Читать книгу Die Welt wird sich ändern - Chris Cenatti - Страница 13

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Wir sind geboren, um frei zu sein

Klingt fast schon aufrührerisch und sollte doch selbstverständlich sein: „Wir sind als freie Menschen geboren und sollten frei über unser Leben bestimmen.“ Aber wer ist schon frei? Jahrhundertelang haben sich die Menschen gegenseitig in gesellschaftliche Strukturen gezwungen, die im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich waren. In der Steinzeit lebte der Mensch noch in kleinen Familienverbänden und Gruppen zusammen, die sich täglich gegen die massiven Gefahren der Umwelt und den Schicksalsschlägen von Geburt und Tod stellen mussten. Rau ging es zu und nur die Stärksten überlebten. Der Mensch war damals kaum zu unterscheiden von einem Rudel wilder Tiere.

Ein paar Jahrtausende vor Christus begann dann die sogenannte Zivilisation. Hochkulturen schufen Tempel, Pyramiden und lernten die Fähigkeit, sich nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich mitzuteilen. Kulturell gesehen ein Meilenstein, menschlich gesehen waren diese Zeiten aber auch nicht sehr viel besser als vorher. Herrscherdynastien und Priester beherrschten das normale Volk und versklavten große Teile der Bevölkerung. Der glorreiche Pyramidenbau in Ägypten und bei den Inkas, Mayas und Azteken war wohl eher eine abschreckende menschliche Tragödie von Tausenden rechtlosen Sklaven. Selbst im antiken Griechenland war der demokratische Disput nur Wenigen vorbehalten, die ärmeren Bevölkerungsschichten blieben außen vor. Und auch im alten Rom gab es eine klare Unterscheidung zwischen dem Patriziern, den freien Bürgern Roms und dem Plebiszit, der armen Bevölkerungsschicht und einem Heer von Sklaven.

Im Mittelalter war von der Freiheit des Denkens und von Menschlichkeit auch noch nichts zu spüren. Kaiser, Könige und Adel regierten und unterdrückten die Menschen. Wer nicht in hohem Stand geboren war, musste dienen. Auch, wenn einige wohlhabende Bürger freier Reichsstädte sich etwas selbstständig zeigen durften, bestimmten strenge Gildeordnungen ihr Leben. Die Rollen von Mann und Frau waren klarer getrennt als je zuvor. Hier war es egal, ob die Herrscher katholisch, evangelisch oder muslimisch waren. Keiner konnte sich der damaligen Weltordnung entziehen. Von zahlreichen Kriegen, wie z.B. dem dreißigjährigen Krieg, von der Pest und von Hungersnöten wurde in Europa ein Drittel der Menschen ausgelöscht. In diesen dunklen Zeiten wurde jeder, der sich nicht angepasst hat und standesgerecht benahm von der Gesellschaft geächtet oder gar getötet. Mit Hexenprozessen und der Verfolgung Andersgläubiger, wie zum Beispiel der Juden, wollte man Schuldige für Missernten und Hungersnöte verantwortlich machen. Im dreißigjährigen Krieg hat sich halb Europa wegen Glaubensfragen niedergemetzelt. Die Bevölkerung Europas wurde gerade am Ende des Spätmittelalters aufgrund von Krieg, Hunger und Krankheiten stark dezimiert.

Dann kam das Zeitalter der Aufklärung, das dem gemeinen Volk aber auch kaum eine Verbesserung der Lebensumstände brachte. Wenn man bedenkt, was „aufgeklärte Fürsten“ wie Friedrich der Große an Blutbädern anrichteten, sieht man, wie sehr ein despotischer Vater und eine strenge Erziehung auch einen Schöngeist und Kunstliebhaber prägen können. Obwohl er schon als junger König Religionsfreiheit gewährte („Jeder soll nach seiner Facon selig werden!“), mit den Gedanken der Aufklärung liebäugelte und sich mit Philosophen wie Voltaire anfreundete, hat Friedrich der Große die unmenschlichen Zustände in Preußen kaum verändert. Die Leibeigenschaft der Bauern und der Einsatz von Kindersoldaten war weiterhin Alltag in seinem Königreich. Letztendlich wurde er selbst zu einem berühmten Soldatenkönig, dessen Beschäftigung nicht die geliebte Musik und hohen Künste, sondern der Kampf auf dem Schlachtfeld und die Vergrößerung seines Staatsgebiets waren. Der Großteil der Menschen war arm und konnte sich weder genügend Nahrung noch eine Vorsorge für Krankheit und Alter leisten. Die Lebenserwartung der Menschen war in diesen Zeiten nicht nur wegen der vielen Kriege gering. Viele starben schon im Kindesalter.

