt erschien – ein verhülltes, strömendes Gewölbe, ganz schwarz, außer wo gegen Westen hin die Öfen der Eisenwerke von Stilbro’ einen zitternden, schwarzgelben Schimmer auf den Horizont warfen – mit demselben Himmel in einer wolkenlosen kalten Nacht zu vergleichen. Es fiel ihm nicht ein, zu fragen, wo die Planeten und Fixsterne hergekommen waren, oder die dunkelblaue Reinheit des Luftozeans zu vermissen, in der jene weißen Inselchen funkelten und welche ein anderer Ozean von schwererem und dichterem Element jetzt verbarg. Er ging mürrisch seinen Weg, ein wenig nach vorn gebeugt und den Hut auf dem Hinterkopf tragend, wie es seine irische Gewohnheit war. Trapp, trapp ging er den Fußweg entlang, solange die Straße den Vorteil dieser Bequemlichkeit aufwies, patsch, patsch durch die schlammgefüllten Wagenfurchen, wo sich statt der Steine weicher Schlick zeigte. Er sah sich nur nach gewissen Landmarken um, dem Kirchturm von Briarfield und den Lichtern von ›Red House Inn‹. Dies war ein Gasthof, und als er ihn erreichte, hätte bald die Glut eines Feuers hinter einem halbverhängten Fenster, der Anblick von Gläsern auf einem runden Tisch und Zechender auf einer eichenen Bank den Geistlichen von seinem Weg abgelenkt. Er dachte sehnsüchtig an einen Tummler mit Whisky und Wasser. An einem fremden Ort würde er seinen Traum sogleich verwirklicht haben, aber die in dieser Gaststube versammelte Gesellschaft bestand aus Mr. Helstones eigenen Gemeindemitgliedern. Sie kannten ihn alle. Er seufzte und ging vorüber.

Jetzt musste er die Heerstraße verlassen, da man den restlichen Weg nach Hollow’s Mill durch einen Querweg über die Felder bedeutend verkürzen konnte. Diese Felder waren eben und monoton. Malone ging geradeaus durch dieselben, und sprang über Hecken und Mauern. Nur an einem Gebäude kam er vorbei und dieses schien ihm groß und anständig, obgleich unregelmäßig. Man konnte einen hohen Giebel erkennen, dann eine lange Fassade, dann wieder einen niedrigen Giebel und zuletzt eine starke und hohe Reihe von Schornsteinen, dahinter einige Bäume. Es war finster, kein einziges Licht schien aus einem der Fenster. Ganz still war es auch. Der Regen rann aus den Dachrinnen und das ziemlich stürmische, aber doch sehr leise Flüstern des Windes um die Schornsteine und durch die Äste war das einzige Geräusch.

Hinter diesem Gebäude senkten sich die bis dahin flachen Felder schnell abwärts. Offenbar lag ein Tal da unten, und man konnte Wasser durch dasselbe rauschen hören. Ein Licht flimmerte aus der Tiefe. Auf dieses Leuchtsignal steuerte Malone zu.

Er gelangte zu einem kleines weißen Haus – dass es weiß war, konnte man selbst durch die dichte Finsternis sehen – und klopfte an die Tür. Eine rotwangige Magd öffnete. Durch ein Licht, das sie hielt, wurde ein enger Gang sichtbar, der an einer ebensolchen Treppe endete. Zwei mit rotem Filz verkleidete Türen und ein Streifen roten Teppichs die Treppen hinab stachen von den weiß gestrichenen Wänden und der weißen Diele ab, wodurch der kleine Raum hell und freundlich aussah.

»Mr. Moore ist daheim, wie ich hoffe.«

»Ja, Sir, aber nicht hier.«

»Nicht hier! Wo ist er denn?«

»In der Fabrik, im Kontor.«

Hier öffnete sich eine der roten Türen.

»Sind die Wagen da, Sarah?« fragte eine Frauenstimme und zugleich ließ sich ein Frauenkopf sehen. Der Kopf einer Göttin war es freilich nicht, denn ein gedrehter papierener Haarwickel auf jeder Seite der Schläfe ließ diese Annahme nicht zu, aber es war auch nicht der einer Gorgone4. Dennoch schien Malone ihn im letzten Licht für eine solche zu halten. So stark und groß wie er war, schreckte er bei diesem Anblick schüchtern in den Regen zurück und eilte mit den Worten: »Ich will zu ihm gehen«, in anscheinender Hast eine kurze Strecke fort über einen dunklen Hof zu einem großen, schwarzen Fabrikgebäude.

Die Arbeitsstunden waren vorüber, die Werkleute fortgegangen, die Maschinerie stand still, die Fabrik war verschlossen.

Malone ging um dieselbe herum. An ihrer breiten, rußigen Seite sah er endlich ein Licht blinken. Er klopfte wieder an eine Tür, wozu er sich des dicken Endes seines Knüppels bediente und damit ein lautes Geräusch machte. Ein Schlüssel wurde gedreht und die Tür geöffnet.

