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Ein toter König

General Ordunat kratzte sich unbehaglich am linken Oberschenkel. Die alte Pfeilwunde schmerzte schon wieder. Er sollte wirklich einen Heiler aufsuchen … Aber das war nicht seine dringendste Sorge. Ganz und gar nicht.

„Wir haben nur eine Chance“, sagte General Skatskee mit gepresster Stimme. „Das hier darf nie, wirklich nie, unter absolut keinen Umständen, an die Öffentlichkeit gelangen.“

Sein Blick irrte durch das Zelt, um wieder bei der Gestalt zu landen, die inmitten eines unregelmäßigen Fleckens eingetrockneten Blutes am Boden lag. Sein König. Erschlagen mit einem Schwert, in einem seiner eigenen Zelte, inmitten einer Tausendschaft seiner besten Soldaten.

Dazu ein entkommener Gefangener. Und ein vermisster Feldherr, der zufällig auch noch der Sohn dieses Königs war.

Eine Katastrophe. Alle vier anwesenden Generäle waren sich darin einig. Eine Katastrophe für den Feldzug, eine noch größere Katastrophe für das Reich. Und eine vernichtende Katastrophe für die Ehre des Königshauses, sollte jemals die Wahrheit ans Licht kommen: Dass der oberste Feldherr Karapaks seinem Vater und König eigenhändig den Schädel gespalten hatte und mit seinem Erzfeind gemeinsam in der Wüste verschwunden war.

Der Junge hatte das gar nicht mal so ungeschickt gemacht, dachte General Ordunat. Hatte höchstpersönlich die Wachen mit einem harmlosen Gespräch abgelenkt, sodass der Schamane unbemerkt davonschleichen konnte, und war dann davongegangen, als ob er nur einen kleinen Spaziergang machen wollte. Es hatte fast eine Kerze gedauert, bevor dem ersten Wachsoldaten aufgefallen war, wie still es im Zelt war.

Ordunat verstand Ioro. Und wie er ihn verstand! Die letzten Befehle des Königs waren allesamt dermaßen unehrenhaft gewesen, dass es geradezu ein Wunder war, dass die Soldaten sie noch ausgeführt hatten. Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, wie sehr der junge Feldherr unter diesen Befehlen litt. Und dennoch … Das hätte Ioro nicht tun dürfen. Damit hatte er seinen Eid gebrochen und seine Ehre auf immer verloren.

Aber das spielte auch nur noch eine sekundäre Rolle. „Wie wollen wir vorgehen?“

General Skatskee deutete auf die reglose Gestalt. „Wir werden sagen, der Schamane hat den König getötet. Und den Feldherren mit einem Zauber belegt, um ihn in die Wüste zu entführen. Und dort werden ihn vermutlich die rachsüchtigen Wüstenbarbaren töten.“

„Die Wachen wissen es anders“, gab General Nogando zu bedenken.

„Die Wachen werden sterben. Sie haben versagt. Sie hätten den König schützen müssen.“

„Wollen wir wegen des Feldherren etwas unternehmen?“

„Was denn?“, gab Ordunat bissig zurück. „Wollt Ihr die Wüste nach ihm umgraben? Da wären Eure Chancen besser, mit bloßen Händen in den Bergen einen Drachen zu erlegen. Niemand findet die Wüstenkrieger, wenn sie es nicht wollen. Der einzige, der das konnte, war Ioro, und auch der schaffte es nur, weil ihm dieser Falke dabei half.“

„Wenn wir Glück haben, erschlagen die Wüstenkrieger ihn wirklich“, knurrte General Ochot. „Genug von ihnen hat er schließlich getötet.“

„Und wenn wir Pech haben“, lächelte General Ordunat schief, „lassen sie ihn nicht nur am Leben, sondern nutzen auch seine Erfahrungen. Immerhin war er der oberste Feldherr Karapaks. Wer, wenn nicht er, kennt alle unsere Schwächen, weiß, wie unsere Armee arbeitet, und vor allem, wie wir denken?“

Die Generäle sahen sich an. Unbehagliches Schweigen breitete sich im Zelt aus. Schließlich räusperte sich General Skatskee. „Wollen wir hoffen, dass Ioro noch Ehre genug fühlt, dass er uns nicht verrät. Den Feldzug werden wir so oder so vorerst abbrechen müssen. Unsere alleinige Aufgabe wird es jetzt sein, unseren toten König nach Hause zu bringen. Dann ist es an seinem Sohn, unseren neuen König, über das weitere Schicksal dieses Feldzuges zu entscheiden.“

*

Der Weg nach Sawateenatari war lang. Es war den Zauberern zu verdanken, dass Kanatas Körper in einem einigermaßen ansehnlichen Zustand zurück in den Palast gelangte.