Nicht viel anders waren die Verhältnisse in den anderen europäischen Staaten die nach wie vor von Monarchen und Fürsten regiert wurden. Die Französische Revolution von 1789 bis 1799 sollte dem Ganzen ein Ende setzen. Der verschwenderische Luxus der Könige in Frankreich, die während der Zeit des Absolutismus allein regierten, hatte zu immer größerer Armut in der Bevölkerung geführt. Schon Ludwig der Vierzehnte, der Sonnenkönig führte in seinem Schloss in Versailles ein verschwenderisches Leben mit allem Prunk und Protz, den man sich vorstellen konnte. Als dann unter Ludwig dem XVI durch schlechtes Wirtschaften und einer prunkvollen Hofhaltung neue Hungersnöte in der Bevölkerung entstanden, war das Maß voll. Nun war endgültig der Bogen überspannt und die verarmte Bevölkerung stürmte die Bastille.

Die Französische Revolution war ein Aufschrei nach Freiheit und nach einer gerechten Verteilung des Reichtums. Der König wurde zunächst gezwungen die absolute Monarchie in eine konstitutionelle Monarchie umzuwandeln. Später wurde er trotz aller Zugeständnisse an das Volk mit seiner Familie hingerichtet. So wollte man verhindern, dass wieder ein König als Herrscher die Macht übernimmt. Viele glaubten bei der Französischen Revolution einen Wandel in der Gesellschaft herbeizuführen. Letztendlich brachte die Revolution aber für die Bevölkerung kaum Verbesserungen.9 Es folgte ein Terrorregime, das das ganze Land in Angst und Schrecken versetzte und wieder neue Blutbäder anrichtete. Eine neue Mordmaschine, die Guillotine, kam zum Einsatz und so wurden zunächst der König und die Adeligen und später die Revolutionäre selbst enthauptet. Die alten Despoten wurden nur wieder von neuen Despoten ersetzt, die nicht weniger grausam und ungerecht waren. Der Terror regierte in den Straßen von Paris. Die Revolution fraß ihre Kinder.

Bald danach zog man wieder in den Krieg. Der freie Franzose zog mit seinem Feldherren Napoleon aus, um als Grande Nation neues Land zu erobern und von den Idealen „Liberté, Égalité und Fraternité“10 blieben nur wieder Unfreiheit und Krieg übrig. Schnell wurde das Plebiszit von Napoleon in eine neue Diktatur umgewandelt. Er krönte sich selbst zum Kaiser und eroberte zahlreiche Nachbarstaaten. Erst der verlorene Russlandfeldzug bremste ihn aus und auch der zweite Anlauf, die Macht zurück zu gewinnen, endete mit der Niederlage bei Waterloo. Von Völkerschlacht zu Völkerschlacht ging es in Europa nun weiter bis ins neue Jahrtausend. Geendet haben diese Schlachten erst im 20. Jahrhundert nach Ende des ersten und zweiten Weltkrieges. Millionen von Menschen verloren ihr Leben.

Der Krieg und die Menschenverachtung waren nicht nur im „alten Europa“ allgegenwärtig. Sie wurden schon seit Zeiten Columbus und der Entdeckung der Weltmeere hinausgetragen in die neuen Kontinente. Der Kolonialismus hat die dort lebenden Völker versklavt, unterdrückt und ausgebeutet. Ihre Kulturen wurden weitgehend zerstört. Noch heute leiden diese Länder unter den Folgen einer gnadenlosen Besitzergreifung und Ausbeutung durch die Eroberer. Nach Nordamerika wanderten viele Siedler aus der alten Welt aus, um sich und ihren Familien eine Zukunft aufzubauen, indem sie das Land besiedelten und Ackerbau und Viehzucht betrieben. Dies ging zu Lasten der Ureinwohner. Die vielen indianischen Stämme, die dort lebten wurden entweder durch Kriege oder Krankheiten wie die Pocken, die die Siedler einschleppten, fast ausgelöscht. Die weigen Überlebenden sperrte man in Reservate. Als man die Büffelherden in Nordamerika ausgerottet hatte, hatte man den Ureinwohnern ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Nun war Platz da für die neuen Siedler und ihre Viehherden. Mit dem Bau von Eisenbahnschienen, die sich quer durchs Land zogen, hat man den nordamerikanischen Kontinent erobert. Es begann eine bis heute anhaltende Zerstörung einer einzigartigen Natur. Nur wenige Naturschutzgebiete zeigen noch die unberührte Schönheit des amerikanischen Kontinents. In Kanada, Alaska und wenigen Naturschutzgebieten der USA gibt es noch einige unberührte Gebiete. Aber auch hier ist die Natur bedroht vom Tourismus und von Konzernen, die dort Rohstoffe fördern möchten.