»Ist es Joe Scott? Wie steht’s mit den Wagen, Joe?«

»Nein, ich bin es. Mr. Helstone hat mich hergeschickt.«

»Oh, Mr. Malone!« Als die Stimme diesen Namen sprach, lag einiger Verdruss darin, doch so wenig wie möglich. Nach einer augenblicklichen Pause fuhr sie höflich, doch etwas förmlich fort:

»Haben Sie doch die Güte, hereinzukommen, Mr. Malone. Ich bedauere sehr, dass Mr. Helstone es für notwendig erachtet hat, Sie so weit hierher zu bemühen. Es wäre gar nicht nötig gewesen. Ich sagte es ihm auch – und in einer solchen Nacht – doch kommen Sie herein!«

Malone folgte durch ein dunkles, nicht näher zu erkennendes Gemach dem Sprecher in einen hellen und glänzenden inneren Raum. Hell und glänzend kam er den Augen allerdings vor, die sich seit einer Stunde bemüht hatten, die doppelte Finsternis von Nacht und Nebel zu durchdringen. Abgesehen von einem vortrefflichen Feuer und einer elegantem Lampe, die auf einem Tisch einen munteren Schein verbreitete, war jedoch alles sehr einfach gehalten. Die hölzerne Diele war ohne Teppich, die drei bis vier steiflehnigen, grün lackierten Stühle schienen ehemals in die Küche einer Pächterwohnung gehört zu haben. Ein Tisch von starker, solider Form, der vorhin erwähnte, und einige eingerahmte Bilder an den steinfarbig gestrichenen Wänden, Pläne zu Gebäuden und Gärten, sowie Muster zu Maschinen usw. darstellend, vervollständigten die Möblierung.

So einfach es auch war, so schien es doch Malone zu befriedigen, der, als er seinen durchnässten Oberrock und Hut aufgehängt hatte, einen der rheumatisch aussehenden Stühle an den Kamin zog und seine Knie fast ganz innerhalb der Stangen des roten Rostes stellte.

»Sie wohnen hier recht hübsch, Mr. Moore, und so ganz sich selbst gehörend.«

»Allerdings, aber meiner Schwester würde es sehr angenehm sein, Sie zu sehen, wenn Sie lieber in das Haus gehen wollten.«

»Ach nein! Die Damen sind am besten allein. Ich war nie ein großer Damenfreund. Sie halten mich doch nicht etwa für meinen Freund Sweeting, Mr. Moore?«

»Sweeting? Welcher ist denn das? Der Herr in dem schokoladenfarbenen Oberrock oder der kleine Herr?«

»Der kleine, der aus Nunnely, der Ritter der Misses Sykes, in welche alle sechs er verliebt ist, ha, ha, ha!«

»Besser, im Allgemeinen in alle, als im Speziellen in eine, sollte ich in dieser Beziehung glauben.«

»Aber er ist auch speziell in eine verliebt, denn als ich und Donne in ihn drangen, eine Auswahl unter der schönen Schar zu treffen, so nannte er – wen denken Sie wohl?«

Mit einem sonderbaren ruhigen Lächeln entgegnete Mr. Moore: »Dora gewiss, oder Harriet?«

»Ha, ha, ha! Sie können vortrefflich raten. Aber warum kommen Sie gerade auf diese beiden?«

»Weil sie die größten, die schönsten sind. Dora ist wenigstens die ansehnlichste, und da Ihr Freund, Mr. Sweeting, nur klein und mager ist, schloss ich daraus, nach einer in solchen Fällen oft vorkommenden Regel, dass er seinen Kontrast vorzieht.«

»Sie haben recht, Dora ist es. Aber er hat keine Aussicht, nicht wahr, Moore?«

»Was hat denn Mr. Sweeting außer seiner Stelle als Hilfsgeistlicher?«

Diese Frage schien Malone erstaunlich zu beunruhigen. Er lachte länger als drei Minuten und antwortete dann:

»Was Sweeting hat? Nun, David hat seine Harfe oder Flöte, was auf eines hinausläuft. Auch hat er noch eine Art von Talmi-Uhr, gleichfalls einen Ring sowie eine Lorgnette. Das ist es, was er hat.«

»Wie könnte er denn da Miss Sykes nur allein mit Unterröcken ausstatten?«

»Ha, ha, ha! Vortrefflich! Ich frage ihn dazu, sobald ich ihn sehe. Ich will ihn wegen seiner Anmaßung schon auf den Rost legen. Aber zweifellos hofft er, der alte Christoph Sykes werde ihm etwas entgegenkommen. Er ist reich, nicht wahr? Er wohnt in einem großen Haus.«

»Sykes leben auf großem Fuß.«

»Daher muss er vermögend sein, Sir?«

»Daher muss er mit seinem Vermögen frei schalten können, und in diesen Zeiten würde es ebenso gut sein, Geld damit verdienen zu wollen, seinen Töchtern Ausstattungen zu geben, als wenn ich diese Hütte hier niederrisse, um mir auf ihren Ruinen ein Haus zu bauen, so groß wie Fieldhead.«

»Wissen Sie, was ich neulich hörte, Moore?«

»Nein. Vielleicht, dass ich im Begriff stünde, so etwas zu tun? Ihre Briarfield’schen Klatschbasen sind imstande, so etwas und vielleicht noch tolleres Zeug zu schwatzen.«

»Dass Sie Fieldhead pachten wollten – nebenbei gesagt, kam es mir, als ich heute Nacht vorüberging, sehr unfreundlich vor – und dass es Ihre Absicht sei, eine Miss Sykes dort als Gebieterin einzuführen, kurz, sich zu verheiraten, ha, ha, ha! Nun, welche ist es? Dora gewiss. Sie sagten ja, dass sie die schönste sei.«

