Читать книгу Beirut für wilde Mädchen - Chaza Charafeddine - Страница 8

Оглавление

Im Haus gab es jetzt ein neues Geschöpf, es war am Vortag aus dem Bauch der Mutter gekommen. Alle freuten sich. Das lange schwarze Haar der Mutter hing ihr über die Brust. Sie sah erschöpft aus, lächelte aber, glücklich über das neue Wesen, das in ein weißes Tuch gewickelt von Hand zu Hand gereicht wurde. Alle sangen. Das Mädchen saß bei seiner großen Schwester, die mit unstetem Blick auf die festlich gestimmte Runde schaute. Die kleinere Schwester war nicht im Bild zu sehen, vielleicht hatte sie sich unter Mutters Bettdecke versteckt. Das Mädchen fragte sich, weshalb sich denn alle so freuten. Etwa wegen des Winzlings in dem Tuch da? Das Mädchen blieb neben der großen Schwester sitzen, und die sagte: »Das ist unser neuer Bruder.«

Der Vater lachte, die Mutter lächelte, und die anderen sangen immerzu. Das Mädchen, immer noch neben der großen Schwester sitzend, dachte, dass es dem Mann mit dem weißen Haar und dem schwarzen Gesicht unbedingt von dem kleinen Bruder erzählen musste. Es wusste seinen Namen nicht, und als sie ihn hörte, fand sie ihn doof.

Das Mädchen rannte über den heißen Sand, die Sonne sengte ihm auf Rücken und Kopf. Es lief und lief und hörte nicht auf die Rufe der großen Schwester, es wollte nicht zurück nach Hause. Sein Ziel war die Strohhütte, wo die weißen Haare, das schwarze Gesicht und die warmen Arme waren. Dort angekommen, setzte es sich auf den Schoß des Mannes und lauschte in die Haarkringel hinein. Unterdes hatte es zu regnen begonnen, laut schlugen die Tropfen auf das Dach der Hütte. Wenn es hier einmal regnet, will es nicht mehr aufhören. Der Mann mit dem schwarzen Gesicht hielt inne und deutete lächelnd auf den Regen. Das Mädchen erwiderte sein Lächeln. Es erinnerte sich an den neuen Menschen bei sich zu Hause, erzählte aber dem alten Mann nichts davon. Der gab der Kleinen ein weiches grünes Tuch und sagte, sie solle es sich um die Hüften binden und nie abnehmen. Das Tuch würde sie vor böser Magie und den Schlangen beschützen.

Das Mädchen lief zurück über den nassen Sand, der warm und fest war. Es betrachtete seine Fußabdrücke und stellte sich vor, es würde von ihnen verfolgt werden. Zum ersten Mal sah das Mädchen seine eigenen Spuren. Sein Körper mit allem, was er hervorbrachte, schien sonst nicht sein Eigenes, sondern immer auch den anderen zu gehören. Die Fußspuren da waren jedoch wirklich seine.

An diesem Tag beschlossen die Eltern, das Mädchen und ihre ältere Schwester zur Großmutter nach Tyros zu schicken.

Beirut für wilde Mädchen

Подняться наверх