Auch in Südamerika schaut man auf eine lange Tradition der Ausbeutung durch die Kolonialherren zurück. Schon ab dem 16. und 17. Jahrhundert hatten die spanischen Konquistadoren die einheimische indigene Bevölkerung, die Nachfahren der Inkas, Mayas und Azteken, versklavt und zum Glaubensübertritt gezwungen. So hat man nach und nach ihre Kultur zerstört. Außer den Spaniern wurden auch Portugiesen, Holländer, Engländer, Belgier und Deutsche mobil und hielten Ausschau nach neuen Besitzungen in Amerika, Afrika, Asien und Australien. Dabei gingen nicht nur die spanischen Konquistadoren skrupellos gegen die einheimische Bevölkerung vor. Alle seefahrenden Nationen haben die eroberten Länder ausgeraubt und versklavt. Die weltweite Kolonialisierung brachte eine rücksichtslose Zerstörung der Kulturen der kolonialisierten Gebiete mit sich.

Bis heute setzte sich diese Kolonialpolitik durch die Machtausübung wirtschaftsstarker Länder und durch die Apartheitspolitik fort. In Afrika wurde erst mit Präsident Mandela die jahrhundertelange Unterdrückung der schwarzen Mehrheitsbevölkerung beendet. In Kontinenten wie Amerika und Australien wurden die Ureinwohner enteignet und oft in Reservate gesperrt, wo sie entwurzelt immer noch ein Leben ohne Infrastruktur und Bildungsmöglichkeiten fristen. Die indigenen Völker Amerikas und die Aborigines in Australien, die im 19. Jahrhundert wie Tiere behandelt wurden, kämpfen noch heute um Anerkennung und den Schutz ihrer Kultur durch die Regierung. Der Kolonialismus zog eine blutige Spur durch alle Kontinente, die nach und nach von den Europäern erobert wurden.

Kriege begleiteten den Menschen durch alle Jahrhunderte bis heute. Die Gründe Krieg zu führen, waren unterschiedlich. Der Grundstein der Kriege war stets derselbe: Machtstreben, Gier, blinde Zerstörungswut und Menschenverachtung. Keiner hat je von einem Krieg wirklich profitiert, schon gar nicht die betroffenen Länder. Wenn die Menschen nur einen Funken Verstand hätten, würden Sie sich zusammenschließen und alle Waffen und Kriege verbieten. Aber auch heute noch werden Tausende Menschen in sinnlose Kriege geschickt. Kriege, bei denen nur wenige profitieren, viele aber leiden. Kriege, die immer nur weiteres Elend bringen.

Das Morden liegt dem Menschen im Blut. Kriege gab es zu jeder Zeit. Würde man als Außerirdischer die letzten Jahrhunderte auf dieser Erde an sich vorbei ziehen sehen, so würde man denken, die Menschen sind wildgewordene Mordgesellen, deren Vergnügen es ist, sich gegenseitig niederzumetzeln. Mit Kultur hat das wenig zu tun: Alexander der Große, Spartaner, römische Legionen, die barbarischen Kreuzzüge des Glaubens willen, später das große Schlachten im Dreißigjährigen Krieg und die Eroberungszüge Napoleons, der Erste und Zweite Weltkrieg. Das sind nur einige Beispiele aus der Weltgeschichte für die Unvernunft von Kriegen. Das Streben nach Macht brachte immer schon großes Leid bei der Zivilbevölkerung. Das gemeine Volk wurde von den Mächtigen zu jeder Zeit manipuliert und gezwungen, sich schicksalsergeben oder ebenso mordlüstern zum großen Schlachten bereit zu stellen.

Nun müsste man denken, dass Kriege in der heutigen Zeit, nach den schrecklichen Folgen des ersten und zweiten Weltkriegs der Vergangenheit angehören. Aber weit gefehlt. Gleich nach den Weltkriegen hat man wieder aus ideologischen Gründen mit der Aufrüstung in den Machtblöcken von Ost und West begonnen. Nun wäre ein Krieg noch destruktiver geworden. Atomwaffen und chemische Kampfmittel hätten den gesamten Planeten unbewohnbar gemacht. Schon in den achtziger und neunziger Jahren gab es erste Tendenzen zur Abrüstung nach vielen Jahren der gegenseitigen Abschreckung. Es gab Licht am Horizont für alle Menschen, den Teufelskreis der Kriegstreiberei zu durchbrechen. Glasnost und Perestroika brachten Friedensverhandlungen und Hoffnung und haben nicht zuletzt den „Eisernen Vorhang“ zwischen West- und Osteuropa geöffnet. Deutschland wurde wiedervereinigt und die Menschen glaubten an den neuen Friedensprozess.