»Ich möchte nur wissen, wie oft ich schon für verlobt erklärt wurde, seit ich nach Briarfield kam! Sie haben mir jedes heiratsfähige Frauenzimmer reihum offeriert. Vorher waren es die zwei Misses Wynn, erst die braunhaarige, dann die blonde, dann die rothaarige Miss Armitage, ferner die sehr reife Anna Pearson. Jetzt bringen Sie mir den ganzen Stamm der Misses Sykes auf den Hals. Gott weiß, was an all dem Geschwätz Schuld ist. Ich besuche niemand – ich suche weibliche Gesellschaft beinahe ebenso eifrig auf wie Sie, Mr. Malone. Gehe ich einmal nach Whinbury, dann geschieht es bloß, um Sykes oder Pearson einmal in ihren Kontoren zu besuchen, wo wir von ganz anderen Dingen als vom Heiraten sprechen und an ganz andere Sachen als Werbungen, Einrichtungen und Ausstattungen zu denken haben. Das Tuch, das wir verkaufen, die Arbeiter, die wir anstellen, die Fabriken, die wir nicht betreiben können, der schlechte Stand der Dinge im Allgemeinen, den wir nicht ändern können, beschäftigen uns völlig und lassen uns durchaus nicht an solche Luftgebilde von Liebeswerben und dergleichen denken.«

»Da bin ich ganz mit Ihnen einverstanden, Moore. Wenn es irgendetwas gibt, das ich mehr hasse als alles andere, so ist es die Vorstellung des Heiratens. Ich meine nämlich Heiraten im gewöhnlichen Sinne als eine bloße Sache des Gefühls. Zwei bettelarme Narren verständigen sich darauf, ihre Armut durch eine fantastische Albernheit von Empfindung zu vereinen – Dummheit! Aber eine vorteilhafte Verbindung, eine solche, die man in Übereinstimmung mit würdigen Aussichten und dauernden soliden Interessen schließen kann, ist nicht so übel – he?«

»Nein!« antwortete Moore ziemlich abwesend. Der Gegenstand schien kein Interesse für ihn zu haben. Er verfolgte ihn also nicht. Nachdem er mit beschäftigter Miene einige Zeit dagesessen und ins Feuer geblickt hatte, wandte er plötzlich den Kopf.

»Hören Sie!« sagte er. »Hörten Sie nicht Räder?« Er stand auf und ging ans Fenster, öffnete es und horchte. Es dauerte nicht lange, und er schloss es wieder.

»Es ist nur das Geräusch des stärker werdenden Windes«, bemerkte er, »und des etwas angeschwollenen Baches, der das Tal herab kommt. Ich erwartete die Wagen um sechs, und es ist jetzt bald neun.«

»Glauben Sie wirklich, dass die Inbetriebnahme dieser neuen Maschinen Ihnen Gefahr bringen wird?« fragte Malone.

»Helstone scheint es zu denken.«

»Ich wünschte bloß, dass die Maschinen – die Rahmen – sicher hier wären und in der Fabrik untergebracht. Einmal aufgestellt, trotze ich den Zerstörern. Sie mögen mir nur einen Besuch abstatten und die Folgen zu spüren bekommen. Meine Fabrik ist meine Festung.«

»Man braucht solches Gesindel nicht zu fürchten«, bemerkte Malone in tiefes Nachdenken geratend. »Ich wollte nur, dass solch eine Schar heute Nacht bei Ihnen vorspräche! Aber die Straße schien, als ich kam, außerordentlich still. Ich sah nichts Beunruhigendes.«

»Sie kamen beim roten Haus vorbei?«

»Ja.«

»Da konnte nichts auf der Straße zu sehen sein. Die Gefahr droht aus der Richtung von Stilbro’.«

»Sie glauben also doch, dass von dort Gefahr besteht?«

»Was diese Schurken anderen angetan haben, können sie auch mir antun. Dabei besteht nur der Unterschied, dass viele Fabrikanten ganz außer sich zu sein scheinen, wenn sie angegriffen werden. Sykes zum Beispiel tat keinen Schritt, um die Bösewichter zu überführen oder zu bestrafen, als seine Zurichterei in Brand gesteckt und bis auf den Grund abgebrannt wurde, als man die Tücher von den Rahmen riss und in Fetzen auf den Feldern liegen ließ. Er gab sich ganz friedlich drein, wie ein Kaninchen unter die Zähne eines Wiesels. Ich aber, so weit ich mich kenne, würde standhaft bei meinem Handel, meiner Fabrik und meinen Maschinen stehen.«

»Helstone sagt, diese drei seien Ihre Götter, die Kabinettsbefehle wären Ihnen gleichbedeutend mit den sieben Todsünden, Castlereagh sei Ihr Antichrist, und die Kriegspartei seine Legionen.«

»Ja, ich hasse all dies, weil es mich zugrunde richtet. Es steht mir im Weg. Ich komme nicht vorwärts und kann deshalb meine Pläne nicht ausführen. Ich sehe mich durch dessen entgegengesetzten Einfluss in allem gehindert.«

»Aber Sie sind reich und betriebsam, Moore?«

»Ich bin sehr reich an Tuch, kann es aber nicht verkaufen. Sie sollten nur einmal dort in meine Lagerhäuser kommen und sehen, wie sie bis unters Dach vollgestopft sind. Roakes und Pearson sind in derselben Lage. Amerika war ihr Markt, aber die Kabinettsbefehle haben ihn abgeschnitten.« Malone schien nicht geneigt, eine solche Unterhaltung lebhaft fortzusetzen, er fing also an, die Absätze seiner Stiefeln zusammenzuschlagen und zu gähnen.

