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Erwachender Zauber

Weit entfernt in den Drachenbergen beobachtete jemand ebenfalls etwas Schlafendes. Der Mann hatte Geduld. Viel Geduld. Er beobachtete das Wesen, das aus dem Gespinst hervorgekommen war und jetzt reglos zwischen den feinen Fäden kauerte, schon seit vielen Monden. Der Mann rührte sich nicht. Das Wesen rührte sich auch nicht.

Eine massige Wolke schob sich über den nahen Schneegipfel.Die Sonne verschwand, der Himmel wurde dunkel. Es begann zu schneien.

Der Mann rührte sich nicht. Das Wesen rührte sich auch nicht. Die Zeit war noch nicht reif.

*

Die zweite Kristallkammer war vernichtet. So weit, so gut. Nur, dass Großmeister Ro trotzdem das nagende Gefühl hatte, etwas übersehen zu haben.

Mit gerunzelter Stirn deaktivierte er den Sichtschutz seines Turmes. Schlagartig erhellte vielfarben gleißendes Sonnenlicht den Raum. Um ihn herum strebten die Türme seiner Kollegen in den wolkenfreien Himmel über Sawateenatari. Hohe, schlanke Kristallnadeln. Natürlich war keine davon höher als sein eigener Turm. Er war nicht umsonst Großmeister.

Ro seufzte.

Es waren weniger Türme als früher. Deutlich weniger. Er musste sie nicht zählen, um das zu wissen. Kriege bedeuteten Verluste.

Sein Blick wanderte zu Aks Turm. Ein Turm, der leer stand, wie ihm schmerzlich bewusst war. Ak war verschwunden, einfach so, nach dem Sieg, noch während der letzten Aufräumarbeiten. Nicht einmal ihre Freundin Pi wusste Näheres über ihren Verbleib.

Wenigstens lebte sie noch, ihr Turm stand unerschütterlich.

Sein Blick glitt weiter zu dem zweiten leerstehenden Turm. Jos Turm. Niemand hatte auch nur die leiseste Ahnung, was aus dem jungen Zauberer geworden war. Aber sein Turm hatte nicht nur Bestand, es schien ihm sogar manchmal, als ob er noch wüchse. Ro schüttelte sich unbehaglich. Dieser Jo … Er tauchte in keiner Prophezeiung auf. Er fügte sich keiner Regel. Es war, als hätten die Götter einen Stein in die Schale geworfen, der keinen Regeln gehorchte.

Ro aktivierte den Sichtschutz wieder.

Dieser Jo war ihm nicht geheuer.

*

Zum gefühlt zehntausendsten Mal schritt Jo die Grenzen seines Gefängnisses ab. Es gab diese Lücke, verdammt noch mal, er wusste es, da musste sie doch irgendwo zu finden sein! Zum gefühlt zehntausendsten Mal kam er wieder bei der Markierung an, von der aus er gestartet war. Nichts. Absolut nichts. Der Rand war fugenlos wie immer. Frustriert schlug er mit der Faust gegen die verschwommen durchsichtige Masse, die sein Gefängnis begrenzte. Nichts passierte. Und so hart er auch schlug, seine Faust verspürte keinen Schmerz.

Aber draußen war es noch immer hell, konnte er noch immer die Bibliothek sehen, in die Skane ihn gelockt hatte. Und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass er selbst dieses Licht außerhalb des Spiegels geschaffen hatte. Wusste es, weil das Licht auf ihn reagierte. Er konnte es heller werden lassen, dunkler, er konnte es sogar zu verschiedenen Plätzen in der Bibliothek lenken. Die Lücke war real. Warum, bei allen Winddämonen, konnte er sie nicht finden?

Wie war seine Magie aus dem Spiegel herausgelangt?

Hm Wenn er den Weg nicht fand, der hinausführte … was passierte, wenn er seine Energie zurückrief? Das war ein Gedanke. Wenn er die Energie im Auge behielt und sie tatsächlich zu ihm zurückkehrte, dann musste sie doch auf dem Rückweg die gleiche Lücke passieren wie auf den Hinausweg.

Und wenn nicht? Wenn der Spiegel sie einfach einsog, wie Spiegel es eben zu machen pflegten? Dann war es draußen dunkel. Dann war er wieder vollständig auf den Spiegel beschränkt. Möglicherweise gelang es ihm kein zweites Mal, seine Magie hinauszuschicken.

Frustriert stampfte er auf. Das brachte doch alles nichts. Hätte, könnte, sollte, mochte … wenn er es nicht probierte, würde er nie eine Antwort finden. Jetzt. Bevor er endgültig in unschlüssiger Apathie erstarrte.

Jo rief seine Magie.

Das Licht in der Bibliothek flackerte kurz auf, dann schwebte es zu dem Spiegel, der Jo gefangen hielt. Einen kurzen Moment hielt Jo inne. Dann befahl er dem Lichtball, langsam, ganz langsam zu ihm zurückzukehren. Das Licht sank herab. Es berührte die Sphäre. Den Bruchteil einer Sekunde gleißte sie auf, dann spürte Jo den Energiestoß, als das Licht in ihn zurückkehrte.

Das war verdammt schnell gegangen. Aber zum Glück nicht zu schnell. Der Bruchteil jener Sekunde hatte gereicht, um Jo die Schwachstelle zu zeigen. Sie befand sich direkt über ihm, im Zenit der Kuppel. Unerreichbar. Jo fluchte mit allem, was er an Verwünschungen von der Armee Karapaks und den Wüstenreitern gelernt hatte.

Hornstachler

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