*

Iragana lauschte in sich hinein. Wie seltsam. Sie fühlte nichts. Dabei hätte sie doch jetzt Freude empfinden müssen. Freude darüber, dass der Platz ihres Sohnes gesichert war. Freude darüber, dass gleichzeitig sein ärgster Konkurrent, sein Bruder Ioro, ausgeschaltet war. Freude darüber, dass alle ihre Ziele erreicht und ihre Träume in Erfüllung gegangen waren.

Aber da war keine Freude. Da war nur diese merkwürdige Leere. Iragana schaute in ihr Innerstes. Diese Leere beunruhigte sie, verunsicherte sie zutiefst. Warum freute sie sich nicht? Sie grub in der Leere. Da ganz hinten, in einem tiefen, versteckten Winkel ihres Verstandes, war doch noch etwas. Sie packte dieses Etwas, zog es aus seinem Versteck, begutachtete es, wand es nach allen Seiten. Und sie erkannte es. Es war der letzte kleine Rest von jenem ersten winzigen Spross einer Liebe, die sie einmal, als junge Braut, ihrem Verlobten Kanata entgegengebracht hatte. Das, woraus ihre Liebe zu ihrem Ehemann gewachsen war, das, was sich aus unerwiderter Liebe zu Hass gewandelt hatte über die Jahre, und dann zur Gleichgültigkeit, und jetzt zur Leere. Aber dieser kleine Rest hatte überlebt. Hatte sich nicht zerstören lassen. Iragana erkannte fassungslos, dass sie ihren Mann immer noch liebte.

Die Gemahlin des toten Königs schrie laut auf.

In den Höfen des Sommerharems erstarrte das Leben.

*

Weiß. Die ganze Welt war weiß. Weiß trugen die Diener. Weiß trugen die Wachen. Weiß die Konkubinen und die Kinder. Weiß trug die Königin. Jedes sichtbare Stück Stoff war weiß. Selbst die Halsbänder der Hunde waren weiß. Und die Blumenbeete. Alle Blüten, die nicht weiß waren, hatten die Gärtner abgeschnitten.

So geisterhaft der Palast aussah, so still war er.

Die Gemächer des Kronprinzen blieben leer.

*

„Her mit dem Wein!“ Tolioro schwankte leicht, während er nach dem rubingeschmückten Pokal griff. Süßer, karapakischer Südwein. Sein Vater war endlich tot. Das musste gefeiert werden! Noch dazu schien sein Bruder sehr innig in diesen Tod verstrickt zu sein. Mit etwas Glück war Ioro sogar inzwischen ebenfalls tot. Tolioro hoffte auf die Rachsucht der Wüstenkrieger. So oder so aber war das Verschwinden seines Bruders von der Bildfläche ein weiterer Grund zum Feiern. Graf Chilikits Stadtpalais gab da gerade den rechten Rahmen her.

Zu Hause trugen alle Trauer. Selbst seine dämliche Mutter. Hatte sie sich nicht immer den Tod ihres Gatten gewünscht, sogar aktiv darauf hingearbeitet? Und jetzt, wo er endlich tot war, trauerte sie um ihn und behauptete, ihn tatsächlich geliebt zu haben? Versteh einer die Frauen! Tolioro verstand sie jedenfalls nicht. Aber egal. Sollte seine Mutter trauern, er würde feiern.

Die zierliche Sklavin schenkte den Wein ohne weitere Aufforderung nach. Ihre Hand zitterte leicht. Tolioro musterte sie kritisch von oben bis unten. Ein wenig zu dunkel für seine Zwecke. „Geh nach nebenan!“, befahl er. „Da steht Farbe. Mal dich heller. Und vergiss deine Haare nicht!“ Das Mädchen verbeugte sich und machte, dass es hinauskam.

Fitor von Arant-Kone, Graf Chilikits jüngster Sohn, sah mit weinseligem Lächeln auf. „Heller? Ich dachte immer, du magst keine hellhäutigen Frauen?“

„Mag ich auch nicht.“ Tolioro flegelte sich in die Polster. „Sie erinnern mich an meine Frau.“

Fitor zog es vor, darauf nicht zu antworten. So betrunken war er denn doch noch nicht, um nicht zu wissen, wie heiß dieses spezielle Thema war. Aber Tolioro sprach schon weiter.