»Und dann zu denken«, fuhr Mr. Moore fort, der zu sehr mit dem Fluss seiner eigenen Gedanken beschäftigt zu sein schien, als dass er die Anzeichen der Langeweile seines Gastes hätte bemerken können, »und dann zu denken, dass diese lächerlichen Klatschereien von Whinbury und Briarfield einen stets mit Heiratsgeschichten quälen! Als ob man im ganzen Leben weiter nichts zu tun hätte, als einer jungen Dame, wie Sie es nennen, Aufmerksamkeit zu zeigen, und dann zur Kirche mit ihr zu gehen, und dann eine Hochzeitsreise mit ihr zu machen, und dann eine Reihe von Besuchen abzustatten, und dann wohl sogar – eine kleine Familie zu haben! Oh, que le diable emporte!5« Er brach die Verwünschung, die er mit einer gewissen Leidenschaft noch auf den Lippen hatte, ab und setzte ruhiger hinzu: »Ich glaube, die Frauen sprechen und denken nur von solchen Dingen und meinen also, der Männer Sinn sei ebenfalls nur mit dergleichen beschäftigt.«

»Ja, ja, allerdings!« stimmte Malone ein. »Aber geben Sie nichts darauf.« Nun blickte er unruhig umher, als suche er etwas. Das bemerkte Moore und verstand recht gut, was er wollte.

»Mr. Malone«, sagte er also, »nach Ihrem nassen Weg werden Sie gewiss einer Erfrischung bedürfen. Ich war recht unaufmerksam.«

»Oh, ganz und gar nicht«, entgegnete Malone, sah aber dennoch so aus, als ob jener den Nagel auf den Kopf getroffen hätte. Moore stand also auf und öffnete einen Speiseschrank.

»Es ist meine Gewohnheit«, sagte er, »jede Bequemlichkeit hier zu haben, um nicht von den Weibspersonen im Haus dort wegen jedes Mundvolls, was ich esse, und jedes Tropfens, den ich trinke, abhängig zu sein. Ich bleibe oft den Abend hier, esse allein und schlafe mit Joe Scott in der Fabrik. Oft bin ich mein eigener Wächter. Ich brauche wenig Schlaf und wandere gern in einer schönen Nacht ein paar Stunden mit meiner Flinte im Tal herum. – Mr. Malone, können Sie Hammelrippchen braten?«

»Versuchen Sie es. Ich habe es hundertmal im College getan.«

»Da sind welche, und hier der Bratrost. Wenden Sie sie nur schnell um. Sie kennen doch das Geheimnis, wie der Saft darin bleibt?«

»Seien Sie ohne Sorge – Sie werden sehen! Geben Sie nur Messer und Gabeln her.«

Der Hilfsgeistliche schlug seine Aufschläge über und nahm sich eifrig des Kochens an. Der Fabrikant brachte Teller, einen Laib Brot, eine schwarze Flasche und zwei Tummler auf den Tisch. Dann nahm er einen kleinen kupfernen Kessel, ebenfalls aus dem gut ausgerüsteten Speiseschrank, füllte ihn mit Wasser aus einem großen steinernen Krug in einer Ecke, setzte ihn neben dem zischenden Bratrost aufs Feuer und holte Zitronen, Zucker und eine kleine Punschbowle aus Porzellan. Doch während er den Punsch braute, rief ihn ein Schlag an der Tür davon ab.

»Bist du es, Sarah?«

»Ja, Sir. Wollen Sie nicht zum Abendessen kommen?«

»Nein, ich komme diese Nacht nicht ins Haus. Ich werde hier in der Fabrik schlafen. Schließe also nur zu, und sag deiner Herrin, dass sie zu Bett gehen kann.« Darauf kam er wieder.

»Sie haben Ihren Haushalt in schönster Ordnung«, bemerkte Malone beifällig, als er mit seinem von den Kohlen, über die er sich beugte, hochgeröteten Gesicht die Hammelrippchen eifrig umwendete. »Sie stehen nicht unter Unterrockregierung wie der arme Sweeting. Ein Mann – oh weh! – wie das Fett spritzt! Ich habe mir die Hand verbrannt – ein Mann, der bestimmt ist, von Weibern beherrscht zu werden. Sie und ich, Moore – da ist eine recht braune für Sie, und recht saftig – Sie und ich werden keine grauen Stuten in unseren Ställen haben, wenn wir heiraten.«

»Das weiß ich nicht – ich denke nie daran, wenn aber die graue Stute schön und verständig ist, warum nicht?«

»Die Hammelrippchen sind fertig. Ist es der Punsch auch?«

»Da ist ein Glas voll. Kosten Sie ihn. Wenn Joe Scott und seine Männer nach Hause kommen, sollen sie etwas davon haben, vorausgesetzt, dass sie die Sachen unangetastet mitbringen.«

Malone war in der besten Laune beim Abendessen. Er lachte über Kleinigkeiten überlaut, machte schlechten Spaß und beklatschte sich dann selbst, kurz, er wurde unbescheiden lärmend. Dagegen blieb sein Wirt so ruhig wie zuvor.

Du aber, lieber Leser, musst doch eine Idee von dem Aussehen dieses Wirts erhalten. Ich will versuchen, sein Porträt zu entwerfen, wie er hier bei Tisch sitzt.