Aber was wäre dann aus der mächtigen Waffenindustrie geworden, aus dem Klüngel von machtbesessenen Welteroberern, die immer noch in den oberen Etagen sitzen? Keine Gewinne mehr aus millionenschweren Waffendeals? Dagegen musste man etwas unternehmen! Und so wurden wieder neue Kriege angezettelt. Gegen die „Achse des Bösen“ hat bereits Bush und später sein Sohn in den Fußstapfen des Vaters gekämpft. Das Mittelalter und die Kreuzzüge lassen grüßen. Der Feind sitzt nun im Nahen Osten und zufällig sitzt er auch noch auf sehr viel Erdöl, Erdgas und anderen Ressourcen. Da heißt es rührig sein. Da wird schon ein Grund gefunden Krieg zu führen. Das Leid haben tausende unschuldiger Zivilisten.

„Kollateralschäden“ lassen sich wohl nicht vermeiden in der großen Weltpolitik. Und schon wird wieder verdient von der Waffenlobby, den Öl- und Gaskonzernen und allen anderen, die vom Leid anderer Menschen profitieren. Da kam Anfang des neuen Jahrtausends der „arabische Frühling“ gerade recht. Wo endete der Versuch der arabischen Länder, sich gegen die Diktatoren aufzulehnen? In furchtbaren von Außenmächten initiierten Kriegen in Libyen und Syrien, die bis heute andauern und Millionen Flüchtlinge zur Folge haben. Die Absetzung des Diktators Gaddafi in Libyen führte dazu, dass im ganzen Land noch heute ein Kriegszustand herrscht. In Ägypten übernahmen die Muslimbrüder nach den ersten Wahlen zunächst das Regime, wurden aber später wieder vom Militär geputscht. Von Frieden und Demokratie kann man in diesen Ländern auch heute noch nicht sprechen. In Syrien eskalierte der Bürgerkrieg dramatisch. Nachdem der IS und Rebellen-Trup-pen nun wieder vom alten Diktator Assad verdrängt wurden, hat sich für die Menschen nicht viel geändert, außer, dass die Heimat zerstört ist und viele fliehen mussten. Heute ist die Hungersnot in Syrien extrem groß, genauso wie im Jemen, wo die Arabischen Emirate, angeleitet von Saudiarabien, und die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen schon jahrelang einen Stellvertreterkrieg führen.

In Ländern wie Afghanistan, Iran und Irak sind längst noch keine Friedenszeiten in Sicht. Die Menschen hungern und leiden. Hier leben Generationen von Menschen, die nur Krieg und Terror kennen. Auch in Afrika werden schon Kinder zu Kindersoldaten gemacht und die Welt schaut zu. Es entsteht eine traumatisierte Kriegsgeneration, die Hass und Gewalt als normal empfindet. Diesen Menschen wird der Glaube an eine bessere Zukunft und an eine lebenswerte Welt schon früh genommen. Es ist noch nicht abzusehen, was der jahrelange Krieg an der Psyche der betroffenen Menschen anrichtet.

Kriege kosten Geld und machen nur Wenige reich. Die Flüchtlingswellen sorgen für politischen Druck und ein Anwachsen nationalistischen Gedankenguts, besonders im Westen. Das Elend verbleibt im Land und bei den Menschen, die von Kriegshandlungen traumatisiert ihre Heimat verlassen müssen und nirgendwo willkommen sind. Man lässt sie in Lagern einsperren oder auf dem Fluchtweg einfach verhungern oder ertrinken. Hier gibt es kein Mitleid, auch nicht für Kinder. Das Leben in den Flüchtlingscamps und auf der Flucht ist voll mit Gewalt und Hilflosigkeit.

Die Ärmsten haben keine Fürsprecher. Anders als die Waffenlobby haben sie kein Geld. Kaum ein Politiker möchte sich für sie einsetzen oder ihnen helfen. Die Staaten rüsten wieder auf, nicht zuletzt um sich gegen die Flüchtlingswellen aus den armen Ländern abzuschirmen. In der USA und anderen reichen Ländern bewaffnen sich die Bürger, um sich gegen Plünderungen und Einbrüche durch arme Bevölkerungsschichten zu schützen. Die Reichen versuchen sich mit Bodyguards in bewachten Wohngegenden gegen die immer größer werdende Zahl von armen Menschen abzuschirmen.

9 https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelgeschichte/d-68812757.html

10 https://www.habsburger.net/de/kapitel/liberte-egalite-fraternite-freiheit-gleichheit-bruederlichkeit

Die Welt wird sich ändern

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