Читать книгу Windschwingen - Chris Svartbeck - Страница 5

Оглавление

1027

Nachwuchssorgen

Vio, seines Zeichens oberster Meister der Töpfe und Pfannen im Sommerharem, sortierte geistesabwesend seine Gewürze. Es waren mehr geworden als früher, die neue Erste Gemahlin des Königs hatte einige Kräuter aus ihrer Heimat mitgebracht, die sie in ihren Speisen wünschte. Bei einem der neuen Kräuterbüschel zögerte er kurz. War diese Pflanze nun als Zutat zu Fleisch oder zu Gemüse gedacht? Aber nein, jetzt fiel es ihm wieder ein. Dieses würzige, harte Blatt gehörte zu Fisch. Meeresfisch, wie die Erste Gemahlin betont hatte. Nun, dann konnte er das Kraut gleich ganz hinten in den Schrank hängen. Wenn man nicht gerade die Dienste eines Zauberers in Anspruch nahm, war es so gut wie unmöglich, Meeresfische in die Hauptstadt zu bekommen, die noch frisch genug waren, um sie zu essen.

Jetzt nur noch rasch die Töpfchen mit den Würzsamen überprüfen. Der Fenchel roch muffig. Vio warf ihn ins Herdfeuer und beauftragte einen Küchenjungen, unverzüglich zum Markt zu laufen und frischen zu holen. Beim achtzehnten Töpfchen hielt Vio erneut inne. Zirmetsamen. Noch so ein Fischgewürz. Allerdings rochen diese Zirmetsamen merkwürdig schwach. Er streute ein paar auf die weißgescheuerte Tischplatte. Seine Augen verengten sich. Das war kein Zirmet. Genauer gesagt, das war Zirmet, der mit einer ordentlichen Portion Möhrensamen gestreckt war. Vio war absolut sicher, dass die Königinmutter das interessant finden würde.

„Wer weiß alles, welche Gewürze die Erste Gemahlin meines Sohnes gerne und in größeren Mengen isst?“ Sirit besah die so unscheinbar und harmlos auf ihrer Hand liegenden Körner.

Vio zog den Kopf ein. „Praktisch jeder hier in der Küche. Und ihre Hofdamen. Und natürlich so gut wie alle Diener im Sommerharem.“

„Und du bist sicher, was die Wirkung betrifft!“

„Absolut.“ Vio zögerte kurz, bevor er hinzusetzte: „Meine Schwester hat die gegessen, als sie bereits fünf Kinder hatte und keine mehr wollte.“

„Das ist Sabotage. Schlimmer, Hochverrat. Ein Angriff auf das Haus Mehme. Der König muss davon erfahren.“

Vio wünschte sich ein Mauseloch, in dem er unverzüglich verschwinden konnte. Der König … Es waren schon Leute aus weniger guten Gründen hingerichtet worden.

Inagoro hörte mit versteinertem Gesicht, was seine Mutter ihm berichtete. „Ein Kraut, das unfruchtbar macht“, sagte er dann. „Für immer? Oder ist der Effekt vorübergehend?“

„Vorübergehend“, versicherte Sirit ihm.

„Wissen wir, wer es war?“

Sirit lächelte dünn. „Noch nicht. Aber vermutlich bald. Nur fürchte ich, dass der Anstifter zu dieser Tat von außen kommt. Wir beide wissen sehr genau, wer Interesse daran hat, dass du keine weiteren Söhne bekommst.“

Inagoros Wangenmuskeln spannten sich. Instinktiv wich Sirit einen Schritt zurück. So hatte Tolioro ausgesehen, bevor er zuschlug.

Die Lieferung war aus dem Süden gekommen. Wie die Erste Gemahlin. Niemand hatte Verdacht geschöpft. Die Gattin des Königs ließ viele Gewürze aus ihrer alten Heimat kommen und pflegte Unmengen davon über ihr Essen zu geben.

Der königliche Geheimdienst grub allerdings ein interessantes Detail aus. Der Händler, der normalerweise direkt vom Grünwassersee aus seine Waren anlieferte, hatte bei seiner letzten Fuhre massiv Schwierigkeiten gehabt. Ein verendeter Ochse, zwei gebrochene Wagenräder, eine merkwürdige Häufung von Durchfallerkrankungen unter seinen Angestellten. Auf halbem Wege hatte er sich einen Lohnunternehmer anheuern müssen, um seine Waren noch pünktlich zum Palast zu schaffen. Und dieser Lohnunternehmer stammte den Papieren nach rein zufällig aus einer Stadt im äußersten Norden des Lehens von Herzog Komato.

Noch viel zufälliger hatte dieser Lohnunternehmer auf seinem Heimweg einen äußerst tragischen Unfall gehabt und sich den Hals gebrochen, als seine Ochsen aus unerfindlichen Gründen plötzlich durchgingen.

Es gab also keine Beweise.

Inagoro wusste dennoch, woran er war. Die Wachen vor dem Sommerharem wurden verdoppelt, alle eingehenden Lieferungen mehrfach überprüft, eine zusätzliche Vorkosterin für die erste Gemahlin bestimmt.

Trotzdem dachten alle zuerst an einen Giftanschlag, als die erste Gemahlin am dritten Morgen der Regenzeit über massive Übelkeit klagte. Bis zum Nachmittag ging es ihr allerdings schon wieder besser.

Und am nächsten Morgen war ihr wieder übel.

Fabriele war schwanger.

Endlich. Es hatte schon ungutes Geflüster gegeben in Palast und im Thronrat, Erinnerungen an Inagoros Vater, der es nicht geschafft hatte, mehr als einen einzigen Sohn zu zeugen. Ein Königshaus ohne Söhne war ein Haus, das nicht mehr lange Bestand haben konnte.

Ein Königshaus mit vielen Söhnen hatte andere Probleme. Inagoro dachte daran, was er über seinen Vater und dessen Brüder erfahren hatte. Die meisten davon waren nicht einmal alt genug geworden, um Laufen zu lernen. War sein ältester Sohn in Gefahr?

Aber da war immer noch Sirit. Inagoro war sich sicher, dass seine Mutter über ihren ersten Enkelsohn wachen würde wie eine Löwin.

Das Problem war nur, mit der Geburt eines Sohnes würde Fabriele Sirit von ihrer Position als Erste Frau im Sommerharem verdrängen. Wenn Fabriele es so wollte, würde Sirit in den Winterharem ziehen müssen.

Und von da aus konnte sie nicht mehr über ihren Enkel wachen.

Inagoro ballte die Fäuste. Soviel unnützer Ballast an Sorgen alleine in seiner Familie! Bei allen Winddämonen, er war der König, er sollte Besseres zu tun haben. Beispielsweise einen kleinen Eroberungsfeldzug. Aber wo? Im Norden gab es nichts zu erobern. Bis tief hinein nach Kirsitan waren die Berge inzwischen fast menschenleer. Mit Tolor hatte Karapak einen Friedensvertrag. Mit den Wüstenstämmen auch. Inagoro starrte finster ins Nichts. Es gab nur noch eine einzige Stelle, an der Karapak tatsächlich kämpfen konnte. Das Delta. Jene Sumpfinseln, auf denen sich die Piraten verschanzt hatten.

So ziemlich die schlechteste Stelle für einen Krieg, wenn man normalerweise mit Fußsoldaten und Kavallerie kämpfte.

Windschwingen

Подняться наверх