Er ist, wie du zweifellos auf den ersten Blick sagen würdest, ein sonderbar aussehender Mann, denn er ist mager, bleich, fremden Aussehens, mit dunklem Haar, das ihm ungeordnet über die Stirn hängt. Es scheint, als ob er wenig Zeit für seine Frisur verwende, sonst würde er sie wohl mit mehr Geschmack geordnet haben. Er scheint es nicht zu wissen, dass seine Züge schön sind und eine gewisse südländische Symmetrie, Reinheit und Regelmäßigkeit besitzen. Auch wird, wer ihn anschaut, dessen nicht eher gewahr, bis er ihn genau betrachtet hat, denn ein gewisser besorgter Ausdruck, eingefallene Wangen und gewisse verhärmte Züge verwandeln die Idee der Schönheit in die des Kummers. Seine Augen sind groß, ernst und grau. Ihr Ausdruck ist klug und nachdenklich, eher forschend als sanft, eher gedankenvoll als mild. Wenn er seine Lippen zu einem Lächeln öffnet, werden seine Züge angenehm, nicht dass sie selbst dann frei und freundlich wären, doch man empfindet den Einfluss eines gewissen ruhigen, verführerischen Reizes, ob wahr oder täuschend, von einer besonnenen, ja vielleicht wohlwollenden Natur, von Gefühlen, die daheim wohltätig wirken können, geduldigen, ertragenden, womöglich vertrauensvollen Gefühlen. Er ist noch jung – nicht älter als dreißig. Seine Gestalt ist schlank, sein Gesicht mager. Seine Art zu sprechen missfällt. Er hat einen ausländischen Akzent, der, ungeachtet einer studierten Sorglosigkeit in Aussprache und Redeweise, einem britischen Ohr, und insbesondere einem aus Yorkshire, wehtut.

Mr. Moore war in der Tat nur zur Hälfte Brite, und dies kaum. Er war von mütterlicher Seite her fremder Herkunft und selbst auf fremdem Boden geboren, ja zum Teil erzogen. Ein Mischling von Natur, besaß er auch zweifellos in vielen Beziehungen gemischte Gesinnungen, wenigstens in Bezug auf Patriotismus. Es ist wahrscheinlich, dass er unfähig war, sich an Parteien, Konfessionen, selbst Klimata und Gewohnheiten zu binden. Ebenso besaß er wohl auch eine Neigung, seine Individualität von aller Gemeinschaft, in welche sein Los temporär geworfen werden könnte, zu entfernen, und er hielt es für die größte Weisheit, die Geschäfte Robert Gérard Moores unter Ausschluss menschenfreundlicher Rücksichten auf allgemeine Interessen zu betreiben, denen er nach Ansicht besagten Robert Gérard Moores nicht verpflichtet zu sein glaubte. Handel war Mr. Moores ererbter Beruf.

Die Gérards aus Antwerpen waren seit zwei Jahrhunderten Kaufleute gewesen, ehemals reiche Kaufleute, aber Unsicherheiten und Geschäftsverwicklungen waren auch über sie gekommen, missglückte Spekulationen hatten nach und nach die Stützen ihres Kredits gelockert, das Haus hatte ein Dutzend Jahre lang auf schwankendem Grund gestanden und war endlich beim Anstoß der französischen Revolution in gänzlichen Ruin geraten. In den Fall desselben war die englische Firma Moores aus Yorkshire verwickelt worden, die mit dem Haus in Antwerpen in enger Verbindung stand und von welcher einer der in Antwerpen wohnenden Teilnehmer, Robert Moore, Hortense Gérard mit der Aussicht, dass sie ihres Vaters, Constantine Gérard, Teil an dem Geschäft erben werde, geheiratet hatte. Sie erbte jedoch, wie wir sahen, bloß ihren Anteil an den Verbindlichkeiten der Firma und diese übernahm, obgleich durch eine Übereinkunft mit den Kreditoren gänzlich beseitigt, ihr obengenannter Sohn Robert seinerseits als eine Erbschaft, die er eines Tages bei denselben zu tilgen und das gefallene Haus Gérard und Moore wieder in einen Zustand zu bringen strebte, der dessen früherer Größe wenigstens gleich käme. Wahrscheinlich nahm er sich die Vergangenheit sehr zu Herzen, und wenn eine an der Seite einer schwermütigen Mutter unter Ahnung kommenden Unglücks verlebte Jugend und Männerjahre durch das mitleidslose Hereinbrechen des Sturms verstört und entblättert und auf den Geist schmerzliche Eindrücke machen können, so war der seine wahrscheinlich nicht in goldenen Buchstaben geprägt.

Obgleich er nun Aussicht auf eine große Wiederherstellung hatte, stand es doch nicht in seinem Vermögen, große Mittel zu deren Verwirklichung aufzuwenden. Er war genötigt, mit dem Fortschritt kleiner Dinge zufrieden zu sein. Als er nach Yorkshire kam, er, dessen Vorfahren eigene Lagerhäuser in diesem Seehafen und Werkstätten in der inneren Stadt gehabt hatten, sah er keinen Weg für sich offen, als eine Tuchfabrik in einem abgelegenen Winkel einer abgelegenen Region zu mieten, eine nahegelegene Hütte zu seiner Wohnung zu nehmen und als Weide für sein Pferd und Raum für seine Tuchrahmen zu seinen Besitzungen noch einige wenige Acker steilen, steinigen Landes, das die Schlucht begrenzte, durch die sein Mühlstrom brauste. All dies hatte er nur für eine hohe Pacht (denn die Kriegszeiten waren hart und alles war teuer) von den Vormündern der fieldhead’schen Besitzungen, die damals einer Unmündigen gehörten, erhalten.