„Meine entlaufene Frau Sirit.“ Seine Stimme klang heiser. „Wenn ich die heute hier hätte …“ Er goss einen weiteren Becher Wein in sich hinein. „Na gut, sie ist nicht hier, dann werde ich mich eben mit dieser hier begnügen müssen.“ Er deutete auf die Sklavin, die mit geweißtem Gesicht und ebenso geweißten Armen, Händen und Haaren soeben den Raum wieder betrat. Man sah der Farbe an, dass sie in aller Eile aufgetragen worden war. Schwankend richtete Tolioro sich auf, winkte die junge Frau heran. Sie versuchte eine Verbeugung. Tolioros Hand landete hart in ihren Haaren, krallte sich hinein und zwang sie auf die Knie. „Hässlich“, sagte er. Jetzt schnurrte seine Stimme fast. „Hässlich. Hell, hässlich, hell und hässlich.“ Er riss ihre Tunika auf. Auf den braunen Brüsten der Sklavin brachen sich die goldenen Reflexe der Kerzenflammen. „Arr!“ Tolioros freie Hand klatschte hart in ihr Gesicht. „Ich habe gesagt, du solltest dich heller machen. Was bei allen Winddämonen ist daran so schwer zu verstehen? Heller, überall heller. Ich habe nicht gesagt, lass deinen Körper aus!“ Er schlug ein zweites Mal zu. Da, wo sein Ring sie getroffen hatte, zeigte die Wange der Sklavin eine breite, blutige Schramme. Die Frau wagte nicht einmal zu wimmern. Tolioro warf sie hart auf den Boden. Dann ging er selbst nach nebenan, holte Farbe und Schwamm. Sanft, fast liebevoll begann er, den ganzen Körper der Sklavin mit der Farbe zu betupfen.

Fitor richtete sich interessiert auf. Das war neu.

Die Sklavin entspannte sich langsam. Drehte ihren Körper so, wie Tolioro es wollte, bis er sie von Kopf bis Fuß mit der hellen Farbe bedeckt hatte. Nicht einmal ihre Schamlippen hatte er ausgelassen. „Besser“, konstatierte er und warf den Schwamm achtlos beiseite. „Für heute Abend bist du meine Frau.“

Fitor zuckte zusammen. Au weia. Es wurde Zeit, dass er eine Ausrede fand, um sich zu verdrücken.

Tolioro öffnete seinen Gürtel, wog ihn in der Hand. Ein schneller, harter Schlag quer über die Brüste der Frau. Sie jaulte kurz auf. Er nahm den Gürtel und formte daraus eine Schlinge. Dann zog er sie beinahe liebevoll über den Kopf der Sklavin und beugte seinen Kopf an ihr Ohr. „Du wirst dich nicht wehren!“, flüsterte er. „Meine Frau tat das auch nie. Lieg einfach nur still. Wenn nicht …“ Er zog an der Schlinge. Das Lederband am Hals der Frau zog sich zu. Ihr Körper bäumte sich auf in dem vergeblichen Bemühen, Luft zu kriegen. Tolioro wartete ein paar Herzschläge, dann lockerte er die Schlinge wieder. In den Augen der Frau standen Tränen. „Wenn nicht, dann bist du sehr schnell tot. Hast du verstanden?“ Sie nickte furchtsam.

Wenn du wüsstest, dachte Fitor. Der Tod ist noch das geringste Übel, das dich hier erwartet. Aber er sagte nichts.

Tolioro hatte sich inzwischen seiner Kleidung entledigt und kniete zwischen den Beinen der Frau. In der einen Hand hielt er das Ende der Gürtelschlinge, in der anderen sein Messer, und sein Glied zuckte begierig vor ihrer Scham. Dann begann er, mit der Spitze des Messers Linien in die weiße Farbe auf ihrem Bauch zu ritzen. Verschlungene, gewundene Linien, aus denen es rot quoll. Die Frau tat ihr bestes, still liegen zu bleiben, aber ihr ganzer Körper zuckte und zitterte.

„Zu- zuwiel Wein!“, sagte Fitor, bewusst lallend. „Zuwiel Wein. Miris schlescht. Isch glaub isch geh mal kurzzz innen Garten.“ Ihm war tatsächlich schlecht, wenn auch nicht von dem Wein.

„Jaja“, murmelte Tolioro geistesabwesend, „geh nur.“ Sein Messer grub sich in den Oberschenkel der Frau. Sie wimmerte. Er drehte die Klinge. Die Frau schrie. Er zog die Schlinge zusammen. Aus dem Schrei wurde ein Röcheln. Im Hinausgehen nahm Fitor gerade noch wahr, wie Tolioro sein Glied in die Frau hineinrammte und zischte: „Du wirst mich noch um Gnade anflehen, Sirit!“

Wüstenkrieger

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