Zu der Zeit, in der diese Erzählung beginnt, hatte er erst zwei Jahre in dieser Gegend gelebt. Während dieser Periode hatte er sich zumindest als ein ungemein tatkräftiger Mann erwiesen. Die schmutzige Hütte war in eine ordentliche, geschmackvolle Wohnung verwandelt worden. Aus einem Teil des rauen Bodens hatte er Gartenland gemacht, das er mit ganz besonderer, ja, flämischer Sorgfalt und Genauigkeit bebaute. Was die Fabrik betraf, ein altes Gebäude mit alter Maschinerie, die jetzt unwirksam und unzeitgemäß geworden war, hatte er sogleich die größte Verachtung gegen all ihre Einrichtungen und Zubehör gezeigt und sich bemüht, sie von Grund auf umzugestalten, was er denn auch, so weit sein sehr beschränktes Kapital es ihm gestattete, in die Tat umgesetzt hatte, und eben die Beschränktheit dieses Kapitals und eben deshalb dieses Hindernis bei seinem Vorhaben war etwas, was seinen Geist sehr ängstigte und bekümmerte. Moore musste immer beschäftigt sein. ›Vorwärts!‹ war die in seine Seele geprägte Inschrift, doch Armut beugte ihn. Manchmal schäumte er mit dem Mund (im übertragenen Sinne), wenn die Zügel zu scharf angezogen wurden.

Man kann nicht erwarten, dass er bei dieser Gesinnungsweise lange darüber nachdachte, ob sein Vorwärtskommen für andere von Nachteil sei oder nicht. Da er in der Nachbarschaft weder geboren, noch für lange Zeit dort heimisch war, kümmerte es ihn kaum, wenn die neuen Erfindungen die alten Werkleuten um ihre Arbeit brachten. Er fragte sich nicht lange, woher die, denen er nicht länger den Wochenlohn bezahlte, ihren Unterhalt nähmen, und glich in diesem Unbekümmertsein bloß Tausenden, an welche der notleidende Arme in Yorkshire noch berechtigte Forderungen stellte.

Die Periode, von der hier die Rede ist, war in der britischen Geschichte, und im Besonderen in jener der nördlichen Provinzen, eine sehr traurige. Der Krieg war damals auf dem Höhepunkt, ganz Europa war darin verwickelt. England war, wenn nicht ermüdet, doch durch langen Widerstand zerrüttet, ja, und doch war die Hälfte der Bevölkerung überdrüssig, und rief nach Frieden um jeden Preis. Nationalehre war ein bloßer leerer Name in vieler Augen geworden, weil ihr Blick durch Hunger verdüstert war, und für ein Stück Brot würden sie ihr Geburtsrecht verkauft haben.

Die Kabinettsbefehle, hervorgerufen durch Napoleons Mailänder und Berliner Dekrete, die neutralen Mächten untersagten mit Frankreich zu handeln, hatten, indem sie Amerika beleidigten, den Hauptmarkt für den yorkshire’schen Wollhandel verschlossen und diesen an den Rand des Ruins gebracht. Kleinere ausländische Märkte waren überfüllt und nahmen nichts mehr an. Brasilien, Portugal, Sizilien waren für einen fast zweijährigen Verbrauch versorgt. In dieser Krise wurden gewisse Maschinerie-Erfindungen in den einzelnen Fabriken des Nordens eingeführt, die, indem sie die Zahl der benötigten Arbeiter gewaltig reduzierten, Tausende arbeitslos machten und sie der redlichen Mittel beraubten, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Dazu kam eine schlechte Ernte. Die Not wurde immer größer. Grenzenloser Mangel streckte dem Aufruhr die brüderliche Hand zu. Unter den Hügeln der nördlichen Grafschaften fühlte man die sich erhebenden Geburtswehen einer Art moralischen Erdbebens.

Wie es aber in solchen Fällen zu geschehen pflegt, achtete niemand darauf. Wenn ein Nahrungsaufruhr in einer Fabrikstadt ausbrach, wenn eine Wagenfabrik niedergebrannt oder das Haus eines Fabrikanten angegriffen, Gerätschaften auf die Straße geworfen und die Familie gezwungen wurde, ihr Leben durch die Flucht zu retten, wurden von den Lokalobrigkeiten keineswegs die nötigen Maßregeln getroffen. Ein Verursacher wurde entdeckt, oder weitaus öfter, ihm gestattet, sich der Entdeckung zu entziehen, in den Zeitungen wurden Aufsätze darüber geschrieben, und dabei blieb es. Was die Leidenden betraf, deren einzige Erbschaft Arbeit war, und diejenigen, die diese Erbschaft verloren hatten, die keine Arbeit bekommen konnten und daher auch keinen Lohn und kein Brot, so überließ man sie dem Elend. Vielleicht unvermeidlich! Man konnte doch den Fortschritt der Erfindungen nicht aufhalten, konnte der Wissenschaft keinen Nachteil zufügen, indem man ihre Verbesserung verzögerte. Der Krieg konnte nicht beendet werden, wirksame Hilfe war nicht zu gewähren. So musste denn alles gehen, wie es nun ging, und die unbeschäftigten Arbeiter blieben ihrem Schicksal überlassen, aßen ihr Brot und tranken ihr Wasser der Not.

Elend erzeugt Hass. Die Leidenden hassten die Maschinen, weil sie glaubten, diese entzögen ihnen das Brot. Sie hassten die Gebäude, welche die Maschinen enthielten; sie hassten die Fabrikanten, denen diese Gebäude gehörten. In dem Kirchenspiel Briarfield, mit dem wir es jetzt zu tun haben, war Hollow’s Mill der Ort, den man am meisten hasste, Gérard Moore, in seiner doppelten Eigenschaft als halber Fremder und ausgezeichneter Fabrikant, der Mann, den man am meisten verabscheute. Und es stimmte beinahe mit Moores Temperament überein, sich so gehasst zu wissen, besonders da er das, weshalb er gehasst wurde, für sein Recht und für etwas Tüchtiges hielt, und so saß er in einer Art kriegerischer Aufregung auch in der heutigen Nacht im Kontor und wartete auf die Ankunft seiner Wagen mit den Maschinen. Malones Ankunft und Gesellschaft waren ihm daher höchst ungelegen und er hätte weit lieber allein gesessen, denn er war zu stiller, düsterer, unheimlicher Einsamkeit geneigt. Die Flinte seines Wächters wäre für ihn Gesellschaft genug gewesen und der stark strömende Bach in der Schlucht das beste Gespräch.

*

Mit der verdrießlichsten Miene der Welt hatte der Fabrikant seit zehn Minuten den irischen Hilfsgeistlichen bei seiner Punschheiterkeit beobachtet, als sich plötzlich sein starres, graues Auge änderte, als trete eine andere Erscheinung zwischen ihn und Malone. Er erhob die Hand.

»Chut!« sagte er auf seine französische Art, da Malone ein Geräusch mit seinem Glas machte. Er lauschte einen Augenblick, stand dann auf, setzte den Hut auf und ging aus der Kontor-Tür.

Die Nacht war still, dunkel und schwer. Nur das Wasser rauschte voll und weit. Sein Fall glich in der gänzlichen Stille fast einem Strom. Dennoch vernahm Moores Ohr einen anderen Laut sehr weit entfernt, aber sehr davon verschieden – abgehackt und rau, kurz, einen Ton von schweren Rädern, die auf einem steinigen Weg knarrten. Als er in das Kontor zurückkam, zündete er eine Laterne an, mit der er in den Fabrikhof hinabging, um die Pforte zu öffnen. Der schwere Wagen fuhr herein. Man hörte die schweren Hufe der Zugpferde in Schlamm und Wasser planschen. Moore rief ihnen zu:

»He! Joe Scott! Ist alles in Ordnung?«

Zweifellos war Joe noch zu weit entfernt, um diese Frage zu hören, denn er antwortete nicht.

»Ich frage, ob alles in Ordnung ist?« erklang es wieder seitens Moores, als die grauen Nüstern des Vorderpferdes fast sein Gesicht berührten.

Jemand sprang vom vordersten Wagen auf die Straße. Eine Stimme rief: »Ja, ja, zum Teufel, es ist alles in Ordnung! Wir haben sie überwältigt!«

Und nun gab es ein Durcheinander. Die Wagen standen still. Niemand war mehr darin.

»Joe Scott!« Kein Joe Scott antwortete. »Murgatroyd! Pighills! Sykes!« Keine Antwort. Mr. Moore hob seine Laterne in die Höhe und sah in die Wagen. Weder Menschen noch Maschine waren darin. Sie waren leer und verlassen.

Nun liebte aber Mr. Moore seine Maschinen. Er hatte sein ganzes noch übriges Vermögen für den Ankauf dieser Rahmen und Schermaschinen verwendet, die er in der heutigen Nacht erwartete. Höchst wichtige Spekulationen hingen für ihn von den Resultaten ab, die er damit erzielen wollte. Wo waren sie nun?

Die Worte: »Wir haben sie überwältigt!« tönten in seinen Ohren wider. Wie wirkte diese Katastrophe auf ihn ein? Bei dem Licht der Laterne, die er hielt, wurden seine Züge sichtbar, die sich zu einem eigentümlichen Lächeln anspannten, einem Lächeln, wie es ein Mann von entschiedenem Charakter zeigt, wenn er an einen Wendepunkt seines Lebens kommt, wenn sein entschlossener Geist eine Anfrage an seine Stärke fühlt, wenn eine Strapaze auf Biegen oder Brechen bewältigt werden muss. Er selbst aber blieb stumm und reglos, denn im ersten Augenblick wusste er weder, was er sagen, noch was er tun sollte. Er stellte er die Laterne auf die Erde und stand mit vor der Brust verschränkten Armen da, und blickte starr und grübelnd zu Boden.

Ein ungeduldiges Trampeln eines der Pferde ließ ihn die Augen aufschlagen, die nun plötzlich den Schimmer von etwas Weißem, das an einem Teil des Geschirres hing, erblickten. Im Licht der Laterne untersucht, zeigte es sich, dass es ein zusammengefaltetes Papier, ein Billet war. Es trug außen keine Aufschrift, innen aber die Überschrift: »An den Teuffel von Hollow’s Miln.«

Wir wollen die Orthographie, die sehr sonderbar war, nicht übernehmen, sondern es in die Schriftsprache übertragen. Es lautete so:

»Ihre teuflische Maschine ist im Moor von Stilbro’ in Stücke geschlagen und Ihre Leute liegen, an Händen und Füßen gebunden, in einem Tümpel an der Straße. Nehmen Sie dies als eine Warnung von Männern an, die vor Hunger umkommen und hungernde Weiber und Kinder haben, zu denen sie nach Hause gehen, wenn sie dies getan haben. Schaffen Sie sich neue Maschinen an, oder treiben Sie es weiter so fort, wie Sie es jetzt getan haben, dann werden Sie wieder von uns hören.

Hüten Sie sich!«

»Von euch wieder hören? Oh ja! Ich will von euch wieder hören, und ihr sollt von mir wieder hören! Ich will ganz direkt mit euch sprechen. Am Moor von Stilbro’ sollt ihr im nächsten Augenblick von mir hören!«

Nachdem er die Wagen durch das Tor gebracht hatte, eilte er in seine Wohnung. Hier sprach er schnell, jedoch ruhig einige Worte mit zwei Frauen, die ihm entgegenkamen. Er beruhigte die offensichtliche Angst der einen durch einen kurzen, gemilderten Bericht von dem Vorgefallenen und sagte zu der anderen: »Geh in die Fabrik, Sarah, – da ist der Schlüssel und läute die Glocke so laut du nur kannst, dann aber du wirst noch eine Laterne nehmen und mir leuchten helfen.«

Zu seinen Pferden zurückkehrend, schirrte er sie aus, fütterte sie und stallte sie mit ebenso viel Eile wie Vorsorge ein, während er gelegentlich innehielt, als horche er auf die Fabrikglocke. Jetzt erklang sie mit unregelmäßigem, aber lautem und aufgeregtem Ton. Das eiligst bewegte Anschlagen schien dringender, als wenn es von einer geübten Hand gleichmäßiger geschehen wäre. In dieser ruhigen Nacht und zu ungewohnter Stunde wurde es weithin gehört. Die Gäste in der Küche des roten Hauses schraken davon auf und erklärten, »es müsse etwas ganz Ungewöhnliches in Hollow’s Mill vorgefallen sein.« Sie riefen nach Laternen und eilten fort. Kaum waren sie ebenfalls mit ihren Lichtern in den Hof gekommen, als sie Pferdegetrappel hörten und ein kleiner Mann mit einem Schaufelhut, steif auf einem zottigen Pony sitzend, stattlich einritt und ihm ein Adjutant auf einem größeren Pferd folgte.

Unterdessen hatte Mr. Moore seine Zugpferde eingestallt, sein Reitpferd gesattelt und mit Sarahs Hilfe seine Fabrik erleuchtet. Die lange und weiße Front derselben war jetzt ganz hell und warf genug Licht in den Hof, um jeder Furcht einer Unordnung, die durch die Dunkelheit entstehen könnte, vorzubeugen. Schon hörte man ein dumpfes Gemurmel von Stimmen. Mr. Malone war endlich aus dem Kontor gekommen, nachdem er sich zuvor vorsichtig Hände und Gesicht in dem steinernen Wassertrog erfrischt hatte. Diese Maßnahme, verbunden mit dem plötzlichen Aufruhr, hatte ihn größtenteils wieder in den Besitz jener Besinnung gebracht, die der Punsch ihm teilweise geraubt hatte. So stand er mit dem Hut auf dem Hinterkopf da, hielt den Knüppel fest in der rechten Faust und beantwortete aufs Geratewohl die Fragen, welche die neuen Ankömmlinge des roten Hauses an ihn richteten. Jetzt erschien Mr. Moore, und der Schaufelhut und das zottige Pony wandten sich sogleich an ihn.

»Nun, Moore, was wollen Sie von uns? Ich dachte es mir schon, dass Sie mich und den Hetmann hier«, dabei klopfte er auf den Nacken seines Ponys, »und Tom und sein Streitross brauchen würden. Als ich Ihre Fabrikglocke hörte, konnte ich nicht länger still sitzen und ließ Boultby beim Abendessen allein sitzen. Aber wo ist der Feind? Ich sehe ja keine Maske, kein geschwärztes Gesicht hier, und Ihre Fenster sind ja noch völlig ganz. Haben Sie schon einen Angriff bestanden oder erwarten Sie erst einen?«

»Oh! Nicht im Geringsten. Ich habe weder einen gehabt, noch erwarte ich einen.« antwortete Moore kalt. »Ich ließ bloß die Fabrikglocke läuten, weil ich ein paar Nachbarn bedurfte, um hier in der Schlucht zu bleiben, während ich und ein paar andere zum Moor von Stilbro’ wollen.«

»Zum Moor von Stilbro’? Was gibt es dort zu tun? Wohl den Wagen entgegen?«

»Die Wagen sind schon seit einer Stunde hier.«

»Dann ist ja alles gut. Was wollen Sie denn noch mehr?«

»Sie sind leer angekommen und Joe Scott und seine Gefährten im Tümpel liegen geblieben, wie auch die ganzen Maschinen. Lesen Sie nur diesen Wisch.«

Mr. Helstone erhielt und las das Dokument, dessen Inhalt uns schon bekannt ist.

»Hm! Sie haben Sie bloß so bedient, wie sie es mit den anderen tun. Aber bei alledem werden die armen Burschen im Tümpel ungeduldig Hilfe erwarten. Für ein solches Lager ist es heute eine nasse Nacht. Ich und Tom wollen mit Ihnen gehen. Malone kann hier bleiben und auf die Fabrik aufpassen. Was ist denn mit ihm? Die Augen treten ihm ja ganz aus dem Kopf.«

»Er hat eine Hammelkeule gegessen.«

»Ei, ei! Peter Augustus, seien Sie auf der Hut! Essen Sie keine Hammelkeulen mehr des Nachts. Sie sind hier als Kommandant dieses Kastells angestellt. Ein Ehrenposten!«

»Bleibt jemand bei mir?«

»So viele von dieser geehrten Versammlung hierbleiben wollen. Männer, wie viele von euch wollen hier bleiben, und wie viele wollen den kleinen Weg mit Mr. Moore und mir auf der Straße nach Stilbro’ machen, um diejenigen zu finden, die von Maschinenzerstörern angefallen und gebunden worden sind?«

Nur drei erboten sich zum Mitgehen, die übrigen zogen es vor, zurückzubleiben. Als Mr. Moore sein Pferd bestieg, fragte der Pfarrer ihn leise, ob er die Hammelkeulen eingeschlossen habe, sodass Peter Augustus nicht daran könne? Der Fabrikant nickte zur Bejahung, und so brach der Zug auf.

Shirley (Deutsche Ausgabe)

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